Kein Erstattungsanspruch für „eigenmächtige“ Fortbildungsmaßnahmen der Verwaltungsbeiratsmitglieder

25. Oktober 2022


In dieser Folge der Serie zur neuen WEG-Rechtsprechung wird das Urteil des AG München vom 26.3.2022 — 1294 C 20147/21 WEG besprochen. Die Entscheidung befasst sich mit der Frage, wann die Verwaltungsbeirats-mitglieder Ersatz ihrer Auslagen beziehungsweise Aufwendungen verlangen können.

Von Rechtsanwalt Dr. Marco Tyarks

Sachverhalt und Entscheidung des Gerichts

Ein mutmaßlich engagiertes Beiratsmitglied hatte sich dazu entschlossen, an einer auswärtigen Fortbildung teilzunehmen, um durch den Besuch eines Fachseminars die erforderlichen Kenntnisse zur Unterstützung und Überwachung des Verwalters zu erwerben beziehungsweise zu vertiefen. Es hatte den Verwalter aber im Vorfeld nicht darüber informiert, dass es eine Fortbildung wahrnehmen und hierfür ein Hotel und eine Zugfahrt buchen werde. Daher weigerte sich der Verwalter, die Auslagen des Beiratsmitglieds in Höhe von 440,55 Euro zu erstatten. Auch ein entsprechender im Nachgang gestellter Beschlussantrag auf Erstattung der Auslagen des Beiratsmitglieds auf einer Wohnungseigentümerversammlung fand keine Mehrheit. Gegen diesen Beschluss wendete sich das Beiratsmitglied mit einer Anfechtungsklage; dies ohne Erfolg.

Üben die Beiratsmitglieder ihr Amt ehrenamtlich und ohne gesonderte Vergütung aus, können sie — so das Gericht — zwar Ersatz ihrer angemessenen Auslagen beziehungsweise Aufwendungen verlangen, soweit diese im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit standen und sie diese den Umständen nach für erforderlich halten durften. Zu den Aufwendungen gehören auch nicht nur Telefon-, Porto, Kopier- oder und Fahrtkosten, sondern — ab einer gewissen Größe der Wohnlage — auch die Kosten für die Teilnahme an Fachseminaren und den Erwerb von Fachliteratur, wenn der Beirat das zur Ausübung seiner Aufgaben für erforderlich hält. Das Beiratsmitglied wäre aber verpflichtet gewesen, die Verwaltung über die beabsichtigte Teilnahme an dem Seminar vorab in Kenntnis zu setzen und eine Entscheidung hierüber herbeizuführen. Nachdem das Beiratsmitglied nicht beauftragt und gebeten worden ist, an der Fortbildung teilzunehmen, und es die Verwaltung hierüber auch nicht vorab in Kenntnis gesetzt hat, hat es keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz. Darüber hinaus seien die Aufwendungen auch nicht erforderlich gewesen, da es sich bei der Wohnungseigentümergemeinschaft (63 Wohnungen) nicht um eine große Gemeinschaft gehandelt habe.

Rechtlicher Kontext und Bewertung der Entscheidung

Der Verwaltungsbeirat hat den Verwalter bei der Durchführung seiner Aufgaben zu unterstützen und zu überwachen (§ 29 Abs. 2 S. 1 WEG). Die Verpflichtung zur Überwachung des Verwalters hat der Gesetzgeber im Rahmen der WEG-Reform 2020 eingeführt. Auch wenn noch nicht ganz klar ist, was aus der Überwachungspflicht konkret folgt, werden die Aufgaben des Verwaltungsbeirats komplexer. So vertritt der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats die Gemeinschaft auch gegenüber dem Verwalter (§ 9b Abs. 2 WEG), also insbesondere dann, wenn es zu Streitigkeiten zwischen der Gemeinschaft und dem Verwalter kommt. Da es sich bei den Beiratsmitgliedern regelmäßig um juristische Laien handelt, das Wohnungseigentumsrecht aber eine komplexe Rechtsmaterie darstellt, können sie darauf angewiesen sein, entweder ihre Kenntnisse im Wohnungseigentumsrecht selbst durch Fachliteratur oder den Besuch von Seminaren zu erweitern oder juristischen Rat bei einem Rechtsanwalt einzuholen. Der Beirat verfügt aber grundsätzlich über kein eigenes Budget, so dass die Beiratsmitglieder Gefahr laufen, auf den Kosten hierfür sitzen zu bleiben.

Ausdrückliche Regelungen über die Erstattung von Auslagen der Beiratsmitglieder beinhaltet das Wohnungseigentumsgesetz nicht, so dass bei einer unentgeltlichen Tätigkeit der Beiratsmitglieder auf das allgemeine Auftragsrecht zurückgegriffen wird (§ 670 BGB). Danach kann das Beiratsmitglied solche Aufwendungen ersetzt verlangen, die es den Umständen nach für erforderlich halten darf. Das ist nach einem subjektiv-objektiven Maßstab zu beurteilen und anzunehmen, wenn das Beiratsmitglied (freiwillige) Vermögensopfer erbringt, die nach seinem verständigen Ermessen zur Verfolgung des Auftragszwecks (Unterstützung und Überwachung des Verwalters) geeignet sind, notwendig erscheinen und in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung für die Gemeinschaft stehen.

Gemäß diesen Grundsätzen ist nicht ersichtlich, dass das Beiratsmitglied für seinen Erstattungsanspruch die ausdrückliche Einwilligung der Gemeinschaft benötigt; das Beiratsmitglied darf grundsätzlich nur nicht weisungswidrig Auslagen verursachen. Auch bei der Beurteilung der Angemessenheit der Fortbildungsmaßnahme ist das Gericht bei einer Anlage mit 63 Wohnungen und Aufwendungen in Höhe von 440,55 Euro für die Fortbildungsmaßnahme sicherlich zu engherzig.

Auswirkungen auf die Praxis

Auch wenn die Richtigkeit der Entscheidung des AG München in Frage zu stellen ist, bleibt es dabei, dass die Mitglieder des Verwaltungsbeirats nicht unbegrenzt Auslagen beziehungsweise Aufwendungen verursachen und diese von der Gemeinschaft ersetzt verlangen können. Ob der genannten Unsicherheiten, sollten sich die Mitglieder des Verwaltungsbeirats daher nicht für ihr unentgeltliches Engagement in Unkosten stürzen, ohne zuvor einen Antrag auf einer Wohnungseigentümerversammlung einzubringen, der sicherstellt, dass die Kosten von der Gemeinschaft getragen werden. Darüber hinaus können die Beiratsmitglieder auch den Verwalter anfragen, der berechtigt ist, Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung ohne vorausgehenden Eigentümerbeschluss zu treffen, wenn diese untergeordnete Bedeutung haben und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen. Ob vorgenannte Kompetenz des Verwalters greift, ist allerdings eine Einzelfallentscheidung und daher jedenfalls bei größeren Ausgaben mit Unsicherheiten verbunden.

 

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