Mehr als Kundendisko

27. April 2018


Irgendwie eifern wir ja alle großen Marken nach. Aber müssen wir deswegen immer alles kopieren, was uns die Großen vormachen? Ein Logo im Apple-Look-and-Feel macht nichts her, wenn es keiner sieht und mit dem hübschen Etikett niemand etwas verbindet. Wichtiger als die Facette einer Marke ist das, was Kunden happy macht: reichlich Lösungen für ihre Bedürfnisse.

Von Jan Kricheldorf

Von Kundendisko spricht man unter Kollegen, wenn die Leistungserbringung mit Verpackung und Schleifchen versehen wird, wenn der Inhalt so lala oder sauteuer ist. Damit soll mit übertriebenen Nettigkeiten oder dem neusten technischen Gedöns der Blick des Kunden positiv vernebelt werden. Im Soundstudio-Gewerbe gehörten zum Beispiel Beamer eine Zeit lang zum guten Ton. Musste ein einminütiges Stück Film Mitarbeiterschulung für tausende Euro für einen Großkunden wie BMW vertont werden, wurde der Regieraum zum Heimkino. Der Kunde aus der zuständigen Fachabteilung des Konzerns sah dann seinen eigenen Film zum ersten Mal so groß wie nie zuvor. Nach 5 Minuten war die Aufnahme im Kasten und der Kunde happy. Die völlig überteuerten Preise für die Tonaufnahme wurden nicht in Frage gestellt.

Allerdings: Mit einer nullachtfünfzehn Kundendisko kann man im Internet-Zeitalter keinen Blumentopf mehr gewinnen. Außer vielleicht bei ein paar Verblendeten, die jedem bisschen Glanz auf dem Leim gehen würden. Oft wollen uns Experten ja weiß machen, man müsse eine Marke nur genügend vom Rest abheben, um nach vorne zu kommen. Das mag stimmen, so lange in der Kundendisko auch echte Mehrwerte zu finden sind und das Lametta weithin sichtbar ist.

Da geht es schon einmal los: Keine Marke ohne Reichweite! Immer noch sind die Webseiten vieler Immobilienunternehmer traurige Hintergassen, in die sich selten ein Besucher verirrt. Früher hieß die Webseite ja einmal Homepage. Da ging man noch davon aus, dass die Webseite so etwas wie die eigene Immobilie im Netz darstellen wird. Nun gut, damit müssten wir uns ja gut auskennen. Also ein Verkaufsschild aufstellen? Ein paar Nachbarn sehen es bestimmt. Oder auch nicht. Um deutlich mehr und vor allem die richtigen Besucher anzulocken, genügt das nicht. Und wie bleiben wir mit unserer Marke im Kopf? Ein Makler im Südwesten soll einmal Elefanten durch die Fußgängerzone treiben lassen haben. Das schafft natürlich Aufmerksamkeit, war aber bestimmt aufwändig. Im Web funktioniert das zu einem deutlich günstigeren Kurs und viel subtiler. Zum Beispiel in Form einer ausgeklügelten Displaywerbung, einem digitalen Schaufenster.

Überzeugen auch die Auslagen, weil sie genau dem entsprechen, was ich suche, werde ich davon nicht mehr so schnell loskommen. Außerdem wird mich das angestarrte Schaufenster fortan begleiten. Ja, man könnte fast von Verfolgen sprechen. Remarketing ist deutlich mehr als Kundendisko, weil es nur funktioniert, wenn beim Kunden ein echtes Interesse vorliegt. So kann ich auch ohne großes Tamtam als Marke wahrgenommen werden.

Aber noch einmal zurück in die Hintergasse. Wenn ich etwas zu bieten habe, was Menschen begehren, muss ich mich zumindest am Anfang aus meiner Hintergasse hinausbewegen. Zum Beispiel kann ich auf einen Marktplatz gehen. Im Netz heißen Marktplätze Plattformen und sind Orte, an denen sich viele Menschen tummeln. Soll ein Immobilienunternehmen als Marke wahrgenommen werden, muss der gewählte Marktplatz einer sein, der geeignet ist, den Strom der Masse auf den schnellsten Weg in meine Hintergasse umzuleiten. In den letzten Jahren haben wir genau das immer wieder versäumt. Die eigenen Angebote und Leistungen wurden dezentral auf vielen verschiedenen Marktplätzen verteilt. Deswegen sind die eigenen Webseiten zu nutzlosen Parkplätzen von Informationen verkommen. Was bringt es, wenn ich eine schöne Landingpage zum Thema „Barrierefreies Wohnen“ gebaut habe, meine Zielgruppe davon aber nichts weiß? Hier besteht der größte Handlungsbedarf. Meine Empfehlung: Fördern Sie zuerst Ihre eigene Webpräsenz und nicht die der anderen. Nur so können Sie in Ihrer Zielgruppe eine nachhaltige Relevanz aufbauen. Das Gemeine ist — allein damit ist es noch nicht getan. Mal angenommen Sie haben erfolgreich Massen in Ihren Garten in der Hintergasse eingelassen. Finden die sich dort auch zurecht? Eigentümer, die Aufträge vergeben, haben unterschiedlichste Motive, warum sie ihre Immobilie verkaufen müssen oder wollen. Das Eingehen auf den Menschen und die Veränderungsgründe sind der Schüssel für eingehende, passende Inhalte. Nur locken aber nichts Passendes bieten, führt in die Sackgasse. Eigentümer, die Sie besuchen, sollten sofort spüren können: Hier bin ich richtig und wichtig. Holen Sie Ihre Kunden mit dem richtigen Inhalt bei seinem jeweiligen Bedürfnis ab, begleiten Sie seine Entscheidung und liefern Sie eine außergewöhnliche Verpackung dazu. Das ist deutlich mehr als Kundendisko.

P.s.

Das wichtigste Alleinstellungsmerkmal, das Sie haben, ist Ihre Persönlichkeit. Absolut Copy-Paste-sicher. Großartig. Haben die etablierten Marken nicht.

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