Photovoltaik, Mieterstrom und E-Ladeinfrastruktur

14. Dezember 2022


Ohne einen massiven Ausbau von regenerativen Energiequellen werden wir die Energiewende nicht hinbekommen. Im April 2023 werden in Deutschland die letzten drei Atomkraftwerke abgeschaltet. Seit dem Jahr 2020 erfolgt jedes Jahr die Abschaltung von Kohlekraftwerken gemäß dem Kohleausstiegsgesetz, bis im Jahr 2038 das letzte Kohlekraftwerk vom Netz geht. Es ist erforderlich, dass zukünftig jedes geeignete Gebäude mit einer Strom-erzeugung via Photovoltaik (PV)-Anlage zum Energieerzeuger wird. Und jedes Gebäude wird zukünftig zur Tankstelle, weil mit der Energiewende auch eine Verkehrswende einhergeht. Das Gebäude-Elektromobilitätsinfra-struktur-Gesetz (GEIG) zwingt Eigentümer von Mehrfamilienhäusern zum Bau von Ladepunkten.

Von Stefan Strenge

Das Wohnungsunternehmen (WU) dieses Projektbeispiels verwaltet über 7.200 Wohnungen und möchte zukünftig für den gesamten Bestand Eigenstromerzeugungsanlagen umsetzen. Bei zwei Mehrfamilienhäusern steht der selbst erzeugte Sonnenstrom den Bewohnern bereits zur Verfügung. Die Konzeption der PV-Anlagen sieht einen möglichst hohen Eigenverbrauchsanteil vor, um ein wirtschaftliches Optimum zu erreichen. Das Zusammenwirken mit einer E-Lade-Infrastruktur und einem Batteriespeicher verbessert die Energiebilanz und stellt die Zukunftsfähigkeit sicher.

Analyse und Konzeptentwicklung

Am Anfang standen Fragestellungen zum aktuellen Planungs-Stand des Bauvorhabens im Vordergrund. Diese betrafen die Ausstattung der technischen beziehungsweise elektrotechnischen Gegebenheiten wie zum Beispiel die Hausanschlüsse mit den Leistungsdaten, den Baukörper schwerpunktmäßig mit dem Dach, die Wohneinheiten und die Stellplatz-Situation. Auf dieser Basis wurde eine Analyse erstellt, die die Grundlage für die Konzeptentwicklung war.

E-Ladeinfrastruktur

Anhand der Nutzerprofile und der zur Verfügung stehenden elektrischen Leistung wurden Simulationsberechnungen erstellt. Das Ergebnis: Im Endausbau ist es möglich, an jedem der beiden Hausanschlüsse sechs 11-kW-Ladepunkte zu betreiben. Der Betrieb der Ladepunkte ist nur möglich, wenn ein volldynamisches Last- und Lademanagementsystem (LLM) zum Einsatz kommt. Mit diesem System werden die Lasttäler in der Nacht und zum Teil am Tag genutzt, um die freie Leistung für die E-Mobilität zur Verfügung zu stellen. Die vom Netzbetreiber vorgegebene Maximalleistung darf hierbei nicht überschritten werden, und die Wohnungen müssen immer Vorrang vor der Ladeinfrastruktur haben. Diese Funktionalität wird mit einem volldynamischen LLM erreicht.

Photovoltaikanlage 

Zum Erreichen des wirtschaftlichen Optimums sollte möglichst viel Sonnenstrom im Haus verbraucht und möglichst wenig Strom in das öffentliche Netz eingespeist werden, weil die Einspeisevergütung nur gering ist. Stromerzeugung und Stromverbrauch müssen gut aufeinander abgestimmt sein. Der Stromertrag von der Sonne wurde auf Grundlage der möglichen Generatorleistung berechnet. Der Lastgang mit dem prognostizierten Jahresstromverbrauch ist ebenfalls Bestandteil der Berechnungen. Die Abbildung 1 zeigt die Dächer der beiden Häuser mit den PV-Anlagen.

Mieterstrom

Es ist nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll, einen hohen Anteil des auf dem Hausdach erzeugten Strom direkt vor Ort zu verbrauchen, sondern auch aus ökologischer Sicht. Der Strom, der nicht ins öffentliche Netz fließt und vor Ort verbraucht wird, hat einen kurzen verlustarmen Weg. Das verbessert die Ökobilanz.

Beim Mieterstrom gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten für die Umsetzung:
a) Das Pachtmodell oder b) das Lieferkettenmodell. Bei diesem Projekt kommt das Lieferkettenmodell zum Einsatz. Das WU wird Eigentümer der PV-Anlage. Im Gegensatz zum Pachtmodell sind höhere Erträge möglich, die sich positiv auf die Amortisation auswirken. Die Abbildung 2 zeigt den kumulierten Cashflow.

Die Bedingungen für den Mieterstrom sind im Mieterstromgesetz geregelt. Der Mieterstromtarif muss mindestens zehn Prozent unter dem Grundversorgertarif liegen. Für die Stromlieferung an die Mieter sind energiewirtschaftliche Prozesse zu beachten. Ergänzend zu den Abrechnungsprozessen sind sogenannte Marktprozesse mit den Netzbetreibern und den Stromlieferanten der Residualstromlieferungen erforderlich. Die benötigten Dienstleistungen wurden in einem Gesamtkonzept erarbeitet und beschrieben. Als Zielsetzung für die weitere Vorgehensweise wurde entschieden, die Leistungen an externe Unternehmen zu vergeben.

Ausschreibung

Auf Grundlage der Konzeptbeschreibung ist ein Pflichtenheft mit den Anforderungen für jedes Gewerk (E-Ladeinfrastruktur, Photovoltaikanlage, Mieterstrom) entwickelt worden. Das anschließende Ausschreibungsverfahren hat dazu geführt, dass das WU geeignete Dienstleister mit dem bestmöglichen Preis-/Leistungsverhältnis beauftragt hat. 

Fazit

Bereits während des Projektverlaufs hat sich gezeigt, dass es vorteilhaft ist, die Gewerke Photovoltaik, Mieterstrom und E-Ladeinfrastruktur gesamtheitlich zu betrachten. Die grundsätzlichen Überlegungen und detaillierten Abstimmungsgespräche während der Konzeptphase führten zu einer präzisen Formulierung der Anforderungen. Im Ergebnis wurden Dienstleistungsunternehmen gefunden und beauftragt, die das Geforderte bieten und das wirtschaftlich beste Angebot unterbreiteten.

 

Fotos: © Hansa Energie Service GmbH & Co. KG