„Ohne private Investitionen wird es nicht gehen“

30. November 2023


Dem Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen gehören 34 Mitglieder aller Fraktionen an. Sie erörtern fachliche Fragen unter anderem zum Wohnungsbau, zur Wohneigentumsförderung und zu anderen Rahmenbedingungen die Immobilienwirtschaft betreffend und bereiten entsprechende Beschlüsse des Deutschen Bundestages vor. Einer von ihnen ist der Pforzheimer Rainer Semet, der jetzt zum neuen Obmann seiner Fraktion im Ausschuss bestimmt wurde. Wir sprachen mit dem 66-jährigen Diplom-Wirtschaftsingenieur, der dem Deutschen Bundestag seit 2021 angehört.

Interview von Stephen Paul

AIZ-Magazin: Glückwunsch zur Wahl zum Obmann im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen. Sie gehören diesem schon länger als Mitglied an. Was motiviert Sie, sich für dieses Politikfeld zu engagieren?

Rainer Semet: Als Wirtschaftsingenieurund Ingenieur für Holztechnik war es seit Beginn klar, dass ich meine Praxiserfahrung in den Bauausschuss einbringen werde. Ich bin meiner Fraktion dankbar, dass sie die Stärken und die Berufserfahrung ihrer Abgeordneten bei der Besetzung der Ausschüsse stark berücksichtigt. Als Obmann bringe ich in die Ausschussberatungen jahrelange Bau-Erfahrung mit. Die Debatten im Ausschuss zeigen es deutlich: Wir brauchen mehr Berufserfahrung in der Politik.

Wie erleben Sie in Ihrer Heimatregion den Immobilienmarkt?

Ich komme aus dem Nordschwarzwald, einer wirtschaftlich starken Region zwischen Stuttgart und Karlsruhe. Es gibt wenig Arbeitslosigkeit und ein hohes Durchschnittseinkommen. Dennoch gibt es wenig Angebot auf dem Wohnungsmarkt, Eigentum ist für viele unerreichbar. Das ist eines der Hauptprobleme unserer Gesellschaft. Ich möchte, dass sich jeder Mensch, der viel arbeitet und damit unserer Gesellschaft etwas Gutes tut, Wohneigentum leisten kann.

Wohneigentum macht unabhängig —auch fürs Alter. Die Wohneigentumsquote kommt bei uns in Deutschland nicht vom Fleck. Was tun?

Wir müssen die Preisspirale nach oben durchbrechen. Die hohen Zinsen und der Fachkräftemangel der Baubranche lassen die Baukosten explodieren. Die Preise sind zu hoch und viele Menschen wollen das Kreditrisiko nicht mehr eingehen. Eines der Gründe sind die extrem hohen Standards, die überbordenden Vorgaben an Brand- und Lärmschutz. Wir bauen dickere Wände als unsere Nachbarn, verarbeiten mehr Material und arbeiten dadurch länger auf der Baustelle. Dies gilt es zu hinterfragen. Was machen unsere Nachbarstaaten in Europa anders als wir? Hier möchten wir ansetzen und durch serielles Bauen und innovative Verfertigungen Baukosten senken. Die Rahmenbedingungen müssen von der Politik kommen.

Einem Kauf ihrer Mietwohnung durch die Mieter steht in einigen Städten das Umwandlungsverbot entgegen. Der Milieuschutz behindert mancherorts wie in Berlin die energetische Modernisierung und mehr Barrierefreiheit in Wohnungen. Wie stehen Sie dazu?

In Berlin wurde sich viele Jahre lang über zentrale marktwirtschaftliche Regeln hinweggesetzt. Ich bin überzeugt davon, dass Berlin in Sachen Wohnungspolitik kein Maßstab sein darf. Der Milieuschutz fällt unter die Kategorie „gut gedacht, falsch gemacht“. Er hemmt Investitionen in den Wohnungsmarkt und sorgt für Stillstand im Städtebau.

Bei der Entlastung von Grunderwerbsteuer zeigen Bund und Länder gegenseitig aufeinander. Wie kann der Durchbruch gelingen?

Thüringen hat es vorgemacht, auch in Bayern gibt es im Zuge der Koalitionsverhandlungen starke Diskussionen für eine Senkung. Als Vertreter der Freien Demokraten werde ich weiterhin dafür werben, dass zumindest die erste selbstgenutzte Immobilie von der
Grunderwerbsteuer befreit wird. So können wir Menschen unterstützen, sich ihren Traum von den eigenen vier Wänden zu erfüllen.

In der Immobilienwirtschaft wird das kommunale Vorkaufsrecht im Baulandmobilisierungsgesetz kritisch gesehen. Private werden dadurch benachteiligt. Wie denken Sie darüber?

Das sehe ich ganz genauso. Als kommunalpolitischer Sprecher habe ich dies auch schon mehrere Male im Plenum des Deutschen Bundestages bekräftigt.

Wohnungspolitisch wird mancherorts wie in Berlin recht zugespitzt gestritten und auch Politik gemacht. Man könnte fast von „Häuserkampf“ sprechen. Ist eine solche Konfrontation eigentlich im Sinne der Mieter und Wohnungssuchenden?

Im Sinne der Mieter und Wohnungssuchenden hilft nur der Neubau. Das wissen alle Beteiligten, dennoch machen sie populistische Vorschläge à la Mietendeckel und Enteignung. In den vergangenen zwei Jahren war ich stets im engen Austausch mit der Bauwirtschaft in Berlin, die in der jetzigen Situation mit den günstigen Preisentwicklungen wieder mehr bauen will. Das ist der einzige Weg aus der Krise.

Vermieter sehen sich im gesellschaftlichen Diskurs manchmal Vorwürfen und offener Ablehnung ausgesetzt. Dabei pflegt die ganz große Mehrheit ein rücksichtsvolles Miteinander mit ihren Mietern. So zu beobachten auch in Pandemiezeiten. Sorgt Sie, dass die Bereitschaft zum Vermieten von Wohnraum zurückgehen könnte?

Linke Politik arbeitet mit Feindbildern. Der Kapitalismus und Privatbesitz werden kritisch beäugt und politisch bekämpft. Ohne private Investitionen und die Übernahme von Verantwortung wird es nicht gehen. Das wissen wir alle. Wir müssen die Rahmenbedingungen für Investitionen in Wohnraum verbessern. Bauministerin Geywitz und unsere politischen Mitbewerber sind leider nicht die idealen Mitstreiter für eine freiheitliche Immobilienpolitik.

Das Mietrecht ist hierzulande bereits sehr zugunsten der Mieter gestaltet worden. Braucht es, wie von SPD und Grünen gefordert, eine weitere Verschärfung?

Im Gegenteil. Das Mietrecht ist angemessen, teilweise zu scharf und investitionshemmend. Eine weitere Verschärfung wird es mit den Stimmen der FDP sicherlich nicht geben.

Aus Brüssel droht mit der Gebäuderichtlinie ein neuer Kostenhammer. Beim GEG war es der FDP noch gelungen, die Folgen zu mildern. Kommt die Gebäuderichtlinie noch vor der Europawahl? Wie kann diese entschärft werden?

Hier sind die Kolleginnen und Kollegen von der Union gefragt. Deren Parteifreundin, Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen, könnte die Gebäuderichtlinie jederzeit stoppen. Dass die Union an vernünftigen Lösungen nicht interessiert ist, zeigt deren Ablenkungsmanöver. In Deutschland gegen das GEG hetzen, in Brüssel die Gebäuderichtlinie durchboxen. Dieses politische Spiel ist durchschaubar und wir werden alles versuchen, dass die Richtlinie nicht verabschiedet wird.

Der IVD hat am Wohngipfel teilgenommen. Die Ergebnisse waren teilweise besser als erwartet, weitere Maßnahmen wie die Entlastung von der Grunderwerbsteuer müssen ergriffen werden. Viele fragen sich jetzt, wann folgen den Worten nun die Taten? Wie wird das 14-Punkte Maßnahmenpaket jetzt umgesetzt?

Das interessiert mich auch. Ministerin Geywitz und Bundeskanzler Scholz haben große Ankündigungen gemacht, die sie jetzt umsetzen müssen. Wir werden sie dabei unterstützen, sehen die Verantwortung aber klar bei der SPD.

Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit den Spitzenverbänden der Bau- und Immobilienwirtschaft wie dem IVD vor?

Die Verbände leisten einen wichtigen Beitrag für unsere Arbeit. Sie geben uns wertvolle Hinweise und verbessern parlamentarische Verfahren nachhaltig. Der IVD setzt hier wichtige Impulse. Ich würde mir wünschen, dass gute Ideen stärker unterstützt werden. Vor lauter Kritik gehen viele gute Initiativen leider unter. Um die Baukrise zu überwinden, müssen alle Akteure an einem Strang ziehen. Hier schließe ich den IVD mit ein.

 

Foto: © IVD