Gestern einkaufen, morgen wohnen

18. Februar 2022


Der Leerstand in vielen Innenstädten — insbesondere in B- und Nebenkernlagen und in Klein- und Mittelstädten —
ist kein vorübergehendes Phänomen. Deswegen gewinnen dort Umnutzungspotenziale im Bereich des Einzelhandels an Bedeutung. Die Umwidmung von Läden in Wohnraum ist meistens aufwändig. Grundrisse, Statik, Bauordnung oder die Lage können einen Strich durch die Rechnung machen. Was es zu bedenken gilt, damit ein Umbau erfolgreich wird.

Von Sebastian E. Hucz

In vielen Städten stehen Läden leer. Insbesondere die Nebenlagen von Großstädten haben viele Vakanzen. In Mittel- und Kleinstädten ist anhaltender Leerstand in den Haupteinkaufsstraßen vorhanden. Die Pandemie beschleunigte den seit längerem andauernden Prozess, dass immer mehr Flächen mit unvorteilhaften Grundrissen und überschaubarer Passantenfrequenz kaum Nachmieter finden. Eine Umfrage vom Deutschen Städtetag und dem Industrie- und Handelskammertag in Städten mit mehr als 5.000 Einwohnern förderte zutage, dass alle kommunalen Vertreter mit einem Anstieg ihres Ladenleerstands auf bis zu 15 Prozent rechnen. Vor der Pandemie lag die Quote bei circa zehn Prozent.

Gleichzeitig herrscht nahezu überall Wohnraummangel. Da würde es sich anbieten, leere Geschäfte in Wohnungen umzubauen. Dies ist allerdings leichter gesagt als getan. Makler beziehungsweise Verwalter, die Eigentümer in dieser Frage beraten, müssen verschiedene Dinge bedenken.

Zustimmung der Miteigentümer nötig

Gehört der Laden einem Miteigentümer einer Eigentümergemeinschaft, dann ist in der Teilungserklärung zumeist die Nutzungsart der Erdgeschossfläche festgelegt — in diesem Fall als Geschäft. Dann ist eine Nutzungsänderung durchzuführen, zu der in der Regel die Miteigentümer ihre Zustimmung geben müssen. Außerdem ist zu prüfen, ob eine Umnutzung baurechtlich machbar ist. Dabei empfiehlt es sich, beim Bauamt eine Bauvoranfrage zu stellen, ob die Pläne genehmigungsfähig sind. Die Statik erlaubt es zumeist, das Geschäft in eine Wohnung umzunutzen. Schwierigkeiten gibt es beim Tageslicht. Viele Geschäfte haben eine große Schaufensterfront, dahinterliegend allerdings oftmals Neben- und Lagerflächen mit wenig Tageslicht. Mit intelligenten Lösungen wie fließenden Grundrissen, Glastüren, Lichtschächten in Wänden oder zusätzlichen Fenstern können Architekten mehr natürliches Licht in die künftigen Wohnräume lenken. Der ehemalige Verkaufsbereich wird zumeist als Küche beziehungsweise Wohn- und Essbereich verwendet. Rückwärtig liegende, ruhigere Räume eignen sich als Schlaf- und Kinderzimmer.

Entstehende Wohnung muss in sich abgeschlossen sein

Heikel ist oft die Schaffung des Zugangs. Die neue Wohnung muss abgeschlossen sein und über einen eigenen Eingang verfügen. Ältere Geschäfte, die über einen Treppenaufgang zu erreichen sind und eher kleine Schaufenster haben, haben dabei Vorteile, lassen sie sich doch leichter in Wohnraum umbauen als ebenerdige Flächen. Vielleicht lässt sich die Wohnung auch über einen vorhandenen Seiteneingang oder Flur erschließen. Ebenerdige Ladenflächen können hingegen einfacher in eine barrierefreie Wohnung umgebaut werden. Weil es an solchen überall mangelt, sollte man dies in Betracht ziehen.

Ein Erdgeschoss-Umbau bietet den Vorzug, dass er mit vergleichsweise wenig Schmutz für die darüberliegenden Bewohner verbunden ist. Zudem können mühelos vom darunterliegenden Keller aus Versorgungsleitungen für Wasser, Abwasser, Strom und Heizung gemäß der neu entstehenden Raumaufteilung installiert werden.

Umbau auch wirtschaftlich vertretbar?

Bei der Planung ist zu prüfen, ob sich der Umbau rechnet, ob also nach den Maßnahmen ein entsprechender Miet- oder Verkaufspreis erzielbar ist. Neben der Nachfragesituation spielt dabei der Verkehrslärm eine Rolle und ob es möglich ist, die neue Erdgeschoss-Wohnung mit einem Balkon oder einer Terrasse auszustatten. Weil viele Läden an Durchgangsstraßen liegen, ist der Straßenlärm nicht zu unterschätzen.

Die meisten Städte unterstützen öffentlichkeitswirksam Retail-Umnutzungen. In der Theorie. Gleichzeitig lassen aber lokale Regeln zum Brandschutz, die kommunale Stellplatzverordnung sowie Bestimmungen zu den Fenstergrößen etc. kaum Spielräume und können eine Umnutzung verhindern. Deshalb sollte das Bauordnungsrecht der Länder angepasst und zugunsten von Wohnraum Ausnahmen geschaffen werden. Grundsätzlich ist eine frühzeitige und enge Abstimmung mit der Baubehörde angeraten.