Sondereigentum – gemeinschaftliches Eigentum – Gemeinschaftsvermögen

2. Oktober 2023


Gerichtliche Entscheidung — gerade auch in WEG-Sachen — tragen häufig zur Klärung von rechtlichen Einzelfragen bei. Dabei kann man gelegentlich den Eindruck gewinnen, dass auch entlegene juristische Ecken noch voll ausgeleuchtet werden. Andererseits können im Rahmen eines Rechtsstreits aber auch Entscheidungen entstehen, die nicht das Detailwissen bereichern, sondern ein übergeordnetes Verständnis des Wohnungseigentumsrechts an sich fördern. Solche Entscheidungen sind nützlich, weil sie das Strukturwissen, also das Verständnis der rechtlichen Struktur stärken.

Von Rechtsanwalt Dr. Niki Ruge

Zum wohnungseigentumsrechtlichen Basiswissen zählt, dass es Sondereigentum und gemeinschaftliches Eigentum gibt. Letzteres wird in der Praxis manchmal als Gemeinschaftseigentum bezeichnet. Sogar der Bundesgerichtshof (BGH) verwendet diese Bezeichnung, obgleich das Gesetz selbst durchgehend vom gemeinschaftlichen Eigentum spricht. Daneben gibt es noch das Gemeinschaftsvermögen. Dazu zählt alles das, was einer Wohnungseigentümergemeinschaft gehört. Gemeinschaftseigentum und Gemeinschaftsvermögen sind keineswegs miteinander identisch. Vielmehr müssen beide Bereiche strikt voneinander getrennt werden, will man rechtliche Fehlbeurteilungen vermeiden. Auch deshalb ist die Bezeichnung „Gemeinschaftseigentum“ zumindest unglücklich. Vom gemeinschaftlichen Eigentum zu sprechen, trifft die Sache immer noch am besten.

Drei unterschiedliche rechtliche Bereiche

Sondereigentum ist in erster Linie das Eigentum an den Räumen einer Wohnung oder eines gewerblich genutzten Objektes. Hier kann der Eigentümer grundsätzlich nach Belieben schalten und walten. Neu durch das WEMoG geschaffen wurde die Möglichkeit, das Sondereigentum auf Teile der Grundstücksfläche zu erstrecken. Auf diese 02Weise kann Sondereigentum nunmehr auch an beispielsweise Terrassen und Gartenanteilen entstehen. Früher konnten vergleichbare wirtschaftliche Ergebnisse nur vermittels der Bestellung von Sondernutzungsrechten erzielt werden.

Dem Sondereigentum steht das gemeinschaftliche Eigentum gegenüber. Dazu zählen das Grundstück und das Gebäude, soweit sie nicht im Sondereigentum oder im Eigentum eines Dritten stehen. Juristisch betrachtet handelt es sich um Miteigentum. Die Gegenstände des gemeinschaftlichen Eigentums haben also nicht nur einen, sondern mehrere Eigentümer.

Tatsächlich ist jeder Wohnungs- und Teileigentümer auch Miteigentümer im Hinblick auf das gemeinschaftliche Eigentum. Der Grund dafür liegt in der gesetzlichen Konzeption, die Wohnungs- und Teileigentum immer als Verbindung von Sondereigentum mit einem Anteil am gemeinschaftlichen Eigentum (Miteigentumsanteil) konstruiert. Jedenfalls im Grundsatz kann der einzelne Eigentümer hier nicht alleine handeln; er ist vielmehr auf eine Abstimmung mit den anderen Miteigentümern angewiesen.
Der dritte Bereich ist das Gemeinschaftsvermögen. Um diese Rechtsfigur richtig zu erfassen, muss man zunächst das Wesen der Wohnungseigentümergemeinschaft verstehen. Jede Wohnungseigentümergemeinschaft besitzt eine eigene Rechtspersönlichkeit. Sie kann Rechte erwerben und Verpflichtungen eingehen. Insoweit bestehen durchaus Parallelen zu einer GmbH oder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Beispielsweise kann eine Gemeinschaft Gartengeräte anschaffen, einen Kredit aufnehmen oder sogar eine Immobilie erwerben. Berechtigt und verpflichtet ist in diesem Fall aber immer die Gemeinschaft selbst. Sie wird Eigentümerin der Gartengeräte oder der Immobilie. Der einzelne Wohnungseigentümer ist insoweit weder Eigentümer noch Miteigentümer. Vom Gemeinschaftsvermögen gehört ihm nichts.

Landgericht München I, Beschluss vom 8. November 2022 – 36 S 6500/22 WEG

Innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft gibt es eine Fläche, die gemeinschaftsintern als „Rezeption und Kiosk“ bezeichnet wird. Sie gehört zunächst zum gemeinschaftlichen Eigentum, wird dann aber in Sondereigentum umgewandelt und künftig als Sondereigentumseinheit Nummer 101 b geführt. Dieses Sondereigentum erwirbt später die Gemeinschaft selbst. Einer der Eigentümer in der Anlage beansprucht für sich, die Sondereigentumseinheit Nummer 101 b mitzubenutzen. Sie zähle ja zum gemeinschaftlichen Eigentum.

Weit gefehlt! Die Einheit war zwar ursprünglich gemeinschaftliches Eigentum, wurde dann aber in Sondereigentum überführt. Ab diesem Zeitpunkt gab es kein Recht zur Mitbenutzung mehr. Daran ändert auch der nachfolgende Erwerb durch die Gemeinschaft nichts. Denn dieser Erwerb begründet Eigentum der Gemeinschaft; sie ist Eigentümerin der Einheit Nummer 101 b. Dementsprechend handelt es sich um Gemeinschaftsvermögen und gerade nicht um gemeinschaftliches Eigentum. In diesem dritten Bereich findet kein Mitgebrauch statt (siehe § 16 Abs. 1 Satz 3 WEG).

Schlussfolgerungen für die Verwaltungspraxis

Die gedankliche Unterscheidung und richtige Zuordnung zu den drei rechtlichen Bereichen Sondereigentum, gemeinschaftliches Eigentum und Gemeinschaftsvermögen muss jeder WEG-Verwalter leisten können. Das gehört quasi zur handwerklichen Grundausstattung. Nur so lassen sich nämlich im Rahmen des Verwaltungsalltages auftretende Fragestellung zielsicher und zutreffend beantworten. Hilfreich ist, sich die rechtliche Struktur zu merken: Im Sondereigentum dominiert der einzelne Wohnungs- oder Teileigentümer. Im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums ist seine Position schwächer, weil es neben ihm noch weitere Miteigentümer gibt, deren Interessen ebenfalls Berücksichtigung finden müssen. Das Gemeinschaftsvermögen hingegen gehört ausschließlich der Wohnungseigentümergemeinschaft.

Über das Gemeinschaftsvermögen oder einzelne Gegenstände davon können die Wohnungseigentümer gemäß Paragraph 19 Absatz 1 WEG eine ordnungsgemäße Benutzung beschließen. Auf diesen Weg hätte sich der Kläger in der Entscheidung des Landgerichts München I begeben müssen. Er hätte darauf hinwirken sollen, dass die Gemeinschaft eine Benutzungsordnung im Hinblick auf das Sondereigentum 101 b beschließt. Im Rahmen eines solchen Benutzungsbeschlusses hätten dann Regelungen für eine Mitbenutzung oder abwechselnde Benutzung getroffen werden können. Darin zeigt sich der Unterschied zum gemeinschaftlichen Eigentum, das ohne weiteres ein Recht zum Mitgebrauch kennt.

 

 

Foto: Dudlajzov/depositphotos