Jetzt fängt der eigentliche Maklerberuf erst an

4. Januar 2023


Für alle, die in den letzten zehn Jahren in den Maklerberuf eingestiegen sind, fängt jetzt der eigentliche Maklerberuf erst an. Verhandeln, überzeugen, kämpfen und Käufer suchen — viele müssen das nun erst lernen oder wieder erlernen.

Von Mark Remscheidt

In den vergangenen Jahren konnten es sich Makler leisten, Immobilieninteressenten, die die Immobilie nicht bekommen haben, eine Mail zu schreiben:
„Es tut uns leid, der Verkäufer hat sich für einen anderen Käufer entschieden. Wir bitten um Ihr Verständnis.“ Das können sie sich jetzt nicht mehr erlauben. Die wenigen Käufer, die sie jetzt haben, müssen wie kleine Diamanten behandelt werden.

Die zwei drängendsten Aufgaben

Deshalb ist jetzt die eine Ihrer Aufgaben, Ihren Bestand um das Doppelte, eher Dreifache, zu erhöhen, damit Sie den gleichen Umsatz machen können.
Die andere Aufgabe ist, Ihren Kunden die Wahrheit zu sagen, wie viel ihre Immobilie jetzt wert ist, zu welchem Preis sie verkauft beziehungsweise für den Käufer finanziert werden kann. Viele halten zu lange an ihrem Bestand und den Preisen fest. Das wird auf Dauer aber nicht funktionieren. Stattdessen sollten Sie überlegen, wie Sie das Ihren Kunden erklären.

Ein Erklärungsbeispiel

100.000 Euro haben vor einem Jahr noch 100 Euro Zinsen im Monat gekostet. Mit zwei Prozent Tilgung war man bei 300 Euro. Jetzt kosten 100.000 Euro 400 Euro Zinsen. Plus zwei Prozent Tilgung bin ich bei 600 Euro. Wenn man jetzt 400.000 Euro zu Marktpreisen finanziert, sind das monatlich 2.400 Euro. Berücksichtigt man dazu noch zehn Prozent Inflation von einem Bruttogehalt von beispielsweise 4.000 Euro, kostet die Immobilie schon 2.800 Euro im Monat, also etwa einem durchschnittlichen Nettoeinkommen in Deutschland.

Wenn man das den Eigentümern mal vorrechnet, es am besten noch schön aufmalt, und sie dann fragt, ob sie bereit wären, für ihre Immobilie für die
nächsten 20 Jahre jährlich 33.600 Euro (12 x 2.800 Euro) zu bezahlen, ist fast jeder erschrocken und sagt nein. Dann merken sie erstmal, was sie verlangen und warum kein Interessent mehr anruft. Deshalben müssen die Preise für Immobilien reduziert werden, damit sie überhaupt finanziert werden können.

Mit den Eigentümern verhandeln

Jetzt gilt es wirklich zu verhandeln, mit allen Eigentümern zu sprechen. Laden Sie sie in Ihr Büro ein und sagen ihnen die Wahrheit. Die Leute sind auch darauf vorbereitet. Sie lesen jeden Tag, dass die Immobilienpreise nach unten gehen. Und sollten einige Eigentümer nach der Beispielrechnung nicht überzeugt sein, kann man zu den Preisen auch noch die Energiekosten aufschlagen und dazu die Nebenkosten wie Versicherungen und Steuern.

Der Umgang mit den Interessenten

Wenn Sie jetzt schon Interessenten haben, ist es sinnvoll, sie ins eigene Büro einzuladen, bevor man mit ihnen zur Besichtigung fährt und mit ihnen ganz offen spricht, zum Beispiel so: „Wir haben zur Zeit 12/20/50 Immobilien im Bestand und schauen mal, welche geografisch zu Ihnen passen könnten.“ Wenn man dann eine gefunden hat, sagt man: „Der Verkäufer möchte nicht so viele Leute im Haus, deswegen müssten wir einmal ganz grob die Finanzen überschlagen. Was habe Sie für ein Einkommen? Haben Sie laufende Kredite? Wie viel Eigenkapital bringen Sie mit?“

Dann merkt man ganz schnell, wer sich die Immobilienfinanzierung nicht erlauben kann. Vielleicht kann er sich aber eine Wohnung oder ein Mietobjekt
leisten. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, mit diesem einen Kontakt Umsatz zu machen, steigert sich, nur weil Sie mit ihm ein Vorgespräch führen und seine Situation analysieren. Dann wissen Sie, was er wirklich sucht, was er sich wirklich leisten kann und wer er wirklich ist — somit haben Sie einen perfekt qualifizierten Käufer.

Eine wichtige Frage, die immer gestellt werden muss

„Herr Müller, kommen Sie überhaupt aus Ihrer Mietwohnung raus, wenn Sie jetzt umziehen?“ Wenn er Eigentümer ist, wird er Ihnen das jetzt sagen. „Ach Sie sind Eigentümer? Ist ja toll. Müssen Sie das Haus verkaufen, wenn Sie das andere jetzt kaufen?“ So können Sie jetzt schon anfangen, seine andere Immobilie zu vermakeln, sei es ein Verkauf oder eine Vermietung. Durch diese Frage finden Sie heraus, wer da vor Ihnen sitzt. Und jeder Kunde, der etwas zu verkaufen hat, ist ein bevorzugter Kunde – mit dem kann man doppelt verdienen.

Diese guten alten Arbeitstermine kennen alle Makler, die schon seit 20 Jahren in der Branche tätig sind. So sind sie alle groß und erfolgreich geworden. Die
Zeiten, in denen man viele Nachfrager hatte, in denen man eine Mail schrieb und sich darauf verließ, dass die Nachfrager antworten, weil sie Interesse haben — und wenn sie nicht antworten, dann haben sie auch kein Interesse mehr — diese Zeiten sind jetzt vorbei.

Jetzt muss wieder aktiv verkauft werden. Nur wer miteinander verhandelt und nicht gegeneinander und das auf Augenhöhe sympathisch macht, der wird weiterempfohlen.

 

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