Gießen nicht vergessen

6. Dezember 2018


In meiner langjährigen Praxis als Berater habe ich hunderte Immobilienunternehmen analysiert. Die meisten von Ihnen waren digitalen Entwicklungen gegenüber äußerst aufgeschlossen und probierten auch viele Tools. Doch die Erfolge waren zuweilen noch dürftig. Das lag zum einen an der mangelnden Erfahrung, vor allem aber daran, dass vergessen wurde, online zielgruppengerechte Reichweite zu erzeugen.

Von Jan Kricheldorf

Ja, Zeitungsverlage sind verzweifelt. Da sie mit dem Papier nicht mehr so viel verdienen, versuchen sie zunehmend, ihre Markenbekanntheit für digitale Zusatzdienste einzusetzen. Meist ruft ein Vertreter im Namen der XY-Zeitung beim Kleinunternehmer an und bietet an, das Online-Marketing für die Webseite zu übernehmen. „Wir bringen Sie bei Google nach oben“, heißt es dann. In der Regel wird dazu nicht mehr als eine Google-Adwords-Kampagne geschaltet und ein Backlink auf den Webseiten der XY-Zeitung gesetzt. Das war‘s. Die Kosten sind oft überschaubar, die Wirkung auch. Das ist schade, weil auf diese Weise der richtige Ansatz zu einem Negativerlebnis verkommt. Warum aber funktioniert es nicht? Es geht los damit, dass sehr stark auf Keyword-Marketing gesetzt wird. Ansatz zwar grundsätzlich richtig, aber ist „Immobilienmakler XY-Stadt“ sinnvoll, wenn der Klicker auf eine Seite geführt wird, wo er als potenzieller Auftraggeber gar nicht abgeholt wird? Wenn die Farm des Maklers noch gar nicht bestellt ist, kann das permanente Gießen auch nichts zum Erblühen bringen. Die meisten Seiten von Immobilienunternehmen sind noch auf Vermarktung konfiguriert, also auf genau den Aspekt der Arbeit, wo es gerade keinen Engpass gibt. Die Kampagne kann die zweifellos vorhandenen Potenziale nicht ausschöpfen, und da es derzeit wenig Menschen gibt, die „Immobilienmakler XY-Stadt“ in die Suchmaschine eingeben, ist der Erfolg nicht spürbar.

Auch der umgekehrte Fall ist häufig: Das Feld ist bestellt, aber Kontaktaufnahmen mit Eigentümern bleiben aus. So geschehen bei einem Immobilienunternehmen aus Mainz. Nachdem die Webseite für Eigentümer optimiert wurde, erreichte mich der Anruf: Herr Kricheldorf, wir spüren keinen Traffic. Ich schaue mir das an und stelle fest: Das Feld wurde bestellt, aber nicht gegossen. So lange die Farm digital nicht regelmäßig bekannt gemacht wird, kann auch kein Traffic entstehen. Denn die Zielgruppe kommt nicht einfach so auf die Webseite, sondern nur, wenn sie dort aktiv hingebracht wird. Wer dynamische Inhalte nutzt und regelmäßig Eigentümer anspricht, muss auch dafür sorgen, dass die Eigentümer davon erfahren. Das geht nur mit Kampagnen, trafficstarken Netzwerken und Werbung.

In der Praxis unterscheiden wir zwischen drei Konversionsstufen beim Onlinemarketing. Die erste Konversionsstufe sorgt dafür, dass die relevante Zielgruppe auf die Seite kommt. Das gelingt am besten über einen Blog, der permanent für Eigentümer relevante Inhalte enthält. Denn nur so können Sie sicher sein, dass auch die richtige Zielgruppe angesprochen wird. Aber auch hier gilt: Von nichts kommt nichts. Entweder Sie haben sich ein Netzwerk oder eine größere Datenbank schon selbst aufgebaut — dann müssen Sie nicht unbedingt Werbung schalten. Oder Sie können nicht auf bereits vorhandene Reichweite setzen — dann müssen Sie die erst noch erzeugen. Am besten geht das in sozialen Netzwerken, wo Sie auf Artikel oder Posts Werbung schalten können. Was haben Sie im Ergebnis erreicht? Sie haben im Netz Expertise kommuniziert, in Ihrem Vertriebsgebiet Eigentümer angesprochen und sie dadurch aktiviert, auf Ihrer Seite zu landen. Sie steigen in der Relevanz und werden über die Zeit Ihre Marke digital verlängern können. Stimmen die Handlungsaufforderungen, werden verkaufsbereite Eigentümer mit Ihnen direkt in Kontakt treten wollen.

Die zweite Konversionsstufe ist schon etwas schwieriger, denn hier geht es um das konkrete Erzeugen von Leads. Ist uns in Konversionsstufe 1 der Eigentümer noch unbekannt, wollen wir ihn jetzt aktiv zu einer ersten Kontaktaufnahme verleiten, ohne die Messlatte all zu hoch zu legen. Die meisten Leadgeneratoren zielen im ersten Schritt nur auf die Abgabe einer gültigen Email-Adresse, auch wenn sie mickeymouse@gmx.net lautet. Denn die Email-Adresse sichert ab, dass der potentielle Auftraggeber nicht mehr losgelassen wird. Das geht am besten mit einem automatisierten Email-Marketing-System. Da wir über die dynamischen Inhalte aus dem Blog schon wissen, welche Bedürfnislage vorliegt, kann der potenzielle Kunde nun mit Inhalten aus seiner Themenwelt immer wieder in Berührung gebracht werden. Natürlich nur, wenn er das auch will. Dieses Wollen drückt er mit dem Abgeben seiner Email-Adresse aus. Nur so gelangt er überhaupt in die Themenwelt. Damit er das freiwillig tut, muss der Anreiz hoch genug sein. Oft gelingt das mit E-Books, Hörbüchern, Büchern oder Checklisten. Aber sind das wirklich starke Mehrwerte? Das kann von Region zu Region unterschiedlich sein und muss immer getestet beziehungsweise gemessen werden.

Die Konversionsstufe 3 schließlich ist die konkrete Kontaktaufnahme, die zum Alleinauftrag führt. Hier wird es spannend. Denn nun lassen sich Kosten und Einnahmen in ein Verhältnis setzen. Mit wie viel Marketingaufwand kommen Sie zum Auftrag? Auch hier sind die Zahlen sehr unterschiedlich. In Randlagen beispielsweise können die Kosten sehr gering sein, während in den Metropolen die Kosten aufgrund des höheren Wettbewerbs ebenfalls meist höher sind. Dafür sind dort die Provisionsumsätze oft auch höher. Es kann sich also immer noch rechnen, 5.000 Euro Marketingausgaben zu haben, bei einem Provisionsumsatz von 30.000 Euro.

 

Foto: © Illustration: Kristyna Henkeova / Wordliner GmbH