Man sieht sich immer zweimal

22. Dezember 2021


Christiane Rübenack leitet eines der ältesten Maklerunternehmen Deutschlands. Die Rübenack Immobilien in der niedersächsischen Kleinstadt Nienburg gibt es seit 1852, heute gehört auch eine Hausverwaltung dazu. Wie lebt und arbeitet es sich mit so viel Tradition? Ein Gespräch über Erfahrung, gute und schlechte Kunden und die Moral von Maklern.

Interview von Marianne Körber, Süddeutsche Zeitung (SZ)

Frau Rübenack, Ihr Unternehmen ist seit fünf Generationen in Familienhand. Wie sind Sie aufgewachsen, haben Sie schon als Kind mit Ihren Puppen Makler gespielt?

Christiane Rübenack: Ob ich als Kind Makler gespielt habe, daran kann ich mich gar nicht erinnern. Aber wir haben früher über dem Büro gewohnt, und da war es selbstverständlich, dass wir mitgeholfen haben, Briefe ausgetragen, der Kundschaft Kaffee gebracht haben. Natürlich war das Geschäft oft Thema in der Familie, da bekommt man eine Menge mit.

Können Sie sich noch an Ihre ersten Erfahrungen als Maklerin erinnern?

Nach der Ausbildung in Bremen war ich in einem Betrieb in Kiel tätig, der hat mich zu einem Bauernhof aufs Land geschickt, damit ich einen Verkaufsauftrag hereinhole. Ich fuhr da also — chic im Hosenanzug, wie das früher so war — auf dem Hof vor. Dann kam ein älterer Herr, der Landwirt, und guckte mich an oder besser gesagt an mir vorbei und fragte: ‚Wann kommt denn Ihr Kollege?‘ Das habe ich nie vergessen.

Hat es denn geklappt mit dem Bauernhof?

Ich weiß es nicht mehr. Aber ich habe damals gemerkt, dass man als junge Frau trotz guter Ausbildung erst beweisen muss, dass man sein Geschäft versteht. Bei Männern ging man eher davon aus, dass sie das können. Aber ich glaube, das hat sich in den vergangenen 30 Jahren geändert. Wir sind jetzt überwiegend Frauen in unserem gut ausgebildeten Team; und die machen einen super Job.

Und wie war die erste Wohnungsbesichtigung, die Sie durchgeführt haben?

Das war in meinem Ausbildungsbetrieb in Bremen, dort habe ich mit Wohnungsvermietungen begonnen. Ich war sehr aufgeregt, aber die netten Kunden haben sich nichts anmerken lassen.

Wie war das damals mit der sogenannten Maklersprache? Gab es die überhaupt?

Sie meinen solche Beschreibungen wie verkehrsgünstige Lage, wenn die Immobilie direkt an der S-Bahn liegt? Nein, das gab es in meinem Ausbildungsbetrieb nicht. Wir sind als traditionelle Makler lieber direkt, was die Lagebeschreibung angeht. Die Kunden erkennen doch die Lage später sowieso, und wir wollen hier kein Vertrauen verspielen.

Ein Kollege von Ihnen hat mal gesagt: Rechtsanwälte und Lehrer sind die schlimmsten Kunden. Die laufen angeblich mit dem Klemmbrett durch die Wohnung und suchen mit der Lupe nach Mängeln. Haben Sie auch solche Erfahrungen gemacht?

Ja, das gibt es, bei Maklern genauso wie bei anderen Berufsgruppen, etwa bei Ärzten mit schwierigen Patienten. In unserer beschaulichen Kreisstadt Nienburg betreuen wir so manche Familie oder Betriebe über Generationen hinweg, und versuchen immer, so auseinanderzugehen, dass man sich später wieder gern begegnet.

Was ärgert Sie denn bei Kunden?

Was ich unverschämt finde, ist, wenn sich jemand zum Besichtigungstermin anmeldet und dann nicht kommt. Wenn wir dann anrufen, heißt es: Ach nö, wir haben schon etwas anderes vor. Oder Kunden steigen beim Besichtigungsort aus dem Auto und sagen dann, dass ihnen die Lage oder etwas anderes Offensichtliches nicht gefällt, obwohl unsere Exposés sehr aussagekräftig sind. So etwas gibt es leider öfter.

Was gibt es sonst noch an schwierigen Situationen?

Im Moment ist es ja so, dass wir oft mehrere Interessenten für eine Immobilie haben. Für uns ist es dann unglücklich, wenn fünf Kunden Feuer und Flamme
sind, aber ja nur einer die Immobilie kaufen kann. Dann kommt es nach Rücksprache mit dem Verkäufer sehr oft zum Gebotsverfahren. Das bedeutet, dass der Preis eher raufgeht.

Das ist für viele Kunden — insbesondere Familien mit einem Verdiener — derzeit nicht immer machbar. Da klafft die Schere in unserer Gesellschaft stark auseinander. Auf der anderen Seite muss man auch dafür Verständnis haben, dass die Verkäufer nur einmal verkaufen können und oft auf einen optimalen Preis angewiesen sind, zum Beispiel, wenn sie ein teures Seniorenheim bezahlen müssen.

Haben Makler einen schlechten Ruf?

Das kann man generell nicht sagen. Ich glaube, dass wir im Immobilienverkauf oder der Gewerbevermietung zu 80 Prozent Kunden haben, die unsere Dienstleistung wirklich wertschätzen. Das sehen wir auch daran, dass Kunden nach Abschluss des Geschäfts auch mal ein Blumensträußchen oder eine Packung Pralinen als Dankeschön vorbeibringen, Topbewertungen schreiben und häufig auch nach Jahren mit dem nächsten Immobilienwunsch zu uns kommen. Die meisten örtlichen Makler leisten ja auch vieles, was nicht unbedingt von außen sofort zu erkennen ist. Von der Bewertung bis zur Übergabe stehen wir unseren Kunden bei allen Schritten zur Seite. Aber natürlich gibt es auch Makler, die es sich einfach machen oder nicht ausreichende Kenntnisse haben. Wie in allen Branchen muss man sich vorher erkundigen, mit wem man zusammenarbeiten möchte.

Hat ein Kunde schon mal versucht, Sie zu bestechen, um eine Immobilie zu bekommen?

Ja, das kommt vielleicht ein- bis zweimal im Jahr vor. Da fallen dann solche Sätze wie ‚Das soll Ihr Nachteil nicht sein‘ oder ‚Na, da können Sie ja eine Extraprovision kriegen‘, etwa wenn der Kaufpreis niedriger ist als ursprünglich gefordert. Solche Angebote gibt es, aber darauf gehen wir nicht ein.

Was ist denn das Beste an Ihrem Beruf?

Ich könnte mir für mich keinen besseren vorstellen, höchstens manchmal einen entspannteren. Ich mag meinen Beruf unheimlich gern, weil er viel mit überwiegend freundlichen Menschen zu tun hat und häufig mit bedeutenden Lebenssituationen, wo Vertrauen wichtig ist.

Was machen Sie anders als Ihre Eltern, Ihre Vorgänger?

Die Zeiten und die Art zu arbeiten haben sich sehr geändert. Mein Großvater beispielsweise ging öfters zum Frühschoppen, da haben sich die älteren Herren über die Wirtschaft in der Stadt ausgetauscht. So etwas gibt es nicht mehr, es ist für alles weniger Zeit, da durch die verschiedenen Kontaktmöglichkeiten einfach mehr Druck da ist.

Wie kommen Sie denn an die Objekte, läuft das automatisch, weil Sie schon so lange im Geschäft sind?

Ja, überwiegend kommen die Kunden zu uns, aber es gibt auch Fälle, wo wir hören, dass jemand verkaufen möchte oder sich irgendwas ändert. Manche Makler schreiben Leute an, bei denen jemand gestorben ist. Ich finde, das geht gar nicht.

Ein Wort zu den Preisen: München galt 2020 als teuerste Stadt Deutschlands. Wie sind die Preise bei Ihnen?

Mich faszinieren Ihre Preise! Wir Makler gucken da schon manchmal mit Neid hin. In Mittelstädten haben wir natürlich ganz andere Preise, da bringen sechs oder sieben Prozent Provision einschließlich Mehrwertsteuer weniger Geld als drei Prozent in den Ballungszentren. Andererseits müssen wir keine Stunde durch die Großstadt fahren zu einem Besichtigungstermin, und die Kunden kommen wie gesagt auf uns zu. Wenn in der Großstadt jemand sagt, er will verkaufen, wird er von Maklern überrannt. Aber zu den Preisen: Auch bei uns haben sich die Preise deutlich nach oben bewegt.

Manche Leute haben den Eindruck, dass alle Makler reich sind und in tollen Häusern wohnen. Ist das so?

Das kommt natürlich auf den Erfolg und die Lage des Betriebes an — wir sprachen ja schon über die Preise in Groß-städten. Ich will nicht klagen, aber wenn ich irgendwo einen guten Job in der Industrie hätte, hätte ich weniger Risiko und würde vielleicht das Gleiche verdienen.

Würden Sie mal zum Spaß mit einem Kollegen in München tauschen wollen?

Mal zwei Wochen so mitlaufen schon, aber da tatsächlich tätig sein? Nein, ich glaube nicht, ich fühle mich in Nienburg wohl. Und man muss seinen Markt auch richtig gut kennen, wenn ich jetzt woanders anfangen würde, müsste ich mich erstmal einarbeiten, um den Markt kennenzulernen.

Makler müssen ihr Wissen bisher nicht nachweisen, brauchen keinen Sachkundenachweis. Finden Sie das schwierig?

Ja, denn es geht bei Immobilien immer um viel Geld, und da ist es wichtig, dass Makler gut informiert sind, rechtlich Bescheid wissen und die Kunden auch wirtschaftlich beraten können. Allein die Gewerbeerlaubnis reicht meiner Meinung nach nicht aus, um sich Immobilienmakler nennen zu können. Verbraucher müssen prüfen, zu welchem Makler sie gehen; die Mitgliedschaft in einem Verband wie dem IVD ist schon ein gutes Zeichen. Bei Immobiliengeschäften kann es durchaus Komplikationen geben — Pfusch oder mangelnde Sorgfalt des Maklers wären fatal.

Wenn Sie politisch aktiv wären, würden Sie dann so einen Sachkundenachweis fordern?

Ja, das wäre viel wichtiger, als sich über die Höhe der Provision Gedanken zu machen.

Wenn wir schon bei der Politik sind: Die Grünen wollen das Bestellerprinzip auch beim Verkauf einführen, wer den Auftrag vergibt, zahlt — eine gute Idee?

Davor habe ich keine Angst, bei uns würde sich dadurch nicht viel ändern. Ich halte aber die hälftige Teilung der Provision für eine faire Lösung. Wichtiger wäre, die Grunderwerbsteuer für Käufer, die die Immobilie selbst nutzen, in den Ländern deutlich zu reduzieren.

Ersetzen die Internetportale irgendwann den traditionellen Makler?

Das glaube ich nicht, weil die persönliche Beratung, Immobilienfachwissen und die Ortskenntnis wichtig sind, das können Online-Portale nicht ersetzen. Immerhin geht es in den meisten Fällen um den größten Vermögensteil der Menschen. Wir haben auch Kunden, die zuvor bei Online-Wettbewerbern unzufrieden waren.

Und was halten Sie von den vielen Angeboten im Netz, die Immobilie kostenlos zu schätzen?

Das ist ein Einkaufstool im Netz. Dieses Angebot machen wir auch, aber diese Bewertungen sind wenig aussagekräftig. Wir informieren unsere Kunden, warum wir eine Immobilie sehen müssen, um eine solide Bewertung zu machen.

Zurück zum Anfang, Sie führen das Unternehmen in der fünften Generation, ist die sechste schon am Start?

Eine Betriebsübergabe an die nächste Generation ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr. Inzwischen führe ich die Firmen mit den Bereichen Immobilienvermittlung und Hausverwaltung nicht mehr alleine, da treffe ich solche Entscheidungen mit meiner Mitgesellschafterin. Aber ja, es gibt eine sechste Generation, die nach Ausbildung und Studium Interesse zeigt, den Weg zurück nach Nienburg zu nehmen.

War das von Anfang an klar?

Nein. Ich habe keinen Druck gemacht, da die Entscheidung für die Übernahme eines Unternehmens gründlich überlegt sein soll. Auch muss die nächste Generation ja für diese Aufgabe geeignet sein. Wir werden sehen. Aber die Chancen stehen erfreulicherweise gut.

Was würden Sie als wichtigsten Tipp mitgeben?

Um es mit Thomas Mann in den „Buddenbrooks“ zu sagen, der bei uns zu meiner Kinderzeit an der Wand hing und noch heute zitiert wird: „Sey mit Lust bey den Geschäften am Tage, aber mache nur solche, dass wir bey Nacht ruhig schlafen können.“

Das Interview erschien zuerst am 18. September 2021 in der Süddeutschen Zeitung.

 

Fotos: © privat