Spotmarkt vs. Terminmarkt

18. Oktober 2022


Die hohen Energiepreise für Strom und Gas sind aktuell ein großes Thema. Der anhaltende Ukrainekrieg verstärkt diese Entwicklung noch zusätzlich. In dieser Situation ist es für alle Immobilienunternehmen von bedeutender Wichtigkeit eine moderne Energie-Beschaffungsstrategie einzurichten. Vor diesem Hintergrund nimmt Henry Möller, Energieexperten bei der Hanseatisches Energiekontor GmbH, den Vergleich von Spotmarkt und Terminmarkt vor.

Von Henry Möller

Die Zeiten, in denen rein statische Terminmarktmodelle den Markt bestimmt haben, sind vorbei. Im Laufe der letzten Jahre ließ sich eine deutliche Zunahme an unterschiedlichsten Spotmarkt-Produkten verzeichnen. Anfangs meist Großabnehmern vorbehalten, ist der Zugang zum flexiblen Spotmarkt mittlerweile auch für die Immobilienwirtschaft möglich.

Doch der Reihe nach: Die stetig steigenden Energiepreise auf dem Terminmarkt haben in der Energiebeschaffung von Unternehmen zu einem allgemeinen Umdenken geführt. Stand heute finden sich deutlich mehr dynamische und flexible Tarifmodelle für alle Kundengruppen auf dem Markt als noch vor ein paar Jahren. Auch die Vielfalt an unterschiedlichen Tarifmodellen hat zugenommen. Selbst kleinere Immobilienunternehmen können ihre Energie mittlerweile direkt von der Börse beziehen.

Großes Potenzial

Besonders in Kombination mit intelligenten Mess-Systemen zeigt der Bezug von Strom über den Spotmarkt sehr großes Potential auf. Auch Privatpersonen könnten in Zukunft enorm von dieser Wende profitieren, da sie den eigenen Verbrauch in Kombination mit einer Eigenerzeugungsanlage selbst steuern könnten. Die Entscheidung, zu welchen Preisen Sie Ihr E-Auto laden oder Ihre Waschmaschine laufen lassen, liegt dann ganz bei Ihnen. Der Kunde hat also die Möglichkeit, den Verbrauchszeitpunkt zu steuern und so den Verbrauch nach den tagesaktuellen, günstigen Spotpreisen zu optimieren. Dem Spotmarkt gehört die Zukunft, doch aktuell ist dieser noch sehr unbekannt. Bisher kennen zirka 18 Prozent der Deutschen die Energiebeschaffung über den Spotmarkt. Mittel- beziehungsweise langfristig werden wohl mehr und mehr Energieversorger auf den flexiblen Spotmarkt zurückgreifen und mit großem  Schwerpunkt dynamische Tarife anbieten. Ein Grund dafür ist der stetig steigende Anteil an erneuerbaren Energien. Durchschnittlich lag der Anteil der an der Stromerzeugung beteiligten erneuerbaren Energien in den letzten zwölf Monaten deutschlandweit bei 51,6 Prozent. Ein weiterer Grund für die steigende Nachfrage sind die kundenseitigen positiven Erfahrungen mit dem Spot-Modell. Daraus resultiert eine erhöhte Nachfrage der Kunden bei den Versorgern zu diesem Modell.

Rückblick

Ein Blick auf die Preisentwicklung (siehe Grafik S. 49) der letzten Jahre macht deutlich: Spot-Produkte oder Produkte mit Spot-Anteil waren gegenüber dem Terminmarkt im Vorteil. Ein entscheidender Faktor war dabei der Beschaffungszeitraum. Eine Beschaffungsstrategie über einen längeren Zeitraum hat sehr vom Spot profitiert, da kurzfristige Preisschwankungen nahezu keinen Einfluss hatten.

Kostenvergleich

Natürlich ist die aktuelle Situation am Energiemarkt schwer einzuschätzen. Während der Terminmarkt seit Jahren stetig ansteigt, hat auch der Spotmarkt steigende Preise zu verzeichnen. Nun stellt sich die Geschäftsführung oder der Einkauf eines Immobilienunternehmens die Frage: Welches Modell lohnt sich für mich? Beziehungsweise welches Modell ist gerade zum jetzigen Zeitpunkt die richtige Strategie? Für die steigenden Energiepreise sind mehrere Faktoren verantwortlich. Neben der mittlerweile mehr als zwei Jahre andauernden Corona Pandemie und der damit verbundenen Unsicherheit spielen auch steigende Öl- und Kohlepreise und die EU-Klimaziele beziehungsweise die steigenden Preise für Emissionszertifikate eine Rolle. Ebenfalls ein aktueller Faktor ist die geopolitische Situation in der Ukraine. Aber es gibt auch positive Nachrichten: die wachsende Anzahl an Wind- und Solarenergie beeinflusst den Markt zunehmend und das meist in die positive Richtung.

In Echtzeit

Beim Spotmarkt treffen im Vergleich zum Terminmarkt Angebot und Nachfrage in Echtzeit aufeinander. Konkret: An besonders sonnigen oder windigen Tagen laufen die Windkraftwerke und Photovoltaikanlagen auf Hochtouren. Die Folge: Der hohe Anteil erneuerbarer Energien drückt den Spotpreis nach unten. Übersteigt das Angebot die Nachfrage, rutscht der Preis teilweise sogar in den negativen Bereich. Über einen kurzen Zeitraum betrachtet gibt es sowohl nach unten als auch nach oben einige Extreme. Diese Ausreißer scheinen erstmal davon abzuschrecken, aber beim Spot darf nicht nur ein kurzer Zeitraum betrachtet werden, sondern am besten das Jahresmittel. Wie die Grafik verdeutlicht, liegt der Spotmarkt im Schnitt deutlich unter dem Terminmarkt. Im Vergleich dazu kann der Einkaufszeitpunkt am Terminmarkt wortwörtlich der ungünstigste sein. Läuft der bisherige Vertrag aus und es wird dringend ein Anschlussvertrag benötigt, müssen sich Einkauf und Geschäftsleitung binnen kurzer Zeit festlegen. Dann bindet sich das Unternehmen über eine meist lange Laufzeit an einen Vertrag zu sehr hohem Preis. Somit birgt der vermeintlich sichere und planbare Terminmarkt auch enorme Risiken. Außerdem kann bei Mehr- oder Minderbedarf an Energie eine Vertragsstrafe greifen, die zu hohen Mehrkosten führt. Zusätzlich werden insbesondere im aktuellen Marktumfeld durch die unverhältnismäßigen Preisschwankungen und Unsicherheiten auf Terminmarktangebote extreme Preisaufschläge erhoben, als Risikoabsicherung für den Versorger. Dies führt gerade im Moment dazu, dass auch viele Versorger überhaupt keine Terminmarktangebote mehr legen.

All diese spekulativen Risikofaktoren auf einen günstigeren Preis oder um die richtige Bedarfsmenge im Voraus fest-
zulegen, gibt es am Spotmarkt nicht. Der Energiebedarf wird am Spotmarkt lediglich einen Tag im Voraus beschafft, was maximale Flexibilität mit sich
bringt.

Fazit und Ausblick

Schlussfolgernd ist die Spotmarktbeschaffung also in den letzten Jahren eine sehr stabile Beschaffung gewesen. Kombiniert mit der Beschaffung einer kleinen Menge im Terminmarkt war der Spotmarkt unschlagbar, wie auch eine Studie zum Thema Energiebeschaffung von Kreutzer Consulting belegt. Je höher der Spotmarktanteil, desto mehr profitiert der Abnehmer von Preisschwankungen, und das Risiko ist, bedingt durch die hohe Anzahl an Einkaufszeitpunkten im Spotmodell über das gesamte Jahr, überschaubar.

In der aktuellen Situation bewährt sich das Modell der reinen Spotmarktbeschaffung, also ein 100-Prozent-Energieeinkauf auf dem Spotmarkt. Dadurch erhält man maximale Flexibilität, geringere Risikoaufschläge und niedrigere Preise im Vergleich zum Terminmarkt.

Ruhe bewahren

Abschließend lässt sich sowohl aus den zurückliegenden Jahren als auch aus der aktuellen Marktsituation sagen, dass man sich von Preisschwankungen nicht verrückt machen lassen sollte. Ruhe bewahren und erstmal abwarten, ist definitiv die bessere Wahl, als kurzfristig in den Terminmarkt einzusteigen und plötzlich deutlich teurere Preise zu bekommen. Denn was oft vergessen wird: bei manchen Anbietern ist ein kurz-fristiger Wechsel von Spotmarkt zu Terminmarkt möglich. Aber im Terminmarkt wird normalerweise die Energie für mindestens ein Jahr im Voraus eingekauft. Wenn also heute die Energie für morgen und den Rest des Jahres im Terminmarkt eingekauft werden muss, dann zu einem sehr hohen Preis, der deutlich über dem Spotmarktpreis liegt.

Außerdem darf nicht unterschätzt werden: die Energiewende schreitet stetig voran und mit jedem Anteil an erneuerbarer Energie hat auch der Spotmarkt großes Potential, deutlich unter dem Terminmarkt zu liegen. Flexible Preise in Kombination mit smarten Optimierungstools werden also zum Standard werden.

 

Grafik: Spotmarkt vs. Terminmarkt 2018 – 03.2022