Nachverdichtung: So einfach ist es nicht

22. Mai 2019


Stadtplaner glauben, mit Aufstockungen ließe sich die Wohnungsknappheit stoppen. Ganz so leicht ist es aber nicht: Statik, Baurecht und teils hohe Kosten machen solchen Projekten oft einen Strich durch die Rechnung.

Von Stefan Frey

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Manche Baumaßnahmen auf Bestandsgebäuden sind spektakulär: Auf einem Parkhaus in Nürnberg wurde eine Kita samt Spielplatz gebaut, in Freiburg entstand eine Kinderbetreuung auf dem Flachdach eines Discounters. In Köln wurden die Stellplätze eines Parkhauses reduziert und auf den oberen Etagen Wohnungen errichtet.

Es gibt durchaus Beispiele, die belegen, dass Innenstädte kreativ verdichtet werden können. Denn noch immer gibt es in vielen Kommunen leerstehende Gewerbeflächen und mindergenutzte Gebäude. Nach den Bombenangriffen des Zweiten Weltkriegs wurde oftmals in einer Baulücke mit einfachen Mitteln ein einstöckiges Geschäft errichtet; nicht selten überstand dieses Provisorium viele Jahrzehnte. Über dem Gebäude ließen sich Wohnungen schaffen. Auch innerstädtische Supermärkte werden von Stadtentwicklerin ins Visier genommen: oft bestehen sie aus nur einer Etage.

Dass Aufstocken und Nachverdichten sinnvoll ist, ist unumstritten. Aber längst ist es nicht so einfach wie Kommunen und Wissenschaftler gerne behaupten. Zuletzt veröffentlichte Ende Februar das Pestel-Institut zusammen mit der Technischen Universität Darmstadt eine Analyse. Demnach könnten bundesweit 1,2 Millionen Wohnungen entstehen, sofern auf Supermärkten, Parkhäusern zusätzliche Wohnungen aufgesattelt werden, um so die gemäß Planungsrecht maximale Grundstücksausnutzung zu erreichen. Ferner ließe sich durch die Umnutzung leer stehender Bürogebäude zusätzlicher Wohnraum schaffen. Das größte Potenzial stecke allerdings in Wohnhäusern aus den 1950er bis 1990er Jahren, die mit zusätzlichen Etagen versehen werden könnten: So könnten 1,5 Millionen Wohneinheiten entstehen, ohne dass Flächen versiegelt werden.

Dass dies nicht unbedingt leicht von der Hand geht, belegen zum Beispiel Supermärkte: Die Experten identifizierten im gesamten Bundesgebiet rund 22.300 eingeschossige Supermärkte. Würde ein Drittel davon aufgestockt, könnten zusätzlich 400.000 Wohnungen entstehen. Aber Aufstockungen sind nur bei innerstädtischen Märkten sinnvoll. Gebäude an Ausfallstraßen oder in Gewerbegebieten taugen dafür nicht. Außerdem kann man die Immobilie nicht einfach mit sechs zusätzlichen Stockwerken versehen. Bausubstanz und Statik sind dafür nicht ausgelegt. Stattdessen müssten sie abgerissen und zusammen mit den Wohnungen neu gebaut werden. So bestünde auch die Chance, Außenflächen — vormals für Anlieferverkehr und Parken genutzt — einzubeziehen und zu gestalten. Vielmehr sollte für den ruhenden Verkehr eine Tiefgarage entstehen und ein lärmgeschützter Entladebereich im Untergeschoss.

Statische Fragen spielen auch bei der Aufstockung von Wohngebäuden um eine oder zwei Etagen eine Rolle. Diese sind allerdings eher realisierbar dank leichter Baukonstruktionen in Holz.

Bei denkmalgeschützten Altbaufassaden redet auch die örtliche Denkmalschutzbehörde mit. Sie bewilligt Aufbauten in der Regel, sofern diese von der Straße aus zurückgesetzt sind und den Stil der historischen Fassade wenig stören.

Auch baurechtliche Fragen müssen bei Aufstockungen geklärt werden. Häufig lohnt es sich für den Eigentümer nicht, auf seinem Mehrfamilienhaus eine weitere Etage aufzusatteln, wenn er dafür zusätzliche Pkw-Stellplätze bauen beziehungsweise für viele tausend Euro ablösen muss. Wenngleich hierbei viele Kommunen flexibler wurden. Manchmal muss den Aufstockungen auch der Nachbar zustimmen, wenn Abstandsflächen tangiert werden. Oder es muss ein Fahrstuhl eingebaut oder ein zusätzlicher Fluchtweg geplant werden.

Hierbei könnten unter Umständen baurechtliche Vereinfachungen unabhängig von Brandschutzbelangen etc. hilfreich sein. Dies gilt auch für die Umnutzung von Gewerbeflächen für die Wohnbebauung. Zudem könnten finanzielle Anreize dienlich sein: Wer flächenschonend baut, sollte steuerlich begünstigt werden.

Ein großer Vorteil von Aufstockungen auf Wohngebäuden ist, dass diese schnell realisierbar sind, weil keine Grundstückserschließung vorgenommen werden muss und das „Fundament“ bereits existiert. Denn immerhin dauert der Neubau eines Mehrfamilienhauses von der Planung bis zur Fertigstellung laut Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) im Schnitt knapp drei Jahre. Einfache Aufstockungen sollten in sechs bis neun Monaten machbar sein.

Foto: © debramillet / depositphotos.com