„Hier arbeiten alle zusammen“

8. Dezember 2022


Während man als Makler in Deutschland meist Einzelkämpfer ist, setzt man in den USA mit Multilisting auf transparente Zusammenarbeit, bei der jeder weiß, was der andere bekommt. Im AIZ-Interview berichtet das internationale IVD-Mitglied Alexandra Janz, wie das Makeln in Naples im sonnigen Urlaubsparadies Florida funktioniert und welche Auswirkungen die Krise auf ihre Arbeit hat. 

Interview von Johanna Schneider

AIZ: Sie haben in den USA beruflich und privat einen Neuanfang gewagt, wie ist das für Sie gelaufen?

Alexandra Janz: Es ist nicht einfacher in den USA, weil man in einem fremden Land, in einer fremden Sprache und Kultur von vorne anfängt. Dazu kommt, dass das Maklersystem ein anderes ist und man vor weiteren arbeitstechnischen sowie privaten Herausforderungen steht. Als ich in Freiburg mein Maklerbüro eröffnet habe, war das aufgrund bekannter und vertrauter Bedingungen — ich kannte die Stadt, die Kultur, war gut vernetzt — wesentlich einfacher. Was für den Neustart in den USA von Vorteil ist, ist zum einen eine gute Kenntnis der Branche, zum anderen die Vorbereitung. So haben wir die nötige Maklerlizenz bereits vor dem Umzug erworben. Auch sollte man sich eines bewusst sein: Keiner wartet vor Ort, dass noch ein Makler in den Ring steigt. Die Maklerdichte ist vor allem im Südwesten von Florida sehr hoch. Um hier anzukommen, muss man sich erst mal einen Namen machen, das heißt dranbleiben und hart arbeiten und das sieben Tage die Woche, ohne Wochenende. 

Wie funktioniert das Gemeinschaftsgeschäft des Multi-Listing-Services (MLS) in den USA? 

Man muss als Makler oder Bauträger zahlendes Mitglied im lokalen Verband sein, um Zugang zum MLS-System zu bekommen. Jeder Makler trägt dort die Immobilien aus dem eigenen Angebot ein, von wo aus sie dann in den gängigen Portalen gestreut werden. Damit man die eigenen und auch die Angebote der Kollegen auf der eigenen Website präsentieren kann, braucht man zusätzlich eine kostenpflichtige Software. Insgesamt hat man im System Zugriff auf die gesamten Immobilienangebote aller Kollegen/Bauträger im Verbandsbezirk. Alles ist offen dargelegt und vorab vereinbart. Also auch, wieviel Provision man bei Vermittlung erhält. Habe ich einen Interessenten und mein Kollege ein passendes Listing (Angebot), kommen wir an der Stelle zusammen. Die Provision wird dann laut Vereinbarung im MLS geteilt. Man kommt um die Mitgliedschaft nicht herum, ohne das MLS braucht man gar nicht erst versuchen durchzustarten. Hier arbeiten alle zusammen, denn nur so kann man erfolgreich sein. 

Warum funktioniert diese totale Transparenz in den USA und warum tun wir uns damit in Deutschland so schwer? 

MLS gibt es in den USA seit über hundert Jahren und hat sich über diese lange Zeit gut bewährt. Es gibt auch gar keine andere Möglichkeit, hier als Makler zu arbeiten. In Deutschland ist das anders. Man muss als Makler nicht Mitglied in einem Verband sein. Um ein MLS in Deutschland politisch und verbandstechnisch umzusetzen, müsste das meiner Meinung nach aber die Voraussetzung sein. Deutsche Makler sind es zudem nicht gewohnt, so eng zusammen zu arbeiten. Letztendlich würde aber ein MLS-System mehr Umsatz für den Einzelnen bringen.

Wie empfinden Sie das Spannungsfeld unter Maklern in den USA? Einerseits sind Sie Konkurrenten, andererseits arbeiten Sie auch eng zusammen. Wie funktioniert das?

Ja, genau so ist das. Und wie überall gibt es Kollegen, mit denen man gerne zusammenarbeitet, und welche, mit denen man das nicht so gerne tut. Es gibt Makler, die trotz Maklerlizenz keine Ahnung haben, was sie machen und man muss für diese mitarbeiten. Es gibt aber auch das Gegenteil. Meistens ist es jedoch in Ordnung, jeder hat seinen Kunden und jeder arbeitet letzendlich für diesen und man wickelt das Geschäft zusammen mit dem anderen Makler ab. Am Schluss möchten ja beide Seiten die Provision verdienen und das Geschäft smooth abwickeln. 

Was können wir in Deutschland von den Kollegen in den USA lernen?

Ich denke generell, was kann der Deutsche vom Amerikaner lernen? Weniger klagen oder jammern, positiver nach vorne schauen, die Sachen anpacken, weniger neidisch sein und anderen was gönnen. Was aber nicht heißt, dass man hier keine Ellenbogen benutzt.

Ihre Positionierung als Maklerin in Florida ist auf Deutschland ausgerichtet. Sie sind vor Ort. Aber wie gelingt es Ihnen, über tausende von Kilometern Kunden für Immobilien zu finden? 

Das wäre wie die Nadel im Heuhaufen zu suchen oder den speziellen Fisch im Meer. Ich weiß ja nicht, ob jemand Interesse an Immobilien in den USA und speziell in Naples hat. Man muss schon wissen, wo man sucht. Es geht, wenn überhaupt, nur ganz gezielt oder durch „Word of Mouth“, wie man bei uns sagt, also durch Empfehlungsmarketing. Auf diese Weise gelangen wir an circa 90 Prozent unserer Kunden. 

Wie ist die derzeitige Marktlage in den USA? Gibt es dort auch wie bei uns eine Marktwende?

Das lässt sich nicht pauschalisieren. Insgesamt gehen auch in den USA wie in Deutschland die Zinsen nach oben. Aktuell sind wir hier bei circa sieben Prozent. Zudem sind auch die Preise für Lebensmittel, Benzin sowie für viele Rohstoffe extrem angestiegen. Gerade bei vielen Rohstoffen gab es Verknappung. Man muss aber auch sehen, dass die USA ein großes Land sind und die Märkte sowie der finanzielle Status der Einwohner varieren sehr stark je nach Stadt, County und Staat. Florida zum Beispiel ist ein Urlaubs- und Steuerparadies, viele haben hier einen Zweit-, Dritt- oder sogar Viertwohnsitz. Anfang des Jahres gab es hier Preissteigerungen bis zu 50 Prozent und teilweise darüber. Es gab kaum noch Immobilienangebote auf dem Markt. Was auf den Markt kam, war innerhalb weniger Stunden unter Vertrag. Die meisten Immobilien wurden im Bieterverfahren vermittelt, wenn diese nicht schon vorab, bevor sie überhaupt im MLS angeboten wurden, verkauft waren. Wenn man da nicht bereits ein funktionierendes Geschäft hatte, wurde das schnell schwierig. Viele Kollegen haben das Jahr finanziell nicht überstanden. Im Moment sind zudem in einigen Gebieten hier im Südwesten die Auswirkungen des Hurricanes zu spüren.

Wie schätzen Sie die Auswirkungen auf Ihre tägliche Arbeit ein?

Leider verfüge ich nicht über die Kristalkugel, aber ich gehe davon aus, dass in Naples direkt der Markt vielleicht etwas stagnieren wird, einen extremen Preisverfall merke ich aber bisher nicht. Wir haben weiterhin viel Nachfrage auch von deutschen oder europäischen Kunden. Eine wirkliche Krise erwarten wir nicht, das liegt auch daran, dass hier weniger finanziert wird und somit die Zinsen keine große Rolle spielen. Die Immobilie ist ein Luxusgut, das man sich zusätzlich leistet. Das sonnige Florida läuft eben immer. Das kann woanders in den USA, abseits von den Touristenorten, wo Menschen den Alltag leben und arbeiten, ganz anders aussehen. Vor allem bei den finanziell weniger starken Käufergruppen werden die hohen Zinsen den Kauf von Immobilien beeinflussen. Das wird zu verstärktem Angebot in einigen Preisklassen führen, was einen gewissen Preisverfall hervorrufen wird. Angebot und Nachfrage bestimmen eben den Markt, wie überall! 

Foto: © Alexandra Janz