Flexibilität ist Trumpf

29. September 2023


„Mobilität“ – auf den ersten Blick scheint dieser Begriff im Widerspruch mit Immobilien zu stehen. Und doch haben Mobilität und Fortbewegung für Menschen einen derart hohen Stellenwert, dass sie auch bei der Wahl von Wohnort, Eigenheim oder Miet-Immobilie ein entscheidendes Kriterium darstellen. Diesbezüglich erweist sich ein Objekt nicht nur durch seine Lage sowie seine Verkehrsanbindung als reizvoll: Innovative Projektentwickler denken weiter und suchen schon heute nach Möglichkeiten, Mobilitäts-Angebote direkt in ihre Immobilien zu integrieren.

Von Herbert Ottenschläger

Besonders gefragt sind hierbei elektrische Shared-Mobility-Konzepte, die den zusätzlichen Vorteil bieten, den Wert des betreffenden Objekts zu steigern sowie die Auflagen zur Förderung nachhaltiger Mobilität zu erfüllen. Mobilitätslösungen in Form von Ride-Sharing können sowohl für Immobilienprojekte mit Mietobjekten als auch bei Eigentümergemeinschaften zum Einsatz gebracht werden.

In beiden Fällen sind Immobilienentwickler und Verwalter angehalten, die Bedürfnisse von Bewohnern und Eigentümern zu eruieren und den praktischen Nutzen möglicher Lösungen abzuwägen. Unter anderem gilt es, folgende Fragen zu beantworten:

  • Haben die Bewohner Bedarf und Interesse an einem gemeinschaftlichen Mobilitätsangebot?
  • Wie könnte ein Mobilitätsangebot für eine Wohnimmobilie den Bewohnern konkret dabei helfen, ihre Wege schneller, kostengünstiger, effizienter und nachhaltiger zurückzulegen?
  • Wie können am Immobilienprojekt beteiligte Investoren oder Eigentümer vom geplanten Projekt überzeugt werden?
  • Welche Anbieter verfügen über Angebote, die zur Realisierung des geplanten Projekts in Frage kommen, und zu welchen Konditionen?
  • Existieren für die angedachte Lösung staatliche oder kommunale Fördermöglichkeiten, die beantragt werden können?

E-Mobilität als gesetzliche Vorgabe

Auch für die öffentliche Hand sind diese Fragen von entscheidender Bedeutung —wenn auch aus anderem Blickwinkel: Nachhaltige Mobilität gilt als elementarer Bestandteil der von der Bundesregierung vorgegebenen Klimaziele; zukunftsfähige Immobilien sollen den Zugang zu nachhaltiger Mobilität erleichtern und fördern.

Um diese Symbiose anzukurbeln, werden auf politischer Ebene sowohl entsprechende Anreize geschaffen als auch Maßnahmen vorgegeben. Letztere etwa durch das 2021 in Kraft getretene Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG). Das Gesetz beschleunigt den Aufbau der Leitungs- und Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität im Gebäudebereich und sieht unter anderem vor, dass neu errichtete Wohngebäude mit mehr als fünf Stellplätzen Ladepunkte für diese Stellplätze bieten.

Der kostenintensive Mehraufwand, den das mitunter für Immobilienbetreiber und Projektentwickler bedeutet, lässt sich mittels integrierter Mobilitätskonzepte deutlich reduzieren. Dafür gilt es allerdings, das passende Konzept und das passende Verkehrsmittel zu finden. In der Praxis hat sich erwiesen, dass das E-Bike — im Gegensatz etwa zum E-Auto — für geteilte, hausinterne Mobilität die ideale Kosten-Nutzen-Balance liefert.

E-Bikes erfüllen in Kombination mit den zugehörigen Ladestationen nicht nur die Vorgaben des GEIG, sondern können auch zahlreiche finanzielle Vorteile bieten.

Anreize für integrierte Mobilitätskonzepte

Shared Mobility wurde nämlich nicht erst durch GEIG für den Immobilien-Sektor interessant. Ursprünglich diente sie vor allem als Alternative zur Errichtung von Stellplätzen und zur Einsparung der Abgabe, die in vielen deutschen Kommunen im Fall eines unzureichenden Stellplatzangebots fällig wird.

Unabhängig von diesem Verwendungszweck, wandeln sich integrierte Mobilitätskonzepte zunehmend vom Nice-to-have zum unumgänglichen Must-have. Vielerorts — beispielhaft sei München erwähnt — werden sie gemeinsam mit dem Bauantrag eingereicht und können ausschlaggebend für die Erteilung der Baugenehmigung sein. Ein Trend, der sich künftig noch verstärken dürfte.

Denn über das ESG-Rating (Environmental, Social, Governance), das von EU-Verordnungen wie etwa der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) für die Bewertung von Unternehmen und auch Immobilien-Investments genutzt wird, rückt auch die Nachhaltigkeit von Bauprojekten immer stärker in den Fokus. Das hat auch Konsequenzen für die Gesamtbewertung von Objekten. Sind diese, unter anderem durch den Einsatz nachhaltiger Mobilitätskonzepte, ESG-konform, können sie beträchtlich im Wert steigen. Vom Image-Gewinn ganz zu schweigen, der die Objekte für den Großteil der Mieter, die sich zunehmend klimabewusst zeigen, zusätzlich attraktiv macht.

Praktischer Nutzen im Vordergrund

So reizvoll Mobilitätslösungen auch auf dem Papier wirken, werden sie letztlich aber an ihrem praktischen Nutzen im Sinne einer unkomplizierten, einfachen Umsetzung gemessen. Unsere Erfahrung zeigt, dass sich Immobilienbetreiber überwiegend für integrierte Mobilitätskonzepte entscheiden, die ihnen lediglich ein Mindestmaß an Aufwand bedeuten. Da Immobilienbetreiber rechtlich selbst keine Nebenleistungen offerieren dürfen, muss hierfür ein passender Dienstleister beauftragt werden. Der Dienstleister sollte eine Lösung anbieten, die für den Auftraggeber nicht steuerschädlich, zugleich aber refinanzierbar ist. Zum anderen sollte diese Lösung praktisch schlüsselfertig geliefert werden können und von Immobilienbetreibern oder Projektentwicklern lediglich erfordern, den nötigen Platz einzuplanen und zur Verfügung zu stellen. Außerdem istFlexibilität auch in der Anwendung Trumpf — entscheidend ist, dass die Bewohner das Mobilitätsangebot einfach und intuitiv nutzen können. Stehen die Fortbewegungs-mittel kostenfrei, über ein Credit-System oder einen in der Miete enthaltenen Kostenpunkt zur Verfügung? Dürfen sie von hausfremden Personen, beispielsweise Gästen der Mieter, verwendet werden? Darüber hinaus müssen auch Aspekte des fortlaufenden Betriebs berücksichtigt werden: Im Optimalfall kümmert sich der Mobilitätsdienstleister um Service und Wartung sowie um die Versicherung der Fahrzeuge. Sind all diese Kriterien erfüllt, können alle Beteiligten profitieren — Immobilienbetreiber, Mieter beziehungsweise Bewohner und Kommunen gleichermaßen.

 

Foto: © blacklight_trace/AdobeStock