Keine Angst!

6. Juni 2023


„Geld wird verdient, wenn Blut in den Straßen fließt“ soll der Bankier Baron Nathan Rothschild gesagt haben. In turbulenten Zeiten werden Vermögen erworben, doch trennt sich hier die Spreu vom Weizen. Es gibt viele Verlierer und wenige Sieger. Diejenigen, die andere überzeugen, gut verkaufen und Deals abschließen, sind die Gewinner. Eine der effektivsten Techniken dazu ist es, Ihrem Geschäftspartner Angst zu nehmen.

Von Prof. Dr. Jack Nasher

Angst ist ein Grundmechanismus unseres Lebens: Menschen wählen nicht das, was sie am liebsten haben. Sie wählen das, was sie am wenigsten fürchten. Denn wir haben Angst vor Verlusten, ja eine regelrechte „Verlust-Aversion“, weshalb unsere Motivation zur Vermeidung von Schmerz stärker ist als jene zur Steigerung von Freude. Auf diese Weise wird das Verringern von Ungewissheit zur grundlegenden Antriebsfeder menschlichen Verhaltens.

Für unsere Urväter führte fast jedes Unglück auf direktem Weg ins Jenseits: mal einen Ast übersehen, unglücklich ausgerutscht und das Bein gebrochen, schon drohten Infektion und Tod. Unsere Vorfahren mussten immerzu auf der Hut sein, bloß keinen Fehler zu begehen. Die Vorsichtigen, die Feiglinge haben überlebt. Unsere Ahnen.

Eine schlechte Wahl vermeiden

„I’m lovin’ it?“ — gibt es einen Menschen, der das Essen bei McDonald’s wirklich liebt? Weshalb entscheiden sich dennoch so viele Menschen für McDonald’s? Weil sie durch ihre Entscheidung vor allem eine schlechte Wahl vermeiden wollen. Sie wissen eben ganz genau, wie so ein McDonald’s-Burger schmeckt.

Es ist diese Notwendigkeit, das Risiko von Kunden zu minimieren, die Ray Kroc, der Vater von McDonald‘s, früh als Schlüssel zum Erfolg erkannte. Sein Ziel war es, von Atlantic City bis Zaragoza den „gleichen“ Burger anzubieten, oder wie er es sagte: „Es gibt eine Wissenschaft der Fertigung und des Servierens von Hamburgern.“ Diese Idee katapultierte McDonald’s und die ganze Franchise-Industrie in völlig neue Sphären.

Angst, Unsicherheit und Zweifel

Für den Verkauf komplexerer Produkte gilt das gleiche Grundprinzip. „Nobody gets fired for buying IBM“ wurde schon in den 1970er Jahren zum geflügelten Wort. IBM nutzte die Angst vor Unwägbarkeiten als Hauptargument gegen die Zusammenarbeit mit kleinen, aufstrebenden Konkurrenten.

Diese berüchtigte Verkaufstaktik, genannt FUD (Fear, Uncertainty and Doubt), wurde später ausgerechnet von Microsoft übernommen und auf eine ungeheuerliche Spitze getrieben: Das Unternehmen baute absichtlich unsinnige Fehlermeldungen in sein Betriebssystem ein, die nur dann aufploppten, wenn User mit fremder Software arbeiteten.

Immer die gleiche Qualität anbieten — auch bei Dienstleistungen?

Es mag im Bereich des Möglichen liegen, überall den so gut wie gleichen Burger oder Cappuccino oder auch Computer anzubieten. Bei Dienstleistungen wird es jedoch komplizierter: Wie soll man (zum Beispiel) einem wildfremden Makler vertrauen? Genau deshalb spielt die Verringerung von Angst bei Dienstleistungen eine umso größere Rolle. Für komplexe Dienstleistungen gibt es nun mal keine vollkommen standardisierten Verfahren. Aus diesem Umstand erwächst die besondere Rolle des individuellen Akteurs auf dem Dienstleistungsmarkt: Die Stars sind diejenigen, denen es gelingt, ihrem Klienten im persönlichen Gespräch die Angst zu nehmen.

Fazit

Was folgt daraus für uns, die wir uns möglichst kompetent präsentieren wollen? Zuerst einmal sollte man sich immer wieder bewusst machen, dass Angst stets der zentrale Faktor ist, ob bei der Wahl von Hamburgern, Staatsoberhäuptern oder Jobkandidaten. Wenn Sie andere Menschen überzeugen wollen, tun Sie gut daran, sich an die Worte des US-amerikanischen Marketingstrategen Harry Beckwith zu halten: „Versuchen Sie nicht, eine gute Wahl zu sein. Eliminieren Sie alles, was Sie zu einer schlechten Wahl machen könnte.“

Das mag banal klingen, hat aber einen echten Paradigmenwechsel zur Folge — ganz egal, wen Sie wovon überzeugen wollen. Wenn Ihr Augenmerk darauf liegt, anderen dabei zu helfen, ihre Furcht zu überwinden, werden Sie automatisch zu einem effektiveren „Verkäufer“ Ihrer eigenen Kompetenz. Gerade dann, wenn Ihr Gegenüber eine schwierige Entscheidung in einem komplizierten Kontext treffen muss, wie es der Fall ist, wenn ein Laie sein Schicksal in die Hände eines Experten legt.

Fragen Sie sich also immer, wie die spezifischen Ängste Ihres Vorgesetzten, Ihres Kollegen, Ihrer Kunden aussehen, und richten Sie Ihre Überzeugungsstrategie darauf aus, diese Ängste zu eliminieren.

 

 

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