Klare und kompakte Zukunftsaussichten

15. Dezember 2017


Nachhaltigkeit, Intelligentes Wohnen und Wohnraumverknappung — Themen, die beim modernen Hausbau immer präsenter werden. Doch welche Rolle spielen diese für die Architektur? Welchen Herausforderungen müssen sich moderne Architekten stellen? Der Architekt Wolfgang Keuthage, Partner im Büro HKA Hastrich Keuthage Architekten, gibt Einblicke in die aktuelle Situation der Architekturbranche und erläutert diese an seinem aktuellen Projekt „Polygon Garden“ in Berlin. Interview von Julia Ceitlina 

Herr Keuthage, was tut sich derzeit in der Architekturszene?

Es wird zur Zeit sehr viel gebaut. Das wirkt sich natürlich auch auf den Berufsstand des Architekten aus, der nachgefragt ist. Da man auch schon andere Zeiten erlebt hat, empfindet man das als angenehm.

Modernes Wohnen — Welche Bedürfnisse hat der Durchschnittsmensch von heute und wie wollen Sie diese mit Ihren Wohnungen erfüllen?

Die moderne Wohnung ist klar und kompakt. Geringe Erschließungsflächen in den Wohnungen ermöglichen mehr eigentlichen Wohnraum. Räume lassen sich optimal möblieren. Parkettboden und Fußbodenheizung erhöhen den Komfort erheblich, auch weil dadurch die Stellfläche in einem Raum flexibler genutzt werden kann. Bodentiefe Fenster beziehen den Außenraum mit ein, die Wohnung ist hell, öffnet sich und erscheint grösser. Die Grundrisse können von den Erwerbern mitgestaltet werden. Durch den Skelettbau und die Art; wie wir Technik anordnen, ist es auch später, bei eventuell geänderten Lebensumständen noch möglich, Räume zu ergänzen oder entfallen zu lassen. Hiervon machen die Erwerber umfangreich Gebrauch.

Wie der Name von einem Ihrer Projekte „Polygon“ bereits verrät, fällt Ihr Gebäude vor allem durch die vielen Ecken und Kanten auf. Warum haben Sie sich für diese Form entschieden?

Hier gab es zwei Aspekte. Zum einen hatten wir bei anderen Projekten flache Winkel vorgefunden und daraus einen Umgang mit diesen entwickelt, der zu einem sehr ästhetischen Ergebnis führte. In der Pettenkofer Straße 12-15 fanden wir eine 80m lange gerade Straßenfront vor. Die Faltung hat uns hier geholfen, die Fassade entsprechend unseren gestalterischen Vorstellungen zu entwickeln.

Zum anderen ging es um die Belichtung der Wohnungen. Durch die Faltung ist es uns gelungen, die Fassade weiter in den Strassenraum und an die Gebäudekante laufen zu lassen. Wir sprechen von Erkern, die so entstanden sind. Dort fällt Sonnenlicht direkt in die Wohnungen. Obwohl das natürlich nur partiell passiert, hat der Bewohner das Gefühl, in einer sonnigen Wohnung zu sein, kann sich wenn gewünscht in die Sonne setzen.
Verfolgen Sie ein Leitprinzip bei der Gestaltung Ihrer Häuser?

Das Grundstück befindet sich unmittelbar an den Bahngleisen. Anders als andere Architekten in der Strasse, haben wir uns entschlossen, das Gebäude zur Bahn hin zu schließen. Das bedeutete auch, dass 70% der Wohnungen zum Innenhof zeigen. Auf diesen haben wir uns bei der Gestaltung konzentriert. Der Hof hat etwa 1.500 qm. Neben allen Funktionen wie Belichtung, Spielplatz, Fahrräderabstellfläche ist er auch Feuerwehrzufahrt. Auf das Ergebnis sind wir sehr stolz. Der Hof wird bei den Bewohnern sehr gut angenommen, Kinder spielen im Sommer auch an den dreieckigen kleinen Wasserfontänen und dass hier Feuerwehraufstellflächen in den Hof integriert wurden, ist nicht zu erkennen.

…und wie wohnen Sie selber?

Wir wohnen in einer Berliner Altbauwohnung. Wenn unser aktuelles Projekt Bouchégärten in 2018 fertiggestellt sein wird, ziehen wir dort ein.

Das Thema Nachhaltigkeit wird derzeit beim Hausbau großgeschrieben. Welche Rolle spielt es für die Architektur?

Die EnEV Energieeinsparverordnung wird regelmäßig geändert, die Anforderungen an ein Gebäude erhöht.  Wir schauen uns genau an, was dort steht und reagieren darauf. Unterstützt werden wir von der Industrie, die die Energieeffizienz ihrer Produkte verbessert. Ein schönes Beispiel ist hier die Verglasung. Was eine Dreifachverglasung heute für einen Wärmedurchgang hat, das hätte man noch vor 5 Jahren nicht für möglich gehalten.

Sind die Wohnungen von Ihren Projekten auch energieeffizient gebaut?
Das Gebäude vom Polygon Garden ist ein KfW-55 Effizienzhaus. Hierfür wurden hochdämmende Fenster mit Drei-Scheiben-Isolierverglasung eingebaut. Geschlossene Wände und Decken wurden mit 25cm Wärmedämmung gedämmt.  Alle Wohnungen haben eine kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung. Durch den Anschluss an die Fernwärme erhalten wir sehr effektiv Wärme über Kraft-Wärme-Kopplung.

Welchen Einfluss hat die Wohnraumverknappung auf die Architekturszene? Wird jetzt mehr „platzsparend“ gebaut?
Der Bauherr von Polygon Garden, die Archigon, baut bereits seit Jahren einen Wohnungsmix von kleinen und mittleren Wohnungen. Die Anzahl an größeren Wohnungen über 100 qm ist eher gering. Dieser Trend wird sich verstärken.

Hat sich in den letzten Jahren an den Wohnansprüchen etwas geändert?

Die Erwerber erwarten ein hohes Finish in der Ausführung. Sie vergessen dabei, dass ein Haus nicht in einer Fabrik unter kontrollierten Bedingungen hergestellt wird. Unser Bauherr reagiert darauf und lässt uns jetzt erstmalig Fertigparkett einbauen. Bei der Fassade sind wir bereits gut aufgestellt. Die Betonfertigteile, die Schlosserarbeiten und auch die Fenster werden in Fertigungshallen vorgefertigt. Sie erfüllen so bereits den hohen Anspruch von Erwerbern.

Gibt es erkennbare Trends in Hinsicht auf die Raumgestaltung und Aufteilung?

Wir versuchen unsere Wohnungen so zu gestalten, dass sie ein maximales räumliches Erlebnis bieten. Dazu gehört auch das Thema Durchwohnen. Die offenen Küchen gibt es ja bereits seit geraumer Zeit. Küche zusammen mit Wohnen ist und bleibt der Mittelpunkt einer Wohnung und wird weiterhin nachgefragt.