Fachkräftemangel im Bauwesen – Kein Bau ohne Bauämter

18. April 2018


Waren Sie in letzter Zeit mal wieder auf dem Bauamt? Es ist ein trostloses Bild, das sich einem dort bietet — und ich rede nicht davon, dass sich die Gebäude in vielen Städten in einem sanierungsbedürftigen Zustand befinden. Ich meine vielmehr die fehlende Manpower.

Von Frank Wojtalewicz

In unserem Land werden zu wenig Bauingenieure und Architekten ausgebildet. Bis zum Jahr 2026 fehlen über 100.000 Bauingenieure, Ende 2017 waren bereits 30.000 offene Stellen mangels Bewerbern nicht besetzt. Laut dem VDI könnten derzeit allein in Berlin und Brandenburg 2.200 Fachkräfte mit Ingenieursausbildung sofort eingestellt werden.

Dieser Mangel hat erhebliche Folgen für das Bauwesen im Allgemeinen, weil viele Projekte nicht ausgeführt werden können. Er führt aber zugleich zu einem Dominoeffekt innerhalb der Berufsbranche. Die Nachfrage auf dem freien Markt befeuert die ehedem schon großen Personalengpässen bei den Behörden. Die Gehälter zu gering, die Strukturen veraltet — so stellt sich derzeit der öffentliche Dienst dar. Im Bauwesen ist dies besonders eklatant, weil es sich letztlich um eine klassische B2B-Branche handelt. Bauämter sind keine politisch werbetauglichen Institutionen — es wird gerechnet, es werden Zeichnungen und Tabellen studiert — und das eignet sich nicht für aufmerksamkeitsstarke Bilder. Die Folge: Die Baubehörden werden bei der Personalplanung stiefmütterlich behandelt.

Dabei brauchen die für den Bau zuständigen Institutionen dringend mehr Kapazitäten, um den Baustau aufzulösen. Ich empfehle Ihnen einen Blick ins Internet. Googeln Sie doch mal die Begriffe „unbearbeitete Bauanträge“ und klicken Sie sich durch. Man wird förmlich überschüttet mit Berichten und Nachrichten aus deutschen Städten. Hagen: „Fast jeder dritte Bauantrag bleibt unbearbeitet.“ Sigmaringen: „243 Anträge unbearbeitet“. Oberhausen: „Bei der Behörde stapeln sich die Bauanträge.“ München: „Behörde zu langsam — und muss Schadenersatz zahlen.“ Von Berlin möchte ich gar nicht erst reden. Quer durch die Republik können die Behörden die Zahl der Bauanträge nicht bewältigen, und der wichtigste Grund ist zum größten Teil die oben genannte Personalproblematik.

Der zweite Grund für den Baustau ist die Reaktion der verantwortlichen Politik. Statt die beruflichen Rahmenbedingungen zu verbessern und eine Architekten- und Ingenieurskampagne durchzuführen, zieht die Politik noch mehr Kapazitäten von den Behörden ab und bündelt diese für große und prestigeträchtige Neubauprojekte. Wohnsiedlungen, die plötzlich höchste Priorität erhalten (auch weil sie sich gut vermarkten lassen), dauern in der Projektplanung und Umsetzung zumeist zehn Jahre und mehr, Tendenz steigend. Mir ist ein Projekt bekannt, bei dem 3.000 Wohneinheiten entstehen sollen — das wäre an sich zu begrüßen. Aber Mitarbeiter des Umweltamts haben zwei Kröten auf dem Gelände gesichtet und eine dritte gehört. Die Folge: Bau- und Planungsstopp seit über einem Jahr. 3.000 Wohnungen scheitern an drei Lurchen. Das ist keine Seltenheit und die zugrundeliegende Regel lautet: Je größer ein Projekt, auf desto mehr Feinde und Unwegsamkeiten wird es treffen und entsprechend mehr Zeit und Personal wird es benötigen. Diese Zeit aber kostet die Menschen viel Geld — angesichts des Wohnraummangels steigen die Angebotspreise im Bestand nur noch weiter.

Dabei könnten die Bauämter auch anders. Hamburg etwa ist ein Lichtblick. Statt sich auf große Siedlungen zu fokussieren und die Behörden mit Prio-1-Projekten zu überrennen, unterstützt die Hansestadt die kleinteilige Lückenbebauung und setzt damit Anreize für mittelständische Bauträger. Nach wie vor verfügen die meisten deutschen Großstädte — bis auf den Sonderfall München — über hinreichend innerstädtische Bauflächen, die zügig erschlossen werden können. In Hamburg konnten so 2017 Baugenehmigungen für 12.400 Wohneinheiten erteilt werden.

Es gibt mehrere Vorteile dieser Vorgehensweise. Erstens besteht eine weitaus geringere Gefahr bei Rand-, Lücken- und Hofbebauungen, dass sich die breitere Öffentlichkeit aus ideologischen Gründen dagegenstellt. Auch ist mit weniger Auflagen durch das Umweltamt zu rechnen. Drittens brauchen solche Bauvorhaben von der Baugenehmigung bis zur Fertigstellung weitaus weniger Zeit. Und viertens fördert die Bebauung innerstädtischer Grundstücke letztlich das Zusammenwachsen der Gesellschaft und beugt Ghettoisierungen in abgelegenen Neubausiedlungen vor. Gerade mit Blick auf die gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen in den kommenden Jahren sollte es im Interesse der Politik sein, diese Chancen aktiv zu nutzen.
Foto: lamontak590623