Immobilienwirtschaft steht vor einem Scheideweg

21. Oktober 2020


Anika Schönfeldt-Schulz ist die neue Vorsitzende des IVD Nord. Die 40-Jährige folgt auf Axel-H. Wittlinger, der dem Regionalverband seit 2015 vorstand. Die AIZ hat mit ihr gesprochen.

Interview von Heiko Senebald

AIZ: Wie sind Sie in die Immobilienbranche gekommen?

Anika Schönfeldt-Schulz: Meine Mutter ist Immobilienmaklerin, seitdem ich denken kann, und ich war immer mit dabei — bei Besichtigungsterminen, als sie noch Exposés mit der Schreibmaschine getippt und Fotos aufgeklebt hat, noch bevor der erste Farbkopierer kam. Als Kind habe ich gesagt: Ich will auf gar keinen Fall Makler werden, weil man immer dann arbeiten muss, wenn andere frei haben.

Und dennoch sind Sie Maklerin geworden…

Ja, heute genieße ich die freie Zeiteinteilung. Ich habe mich der Leidenschaft, die aus meinem Elternhaus kam, natürlich nicht entziehen können. Ich wollte auf eigenen Beinen stehen und bin nach dem Abi nach Hamburg gegangen. Ich habe eine Ausbildung zur Kauffrau der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft gemacht. Ich absolvierte noch ein Studium zur Diplom-Immobilienökonomin (ADI) und machte mich 2005 selbständig. Ich liebe meinen Beruf und habe es nie bereut.

Auf dem Hamburger Markt zu bestehen, ist sicher nicht leicht. Wie haben Sie es geschafft?

Man hat mit vielen alten Hasen zu tun. Die Konkurrenz ist groß. Ich wollte inmitten dieser Branche kein Blondchen sein, das nur die Türen aufschließt. Mir war es immer wichtig, mit Fachwissen, Kompetenz und Qualität zu überzeugen und Kunden mit meiner Beratung auf einen richtigen Entscheidungsweg mitzunehmen. Und so habe ich meine Firma aufgebaut. Welche Rolle spielte der IVD Nord dabei?

Durch den IVD sind mir viele Türen geöffnet worden. Das Netzwerk mit Maklern, Verwaltern, Sachverständigen und anderen Immobilienprofis hat mir unglaublich geholfen. Seit 2005 beispielsweise bin ich an einem IVD-Stammtisch, genannt Börsentisch, an dem sich feste Mitglieder alle zwei Wochen zum Frühstück treffen. Diese Kolleginnen und Kollegen sehe ich häufiger als viele meiner engsten Freunde. Hier ist ein enges Vertrauen gewachsen. Das ist mit Gold gar nicht aufzuwiegen. In diesem IVD-Netzwerk tauscht man sich aus, spricht über Preisentwicklungen, über Marketingideen, über die Objekte — alles das, was mich als Unternehmerin beschäftigt.

Sie wollen sich jetzt als Vorsitzende noch enger im IVD engagieren…

Ich kannte damals niemanden, als ich in Hamburg ankam. Der IVD hat das geändert. Jetzt möchte ich meine Erfahrungen an die Mitglieder zurückgeben und sie unterstützen. Ich brenne für den IVD und möchte etwas bewirken.

Welche Ziele haben Sie?

Eine feste Agenda möchte ich gar nicht benennen. Ich würde gern wieder mehr für das Mitglied selbst tun. Denn wir stehen jetzt vor einem Scheideweg, den es in der Immobilienwirtschaft so noch nie gab. Wir haben viele Themenbereiche gleichzeitig zu jonglieren. Wir müssen die Politik aufgreifen, die Digitalisierung, die neuen Medien und sozialen Kanäle. Wir haben so viele Möglichkeiten, an Informationen zu kommen, wie nie zuvor. Der Kunde kann das auch und damit wachsen Ansprüche und verändern unsere Arbeitsweisen. Das ist die größte Herausforderung, die ich sehe. Ich will das Mitglied an die Hand nehmen, damit es mit den neuen Bedingungen zurechtkommt.

Und dann ist da noch die Corona-Pandemie.

Corona ist ein Katalysator für die digitale Entwicklung. Das merkt jedes Mitgliedsunternehmen. Aber auch Deutschland insgesamt hat noch einiges aufzuholen, wenn ich beispielsweise an die unzureichende Digitalisierung in den Bauämtern denke. Das erschwert den Geschäftsbetrieb vieler Unternehmen beträchtlich. Im Übrigen: die digitalen Medien, die ich nutze, machen es überhaupt erst möglich, dass ich das Amt der Regionalvorsitzenden ausfüllen kann. Ich kann immer und überall arbeiten, Exposés mit dem Handy verschicken, im Auto telefonieren und von unterwegs aus Immobiliendaten abfragen oder Termine vereinbaren. Ich bin so effizient wie nie zuvor.

Das Gesetz zur Regelung der Maklerkosten tritt am 23. Dezember 2020 in Kraft. Wie finden Sie das Gesetz?

Es ist gut, dass das Gesetz die Verteilung der Maklercourtage deutschlandweit vereinheitlicht und trotzdem die regionalen Nuancen berücksichtigt. Es gibt ja auch Regionen, in denen der Verkäufer die Maklerkosten komplett übernimmt. Das kann dort auch so bleiben. Die Doppeltätigkeit der Makler ist weiterhin zulässig. Die Neuregelung entspricht dem Ideal des Immobilienmaklers, der zwischen Verkäufer und Käufer vermittelt. Ich bin froh, dass die Politik dieses Leitbild zum Maßstab genommen hat.

Dennoch müssen sich viele Immobilienmakler umstellen – vor allem auch bei Ihnen in Hamburg.

Ja, das stimmt. Die Kunden werden noch genauer darauf schauen, was der Makler kann, welche Qualität und Kompetenz er hat. Die IVD-Mitglieder sind hier gut aufgestellt, um diesen Qualitätsmerkmalen gerecht zu werden. Das Gesetz hilft den Kunden, die Spreu vom Weizen zu trennen. Das ist gut. Die Unternehmen, die sich umstellen müssen, sollten jetzt damit beginnen. Sie sollten die Zeit bis Dezember als „Probezeit“ nutzen, alle Argumente gerade mit den Verkäufern austauschen und für sich als Qualitätsmakler werben. Ich bin überzeugt, dass das den meisten gelingen wird.