„Käufer und Verkäufer müssen sich über den Makler annähern“

5. Januar 2023


Zwar hegen viele Menschen nach wie vor den Wunsch nach den eigenen vier Wänden, sie können ihn sich aber nur schwer erfüllen. Die gestiegenen Zinsen für Kredite haben den Eigentumserwerb erschwert. Michael Keller, seit über 30 Jahren im Bereich der Baufinanzierung selbständig tätig und deutschlandweit der erfolgreichste Franchisepartner des Baufinanzierers Dr. Klein mit mehreren Standorten in Berlin, erklärt im AIZ-Interview, was Kaufinteressenten jetzt tun müssen und welche Rolle Immobilienmakler dabei spielen.

Interview von Carolin Hegenbarth und Adrian M. Darr

AIZ: Herr Keller, was muss ein Kaufinteressent heute mitbringen, um überhaupt eine Chance auf eine Immobilienfinanzierung zu haben?

Michael Keller: Die Zinserhöhungen machen es Kaufinteressenten inzwischen schwerer, einen Immobilienkauf zu finanzieren, obwohl die Zinsen immer noch historisch niedrig sind. Kaufinteressenten müssen sich natürlich an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Sie benötigen ein entsprechendes Einkommen, sie müssen die Kaufnebenkosten aus ihrem Eigenkapital finanzieren. Das Hauptproblem ist jedoch, dass sich aufgrund der teilweise immer noch hohen Immobilienpreise sowie erhöhter Zinssätzen monatliche Raten ergeben, die sich viele nicht mehr leisten können.

Heißt das, dass an der Senkung der Immobilienpreise letztendlich kein Weg vorbeiführt?

Wir von Dr. Klein gehen davon aus, dass es in diesem Bereich eine dezente Marktbereinigung geben wird. Denn für den normalen Bürger ist eine Immobilie im Moment nicht erschwinglich. Deshalb rechnen wir damit, dass sich in den kommenden sechs Monaten die Preise von verkaufsbereiten Eigentümern um 15 bis 20 Prozent reduzieren werden.

Was raten Sie aus Finanzierungssicht, um optimal vorbereitet in einen Such- und Erwerbsprozess zu gehen?

Wir empfehlen: Bevor man sich dem Immobilienmarkt stellt, sollte man ausloten, wie viel man sich leisten kann und auch leisten will. Wir sind ja durch die niedrigen Zinsen der letzten Jahre verwöhnt worden. Jetzt müssen sich Immobiliensuchende darauf einstellen, dass sie eine etwas höhere monatliche Rate zahlen müssen, um sich den Traum vom Eigenheim leisten zu können. Nicht mehr als 25 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens für die monatliche Rate aufzuwenden, ist aktuell nicht mehr umsetzbar. Immobiliensuchende sollten eher von 33 bis 35 Prozent für Zins-und Tilgungsleistung ausgehen. Deshalb sollten sie im Vorfeld klären lassen, wie viel Kredit sie sich unter den aktuellen Rahmenbedingungen leisten können.Nach einer Beratung sollten sich Immobiliensuchende eine Finanzierungsbestätigung geben lassen. Das ist eine Art Klassifizierung, die dokumentiert, in welcher Größenordnung eine Immobilie finanziert werden kann. Und dann muss er sich dem Immobilienmarkt stellen, ob er innerhalb seiner Rahmenbedingungen eine Traumimmobilie finden kann.

Welche Voraussetzungen muss denn die Traumimmobilie erfüllen, damit der Kauf finanziert wird?

Letztendlich muss die Immobilie einen marktgerechten Preis haben. Aktuell erleben wir es häufig, dass es erhebliche Differenzen zwischen der Kaufpreisforderung des Verkäufers und der aktuellen Markteinwertung durch die Banken gibt. Auch weil viele Banken in der aktuellen Situation Risikoabschläge bei der einen oder anderen Immobilie vornehmen. Gerade in den Randregionen wie beispielsweise Brandenburg erleben wir das. Kaufinteressenten sollten also überprüfen, wie hoch der Kaufpreis ihrer Traumimmobilie ist und wie Banken diese Immobilie bewerten.

Sind Banken aktuell vorsichtiger bei der Kreditvergabe geworden, gehen sie weniger Risiko ein?

Die Anforderungen der Banken sind größer geworden, beispielsweise an die Einreichung von Objekt- und Bonitätsunterlagen. Die Kreditrichtlinien haben sich insofern verschärft, dass höhere Pauschalen für Lebenshaltungs-, Betriebs- und Heizkosten angesetzt werden. Früher waren das bei Betriebs- und Heizkosten 2 bis 2,50 Euro pro Quadratmeter. Jetzt werden teilweise schon vier Euro berechnet. Bei den Lebenshaltungskosten muss man damit rechnen, dass Banken 10 bis 15 Prozent höhere Pauschalen ansetzen. Auch Risikoabschläge erschweren es aktuell, die Traumimmobilie zu finanzieren. Aber: Die Banken haben nach wie vor großes Interesse an der Immobilienfinanzierung, denn für viele ist es ein ertragreiches Geschäft.

Wie kann ein Makler unterstützen, dass ein Kaufwunsch trotz der steigenden Anforderungen doch erfüllbar wird?

Makler stehen jetzt natürlich vor der Herausforderung, dass Eigentümer noch zu den Preisen von 2021 verkaufen möchten, der Markt das aktuell aber nicht mehr zulässt. Die große Aufgabe des Maklers liegt jetzt also darin, den Verkäufer dahingehend zu beraten, dass sein Wunschpreis aktuell am Markt nicht mehr umsetzbar ist. Eine Immobilie, die im vergangenen Jahr bei einem Prozent Zinsen noch für 500.000 Euro veräußert werden konnte, kann bei drei Prozent Zinsen beispielsweise nur noch für 450.000 Euro verkauft werden, damit die Belastung für den Käufer ungefähr vergleichbar bleibt. Darüber hinaus ist eine gute Objektvorbereitung nötig, beispielsweise beim Zusammenstellen der kompletten verkaufsrelevanten Unterlagen. Denn die Objektanforderungen der Banken sind deutlich gestiegen. In Bundesländern, in denen das Baulastenverzeichnis üblich ist, benötigen wir die Auskunft darüber. Wir benötigen bemaßte Grundrisse — bestätigt vom Architekten — und den Energieausweis. Einige Banken haben das bis Anfang 2022 noch nicht angefordert. Für die Käufer ist das inzwischen sehr wichtig, um von der Bank eine Kreditzusage zu erhalten.

Welche Rolle spielen staatliche Förderungen bei einem guten Finanzierungskonzept?

Was das angeht, haben wir ein furchtbares Jahr 2022 hinter uns, weil Herr Habeck und Herr Lindner sehr kurzfristig und für alle überraschend im Januar im Bereich der Neubauförderung die kompletten Energieeffizienzprogramme umgestellt beziehungsweise eingestellt haben. Darüber hinaus ist die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ein wichtiger Partner, der durch das KfW-Wohneigentumsprogramm und auch beim Neubau eine starke Unterstützung ist, wenn ich energieeffizient baue. Neubau und Erwerb werden so durch leicht zinsverbilligte Darlehen erleichtert. Zudem gibt es in den Bereichen Modernisierung, Instandsetzung und altersgerechter Umbau viele Optionen, zinsverbilligte Darlehen zu bekommen.

Kein Blick in die Glaskugel, aber wie schätzen Sie aus Ihrer langjährigen Erfahrung die Weiterentwicklung der Zinsen im kommenden Jahr ein? Was kommt auf die Kaufinteressenten zu?

Wir erwarten zwischen Dezember 2022 und März 2023 ein bis zwei Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank (EZB). Gerade für die ersten beiden Quartale 2023 sehen wir starke Zinsschwankungen zwischen 0,5 bis 0,75 Prozent. Eine Marktberuhigung auf das derzeitige Niveau wird wahrscheinlich erst im dritten oder vierten Quartal 2023 stattfinden. Überraschend ist die aktuelle Zinsentwicklung. Früher gab es erhebliche Zinsunterschiede zwischen 10, 20 und 30 Jahren Zinsbindung. Dies ist aktuell nicht der Fall. Der Erwerber kann sich bei einigen Bankpartnern bei ähnlichem Zinsniveau die Konditionen bis zu 30 Jahren sichern. Das gab es in den letzten 10 bis 15 Jahren noch nicht. Jetzt ist also Zeit für Mutige, sich nach Immobilien umzuschauen. Aber jetzt ist auch die Zeit, vielleicht interessante Immobilien kaufen zu können. Viele Interessenten suchen nachweislich nach ihrer Traumimmobilie, der Mietmarkt bleibt weiter angespannt und bietet keine Alternative. Es wird in Deutschland einfach zu wenig neu gebaut. Das Interesse am Eigenheim ist ungebrochen. Jetzt müssen sich nur Käufer und Verkäufer über den Makler annähern. Denn beide Seiten müssen eine gewisse Bereitschaft signalisieren. Der Käufer muss bereit sein, eine etwas höhere monatliche Rate aufzubringen. Und der Verkäufer muss nachvollziehen, dass die Preise von 2021 nicht mehr umsetzbar sind.

 

© Michael Keller