Gute Zeiten für finanzkräftige Investoren

9. August 2023


Gestiegene Zinsen, Inflation und Konjunktureintrübungen haben Spuren am Investmentmarkt hinterlassen: die Transaktionszahlen gehen zurück. Diese Entwicklung bietet Anlegern mit hoher Liquidität neue Chancen. Denn die Immobilienpreise sinken, Mieten und Renditen steigen. Was Makler zum aktuellen Marktgeschehen und den Ankaufbedingungen dieser Investorengruppe wissen müssen.

Von Stefan Frey

Das Transaktionsvolumen für Wohn- und Gewerbeimmobilien sank im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 58 Prozent. Damit liegt es auf dem niedrigsten Niveau seit 2012. Diese Zahlen klingen alarmierend. Aber es ist auch festzustellen, dass der Markt nach der Schockstarre infolge von Ukrainekrieg, Zinswende, hoher Inflation und gestiegenen Baukosten in einer Findungsphase ist. Die Preise für Zinshäuser sind gesunken, Inflation und Baukostenanstiege haben sich beruhigt. Viele Investoren müssen die neuen Zinsrealitäten noch verdauen und ihre Ankaufbedingungen neu ausrichten. Die meisten Branchenexperten sind sich einig, dass sich der Markt ab 2024 neu belebt.

Insbesondere institutionelle Anleger, ausländische Unternehmen und Versicherungen warten derzeit ab. Dies eröffnet auf der anderen Seite privaten Investoren und Family Offices mit hoher Liquidität neue Chancen für den Erwerb renditeträchtiger Anlageobjekte. Sie sind teils risikobereiter, nicht abhängig von Shareholdern und grundsätzlich eher an einer lang- als an einer kurzfristigen Rendite interessiert. Die meisten wollen Objekte lange im Bestand halten. Oft verfügen sie über hohe Rücklagen, die sie für den Erwerb einsetzen können, so dass ihre Investments kaum von den erhöhten Zinsen betroffen sind. So verwundert es nicht, dass in den zurückliegenden Monaten vor allem Objekte und Portfolios im unteren zweistelligen Millionen Euro-Bereich neue Eigentümer fanden. Größere Portfolios sind schwerer finanzierbar. Ungebrochen groß ist das Interesse vieler Anleger an Nischenmärkten, etwa für studentisches Wohnen, Mikro-Wohnungen und Service-Apartments. Sie versprechen hohe Renditen bei vergleichsweise niedrigen Kaufpreisen. Abzuwarten bleibt, ob neue Pläne der Politik zum Tragen kommen, die Mieten für möblierten Wohnraum zu regulieren. Das könnte die Nachfrage in diesem Segment dämpfen.

Kaufvervielfältiger gingen zurück

Mehrere Gründe sprechen dafür, dass für diese Investoren gute Zeiten sind. In den meisten Großstädten sind die Preise für Wohnimmobilien nach der Zinswende um 15 bis 20 Prozent gesunken. Der Vervielfältiger für gute Bestandsobjekte in Städten wie Köln, Berlin, Hamburg oder Frankfurt am Main ging von über 30 zurück auf 20 bis 25. Investiert der neue Eigentümer einige hundert Euro pro Wohnquadratmeter in die Flächenmodernisierung, kann er eine höhere Miete erwirtschaften. Für Bestandsgebäude mit größeren Sanierungsstaus sind die Preise teils noch stärker gesunken. Kommen weitere Makel wie eine schwach nachgefragte Lage dazu, wirkt sich dies zusätzlich preismindernd aus. Man trifft aktuell auf dem Markt mehr Investoren, die gezielt nach Objekten mit Sanierungsstau suchen, bei denen sie günstig einsteigen können, um nach einer Sanierung höhere Mieten erzielen zu können. Im Unterschied zur letzten Krisenphase, der Finanzkrise: Damals suchten die meisten Investoren hochwertige Bestandsimmobilien, weil diese aus ihrer Sicht die größte Sicherheit boten. Aktuell liegt der Fokus vieler Anleger auf Objekten mit vergleichsweise günstigen Einstiegspreisen und größerem Entwicklungspotenzial. Der Wohnungsneubau ging zurück, die Bevölkerung wächst und die Nachfrage nach Mietwohnungen ist ungebrochen hoch. Diese Faktoren tragen dazu bei, dass die Mieten und damit auch die Renditen auf lange Sicht steigen werden.

Viele ältere Eigentümer trennen sich von Objektbestand

Die größere Nachfrage nach Bestandsobjekten passt zu der Entwicklung, dass sich aktuell insbesondere ältere Immobilieneigentümer von ihrem Besitz trennen. Zu groß ist ihre Verunsicherung aufgrund der Diskussionen um CO2-Abgaben, Heizungsgesetz und weiteren Gesetzesplänen, die das Vermieten verkomplizieren. Weil sie Ausgaben in die energetische Ertüchtigung ihrer Mietshäuser scheuen, trennen sie sich lieber von ihnen. Dies erhöht das Objektangebot. Aktive Investoren haben mehr Auswahl, einen geringeren Ankaufdruck und können eher Preisreduktionen verhandeln als vor der Zinswende. Dies ist die Stunde professioneller Makler, die sich auf ihre Tugenden besinnen und wieder häufiger komplexe Verhandlungen führen müssen. Im Vergleich dazu hat der Einstieg in den Wohnungsneubau gelitten. Aufgrund gestiegener Grundstückspreise und höherer Baukosten sind die Preise ungebrochen hoch, häufig weiter gestiegen. So kostet ein Wohnquadratmeter Neubau zwischen 5.000 und 6.000 Euro. Bei diesen Einstandskosten eine adäquate Miete abzuleiten, die selbst für gutverdienende Haushalte halbwegs bezahlbar ist, fällt zusehends schwer.

 

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