Obacht bei Beschlussfassungen über Wirtschaftsplan & Jahresabrechnung

4. September 2022


In der 14. Folge der Serie zur neuen WEG-Rechtsprechung erfolgt die Besprechung des Urteils des AG Hamburg vom 25.02.2022 – 980a C 29/21 WEG. Die Entscheidung befasst sich mit der Frage, welche Anforderungen an ein Beschlusstext im Zusammenhang mit Jahresabrechnungen und Wirtschaftsplänen nach der WEG Reform 2020 zu stellen sind.

Von Rechtsanwalt Dr. Marco Tyarks

Zum Sachverhalt und zur Entscheidung des Gerichts: Auf der Eigentümerversammlung am 24.08.2021 beschlossen die Wohnungseigentümer u. a. wie folgt:

„TOP 6 – Genehmigung der Gesamt- und Einzelabrechnung 2020. Die Wohnungseigentümergemeinschaft genehmigt und beschließt einstimmig die Genehmigung der Gesamt- und Einzelwohngeldabrechnung für das Jahr 2020 […]

TOP 8 – Entlastung der Verwaltung für das Jahr 2020. Die Wohnungseigentümergemeinschaft erteilt der Verwaltung mehrheitlich Entlastung für […] 2020.“
Die Verwaltung hatte die Wohngeldabrechnung vor der Versammlung den Wohnungseigentümern übersandt. Ein Wohnungseigentümer erhob gegen die vorgenannten Beschlüsse die Anfechtungsklage. Zur Begründung verwies er darauf, dass den Eigentümern nach der WEG-Reform 2020 die Beschlusskompetenz fehle, über eine Jahresabrechnung zu beschließen; eine Beschlussfassung können sich nur noch auf die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse beziehen. Da die Beschlüsse mangelhaft seien, entspräche es auch keiner ordnungsgemäßen Verwaltung, dem Verwalter die Entlastung zu erteilen.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft führte zur Rechtfertigung der Beschlussfassung zu TOP 6 an, diese seien so auszulegen, dass eine Beschlussfassung lediglich über die Vor- bzw. Nachschüsse im Sinne des § 28 Abs. 2 WEG erfolgt sei.  Das Amtsgericht Hamburg folgte dieser Argumentation nicht, gab dem Wohnungseigentümer recht und erklärte die vorgenannten Beschlüsse für ungültig.

Eigentümern fehlt die Kompetenz

Denn, so das Gericht, der angegriffene Beschluss sei nichtig. Den Eigentümern fehle die Kompetenz, die „Gesamt- und Einzelwohngeldabrechnung 2020“ zu genehmigen und zu beschließen. Nach Maßgabe der seit dem 01.12.2020 geltenden Fassung des § 28 Abs. 2 S. 1 WEG beschließen die Wohnungseigentümer nach Ablauf des Kalenderjahres über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse. Entgegen früherer Rechtslage habe der Gesetzgeber mit dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz das für die Abrechnung erforderliche Zahlenwerk von der Beschlussfassung entkoppelt und zum Gegenstand einer Vorlagepflicht für die Verwaltung gemacht.

Gegenstand eines Beschlusses seien also nur Zahlungspflichten, die zum Ausgleich einer Unter- oder Überdeckung aus dem Wirtschaftsplan erforderlich sind. Für einen Beschluss, der aber allein die Genehmigung des vorgelegten Abrechnungswerks zum Gegenstand hat, fehle daher die Beschlusskompetenz. Der neuen Rechtslage entspreche ein Beschluss zudem nur dann, wenn die einzelnen Zahlungspflichten der Wohnungseigentümer – zur Kostentragung und zur Rücklage – nicht nur in der Summe, sondern für jede Einheit gesondert ausgewiesen werden. Daher greife der pauschale Verweis auf eine „Jahresabrechnung 2020“ deutlich zu kurz.

Auch eine (wohlwollende) Auslegung des Beschlusses dahingehend, dass die Eigentümer – gesetzeskonform – nur über den Gehalt von § 28 Abs. 2 S. 1 WEG abgestimmt haben, komme entgegen der Meinung der Beklagten hier nicht in Betracht. Auch der Beschluss zu TOP 8, mit dem der Verwaltung für das Jahr 2020 Entlastung erteilt worden ist, war – so das Gericht – für ungültig zu erklären. Werden Fehler in der Abrechnung festgestellt und der Beschluss über die Nachschüsse beziehungsweise die Anpassung der Vorschüsse – wie hier – gerichtlich für ungültig erklärt, so ist ein für denselben Zeitraum gefasster angefochtener Entlastungsbeschluss ebenfalls – insgesamt – für ungültig zu erklären.

Rechtlicher Kontext und Bewertung der Entscheidung

Der Gesetzgeber hat die Regelungen zu Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung erheblich geändert. Eines der Ziele, die er verfolgte, war die Reduzierung der gerichtlichen Anfechtungsverfahren insbesondere gegen die Jahresabrechnung. Denn der Eigentümer konnte sich vor der WEG-Reform 2020 bereits dann erfolgreich gegen die Beschlussfassung wenden, wenn Jahresabschluss oder Wirtschaftsplan nicht den vom BGH aufgestellten (strengen) Anforderungen an die äußere Darstellung entsprachen. Nicht erforderlich war hingegen, dass sich durch die Fehler in der Darstellung tatsächlich etwas an den vom anfechtenden Eigentümer zu leistenden Zahlbetrag aus Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung änderte.

Nur noch Beschlussvorbereitung

Das Gesetz sieht in § 28 WEG daher nicht mehr vor, dass der Wirtschaftsplan und die Jahresabrechnung an sich (durch Genehmigung) beschlossen werden, sondern lediglich noch eine Beschlussfassung über die die Zahlungspflichten („Vorschüsse“ und „Nachschüsse) der einzelnen Eigentümer. Die Zahlenwerke „Wirtschaftsplan“ und „Jahresabrechnung“ dienen nur noch der Beschlussvorbereitung. Daher kann der Eigentümer die Beschlussfassung grundsätzlich nur noch anfechten, wenn die beschlossenen Zahlungsverpflichtungen fehlerhaft sind.

Die gesetzlichen Änderungen müssen sich daher auch in der Beschlussfassung widerspiegeln. Die konkret bezifferten Vor- und Nachschüsse der einzelnen Wohnungseigentümer müssen sich unmittelbar aus dem Beschluss ergeben. Gegebenenfalls kann auf eine Anlage, die zum Beschluss genommen wird, verwiesen werden. Wird weiterhin der Jahresabschluss und der Wirtschaftsplan – wie vor der Gesetzesänderung – genehmigt, fehlt es den Wohnungseigentümern schlicht an einer Beschlusskompetenz. Die Beschlüsse sind nichtig.

Das Gericht führt mit überzeugender Begründung aus, warum solche Beschlüsse in der vor der Gesetzesänderung üblichen Form auch nicht über eine Auslegung gerettet werden können. Zwar wird in der juristischen Literatur hierzu auch eine Ansicht vertreten. Verwaltern kann aber nur dringen empfohlen werden, nicht darauf zu hoffen, dass ein anderes (ggf. höheres Gericht) in Zukunft sich zu einer für den Verwalter rettenden Auslegung durchringen wird.

Auswirkungen auf die Praxis

Verwaltern ist dringend zu empfehlen, ihre Beschlussvorlagen – ggf. unter Inanspruchnahme rechtsanwaltlicher Hilfe – zu überarbeiten und an das aktuelle WEG-Recht anzupassen. Andernfalls können sie sich erheblichen Schadensersatzansprüchen ausgesetzt sehen. Aus einer nichtigen Beschlussfassung über einen Wirtschaftsplan erwachsen bspw. keine Zahlungspflichten für die Eigentümer, was die gesamte Gemeinschaft in eine wirtschaftliche Schieflage bringen kann, wenn die Eigentümer hieraufhin ihre Zahlungen einstellen.

 

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