Parlamentarischer Abend der Immobilienwirtschaft

21. März 2023


Die Immobilienwirtschaft hatte eingeladen und zahlreiche Abgeordnete des Deutschen Bundestages und Spitzenvertreter des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen kamen. Gastgeber des Parlamentarischen Abends war die Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID), in der die sechs führenden Verbände BFW, GdW, IVD, VDIV, VdP und ZIA vereint sind.

Von Stephen Paul

„Mehr Wohnraum in Deutschland wäre möglich, wenn der politische Wille dafür da wäre, den Weg dafür frei zu machen“, betonte Jürgen Michael Schick, derzeitiger Vorsitzender der BID und Präsident des IVD. In seiner Eröffnungsansprache im voll besetzten Saal der Landesvertretung des Saarlandes in Berlin versicherte Schick: „Die Immobilienunternehmerinnen und –unternehmer wollen Wohnungen bauen und betreiben. Viel mehr, als dies unter den heute obwaltenden Umständen möglich ist.“

Auf Dauer könne die Sache nicht gut gehen: Während auf der einen Seite die Produktivität im Wohnungsbau wegen der wachsenden Kosten abnimmt, steigt auf der anderen Seite der Bedarf nach Wohnraum drastisch. Mit mehr als 84 Millionen Einwohnern hätten noch nie so viele Menschen in unserem Land gelebt wie heute. Und daher sei es auch ein sozialpolitischer Auftrag, alle Hürden abzubauen, die dem zügigen Bau von bezahlbarem und bedarfsgerechten Wohnraum im Wege stehen, stellte der BID-Vorsitzende fest.

„Umso mehr hat uns die im Januar vorgestellte Neubauförderung enttäuscht, die mit Blick auf ihre Anforderungen an die Vergabe eines zinsverbilligten Darlehens so wirkt, als wolle die Bundesregierung gar nicht, dass die Gelder abgerufen werden“, kritisierte Schick. Durch dieses Programm würden nicht die dringend benötigten Impulse für den Wohnungsneubau gesetzt. Die Anforderungen seien zu hoch, die Anreize viel zu niedrig. Auch die Immobilienwirtschaft habe für dieses wachsende Problem nicht die eine einfache Lösung. Was aber längst auf den Tisch gelegt worden sei, sind pragmatische Maßnahmenvorschläge, für die die Politik jetzt die Weichen stellen müsse.

„Es ist doch die Bezahlbarkeit des Bauens, die der Schlüssel zur Schaffung von mehr Angebot ist, um den enormen Bedarf annähernd zu decken“, sagte Schick. Die BID spreche sich daher für eine auskömmliche Förderung des Neubaus mit einem Volumen von zehn Milliarden Euro jährlich aus.

 

Foto: © IVD

 

 

 

Außerdem sollten vorrangig baureife Grundstücke, geeignete Konversionsflächen und Bestandsflächen aktiviert werden. Daneben könnten modulare, serielle und typisierte Bauweisen in Verbindung mit digitalen Tools helfen, bezahlbare, qualitätsvolle und klimaschonende Wohnungen zu schaffen. Typisierte Wohngebäude würden darüber hinaus die Errichtung neuer Wohnungen beschleunigen, weil der Planungszeitraum dadurch wesentlich verkürzt
werde.

 

 

 

 

 

Die Immobilienwirtschaft empfiehlt der Politik auch, dem Wohnungsmangel insgesamt kreativer entgegen zu wirken. Getreu dem allseits bekannten Motto „Probieren geht über Studieren“. Eine Experimentierklausel in der Musterbauordnung des Bundes und in den Bauordnungen der Länder kann zugunsten des Wohnungsbaus ermöglichen, von starren Vorschriften in Gesetzen, Normen und Standards abzuweichen. Die Bundesregierung hat in Krisensituationen schon mehrfach gezeigt, schnell entscheiden zu können und sollte dies auch für den Wohnungsbau tun.

Der BID-Vorsitzende und IVD-Präsident zeigte sich davon überzeugt, dass Klimaschutz Bauprojekte nicht immer verteuern muss, wenn der Gesetzgeber mehr Freiraum für den Erfindungsreichtum und die Lösungskompetenz der Bau- und Immobilienwirtschaft lassen würde. Weitere Belastungen privater Bauherren und Unternehmen zur Verbesserung des Klimaschutzes bedürfen eines Kosten-TüVs unter der Kontrolle des Bundeskanzleramts, forderte Schick.

 

 

 

 

Aber es geht natürlich nicht nur um Neubau: Die Umnutzung von Immobilien muss erleichtert werden, wenn dadurch zusätzlicher Raum zum Wohnen mobilisiert werden kann. Gebäude und die darin verbauten Rohstoffe können oft saniert und neu genutzt werden anstatt sie abzureißen. Für die dafür nötigen Umbauten soll dann Bestandsschutz gelten. Dadurch bleibe in vielen Fällen der Kostenaufwand vertretbar.

Schick: „Es zählt jede einzelne Wohnung, um den Druck von den Märkten zu nehmen.“
Ganz praktische, konkrete Einblicke in die Alltagspraxis und die Hindernisse, auf die Unternehmerinnen und Unternehmer der Immobilienwirtschaft in ganz Deutschland stoßen, hatten die gastgebenden Verbände den Teilnehmern des Parlamentarischen Abends angekündigt. Und die vom Fachjournalisten Michael Fabricius, Leiter Redaktion Immobilien Die Welt/Welt am Sonntag, moderierte Gesprächsrunde hielt dann auch, was sie versprach.

Zunächst berichteten die Praxisexperten, dass derzeit kaum noch neugebaut wird. „Unsere Neubau-Planungen werden so lange auf Eis liegen, bis sich Projekte wieder rechnen“, sagte Rainer Bahr, Geschäftsführer der Berliner econcept Immobilien und Projektentwicklung KG.

 

 

 

 

Und Franz-Bernd Große-Wilde, Vorstandsvorsitzender der Spar- und Bauverein eG Dortmund, machte deutlich: „Angesichts der aktuellen Krisensituation aus Preisexplosionen, Zinsanstieg, Fachkräftemangel und staatlichem Förderchaos können wir als Wohnungsgenossenschaft gerade nur noch die Bauprojekte fertigstellen, die wir bereits begonnen haben.“

Sarah Zickler, Geschäftsführerin von Zickler Immobilien in Reutlingen, sprang der bauenden Wohnungswirtschaft bei: „Die Verfahren für Bauträger müssen deutlich abgekürzt werden. Es muss Bauträgern ermöglicht werden, schneller und effizienter zu bauen.“ Die erfahrene Maklerin und IVD-Mitglied nahm in der Gesprächsrunde kein Blatt vor den Mund. Bauwillige werden in Deutschland durch eine Vielzahl von Auflagen und ideologischen Entscheidungen bei der Umsetzung ihrer Bauvorhaben ausgebremst. Obwohl der Bedarf an Wohnraum stetig steigt, hält die Politik am Riegel fest. „Auch ich erlebe, dass die Finanzierbarkeit vieler geplanter Neubauten in Gefahr geraten ist.“

Ähnlich kritisch wie der BID-Vorsitzende und IVD-Präsident Schick in seiner Eröffnungsansprache, ging in der Gesprächsrunde Lars von Lackum mit der öffentlichen Förderung ins Gericht. Der Vorstandsvorsitzende der in Düsseldorf ansässigen LEG Immobilien SE geht davon aus, dass die Fördermittel im aktuellen Umfeld „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum größten Teil nicht abgerufen werden, da die Förderkulisse nicht auskömmlich genug gestaltet ist“.

 

 

 

Die Praxisexperten machten allesamt deutlich, dass die Immobilienwirtschaft bereitsteht, um mehr bezahlbaren Wohnraum in allen Marktsegmenten zu schaffen. „Wir wollen gerne bauen, die aktuelle Situation mit sinkenden Kaufpreisen, hohen Bauzinsen und steigenden Baukosten verhindert das aber“, brachte es Projektentwickler Rainer Bahr auf den Punkt. Die Vielzahl von komplexen, sich teilweise widersprechenden Anforderungen und die langwierigen Verfahren im Neubau erschweren das Bauen über die Maßen. „Wir müssen runter von den hohen Standards und die Planungsprozesse vereinfachen, dann wäre viel gewonnen.“

Ins selbe Horn stieß auch Franz-Bernd Große-Wilde. Er wies darauf hin, dass die von ihm geführte Genossenschaft Durchschnittsmieten von nur etwas über 5 Euro hat. „Bei den aktuell extrem hohen Baupreisen, viel zu wenig staatlicher Förderung und den immer weiter steigenden Anforderungen an den Wohnungsbau lässt sich bezahlbarer Wohnraum so nicht finanzieren“, sagte Große-Wilde.

 

 

Einen großen Raum in der Gesprächsrunde auf dem Parlamentarischen Abend nahm die Frage ein, wie die Klimaschutzziele mit dem Bedürfnis nach bezahlbarem Wohnungsbau in Einklang gebracht werden können. „Der Fokus der Politik sollte nicht auf der Energieeffizienz, sondern auf der Emmissionseffizienz liegen“, regte LEG-Chef Lars von Lackum an. Die aktuelle Fokussierung führt zu übermäßigen Investitionen in den Gebäudekörper, die zu teuer sind. Von Lackum schlug vor, lieber das Nutzerverhalten zu beeinflussen. An einem plastischen Beispiel berichtete er:

Es gilt, den Mieter zu überzeugen, nicht seinen Thermostat hoch zu drehen und gleichzeitig sein Fenster auf „kipp“ zu stellen. „Wir haben mit solch einfachen Mitteln im letzten Jahr in einem Testbestand eine Einsparung von rund acht Prozent erreicht. Auch mit grüner Wärme lässt sich der CO2-Fussabdruck deutlich schneller und effizienter reduzieren als mit weiterer Dämmung des Gebäudekörpers“, stellte der Vorstandsvorsitzende der LEG fest.
Diese Sichtweise teilt auch Große-Wilde. „Die vorgesehenen Effizienzmaßnahmen an Gebäuden wie beispielsweise die Dämmung sind extrem teuer.“ Der Vorstandschef des Dortmunder Spar- und Bauvereins hält es für viel besser, wenn die Politik auf eine CO2-ärmere Energieversorgung der Gebäude, erneuerbare Energieerzeugung vor Ort als Mieterstrom und auf die Einbeziehung des gesamten Lebenszyklus des Gebäudes statt nur auf teure Einzelmaßnahmen setzt. „Hier brauchen wir einen Sinneswandel für pragmatischen Klimaschutz im Gebäudebereich.“

Sylvia Pruß, Geschäftsführerin der Straußberger Pruß Hausverwaltung e.K., machte auf ein weiteres Hindernis aufmerksam. Zwischen dem Willen zur Sanierung und der Umsetzung der Baumaßnahme verfließt oft zu viel Zeit. Hier muss der Gesetzgeber tätig werden und das Instrument der reinen Online-Versammlung für Wohneigentümer-Gemeinschaften einführen. Das vereinfacht notwendige Kommunikationsprozesse erheblich und es ermöglichen, Sanierungsbeschlüsse leichter zu fassen.

 

 

 

Neben der großen Politik muss auch die Kommunalpolitik konsequent für den Wohnungsbau agieren und nicht blockieren. „Gemeinderäte dürfen nicht verhindern, dass ein Bauträger Wohnungen innerhalb des Bebauungsplans errichten kann“, brachte die Maklerin Sarah Zickler ein weiteres Hindernis zur Sprache. Investoren müssen mehr ermutigt werden, sich in den Wohnungsmärkten zu engagieren.