Technologie für modernes Makeln

20. Juni 2023


Ihre Vision begann mit dem Gedanken, das komplette Maklerbüro auf dem Smartphone zu haben. Das Startup Evernest fällt auf — vor allem durch groß angelegte analoge Werbekampagnen in den Metropolen. Wer ist diese neue junge Marke? Auf dem Kompass der Maklerbranche verorten sie sich selbst zwischen Franchise und Technologieunternehmen. Was das bedeutet, hat das AIZ-Immobilienmagazin die Geschäftsführer Christian Evers und Stefan Betzold gefragt.

Interview von Jan Kricheldorf

AIZ: Herr Evers, Herr Betzold, warum haben Sie Evernest gegründet?

Christian Evers: Wir wollten eine Technologieplattform entwickeln, die den gesamten Prozess der Transaktion von Wohnimmobilien komfortabler und effizienter gestaltet: Für Makler, Käufer und Verkäufer. Dafür kombinieren wir das lokale Beratungs-Know-how unserer
Immobilienberater mit einer selbst entwickelten Software und effizienten Marketing- und Supportprozessen. Wir sind 2019 in Hamburg gestartet und arbeiten mittlerweile mit mehr als 250 Personen an fünf deutschen Standorten sowie in Madrid.

Wie profitieren Makler von Ihrer Lösung?

Christian Evers: Gängige Maklersoftware reichte uns nicht aus: Entweder waren es lokale Lizenzlösungen, die direkt für Makler konzipiert wurden, oder es waren globale Systeme, die an die Bedürfnisse der Makler nur notdürftig angepasst waren. Wir wollten eine Software, die bekannte Schwachstellen umschifft, schnell ist und auf allen mobilen Endgeräten funktioniert.

Unsere Technologie soll Maklern helfen, effizienter zu arbeiten. Inspiriert hat mich eine Reise in die USA. Das Unternehmen Compass hat genau das angeboten: Eine Kombination aus Maklertätigkeit in Metropolregionen und eigens gebauter Technologie — mit Erfolg. Ich wollte so etwas für den deutschen Markt etablieren. So wurde damals unsere Geschäftsidee geboren.

Welche Erfahrungen bringen Sie mit?

Christian Evers: Ich war fünf Jahre im Vorstand von Engel & Völkers. Hier war ich auch international für den Aufbau großer Büros zuständig. Zudem hatte ich die Verantwortung für die Tech-Plattform unserer Makler und Lizenzpartner. Hier ist mir aufgefallen, dass Systeme nur beschränkt modifiziert werden können und mit bestehender Software manche Idee unmöglich umgesetzt werden kann.

Stefan Betzold: Ich war über elf Jahre im Media Business bei Axel Springer, welcher auch viele Firmen im Immobiliensegment besitzt. Zu dieser Zeit hat die Transformation von Print zu 24/7 Journalismus stattgefunden: Plötzlich war nicht mehr der Andruckzeitpunkt der Zeitung relevant, sondern Informationen mussten ständig, 24 Stunden, sieben Tage die Woche, publiziert werden können. Das mobile Zeitalter war angebrochen. Es war die digitale Revolution. Diese Entwicklung hatte selbstverständlich Einfluss auf alle Geschäftsbereiche: Die Tools, die Abläufe, die Prozesse, alles musste angepasst werden, um den neuen Anforderungen zu genügen.

Homeday hat als digitaler Makler angefangen, wurde später zum hybriden Makler und kehrte später stärker zum People’s Business zurück. Diesen Ansatz haben Sie von Anfang an berücksichtigt?

Christian Evers: Für mich ist der Begriff Hybridmakler immer etwas sperrig. Was genau soll das bedeuten? Die klassischen Makler nutzen ja auch Technologie für ihre tägliche Arbeit. Und wenn man sich stärker den technologischen Fortschritt zu Nutze macht, ist man dann kein normaler Makler mehr? Diese Skepsis gab es auch in den USA, als Compass auf den Markt kam. Tatsächlich ist es doch so, dass neue Technologie den Maklern und Kunden zugute kommt.

Das ausschlaggebende Argument scheint die mobile Nutzbarkeit der Systeme und Daten zu sein? Im Grunde ist dies nur ein Kanal von vielen. Oder?

Stefan Betzold: Absolut. Es ist lediglich ein Kanal, dennoch in der heutigen Zeit nicht wegzudenken, gerade beim Maklerberuf. Ein Makler ist selbstredend viel unterwegs und sollte, egal, ob am Desktop oder am Smartphone arbeiten können. Die Möglichkeit, die Plattform von allen Endgeräten aus zu nutzen, ist etwas, was heutzutage Standard sein sollte.

Weshalb haben Sie sich entschieden, ein neues Tool zu entwickeln, anstatt Bestehendes auf Ihre Bedürfnisse anzupassen?

Es war für uns erstrebenswert, eine Technologie zu entwickeln, bei der wir die Software selbst konzipieren. Innovative Weiterentwicklung, wie wir es uns vorstellen, ist nur so möglich. Ein Log In, ein User Interface. So können wir auch neue Programme wie zum Beispiel Chat GPT leicht andocken. Wir möchten die Welt nicht neu erfinden, wir möchten Flexibilität und Innovation. Auch zeichnet unsere Marke nicht nur die technologische Seite aus. Wir setzen auf eine Kombination aus Technik, persönlicher Beratung samt Aus- und Weiterbildung, Vertriebssteuerung und Marketing.

Ihr Konzept erinnert an einen Mix aus McMakler und dem altbekannten Franchise-Modell.

Christian Evers: Gewissermaßen gibt es Ähnlichkeiten zum Franchise-Modell. Wir haben uns aber vielmehr an den großen, digitalen Plattform-Modellen orientiert. Wir wollten keine hohen Anfangsinvestitionen und mehr Flexibilität für die Partner, kürzere Laufzeiten und keine komplizierten Kunden-Zuführungsmodelle. Wir aber wünschten uns Flexibilität und die Fähigkeit, regional übergreifend arbeiten zu können. Das Problem im traditionellen Franchise ist, dass jeder Lizenznehmer seine Daten in ein persönliches Datensilo speist und übergreifendes Geschäft nur sehr schwierig möglich ist.

Sind Sie nur in den Metropolen vertreten oder auch in kleineren Städte und ländlichen Regionen?

Stefan Betzold: Bislang hatten wir das Ziel, uns auf europäische Metropolen zu fokussieren. Die steigende Nachfrage aus anderen Städten führte nun zu der Entscheidung, unsere Plattform für Makler in Regionen zu öffnen, in denen wir nicht mit eigenen Sales-Teams präsent sind. Dabei bieten wir erfahrenen Makler-Teams an, unsere Plattform, unsere Marke sowie ein flexibles 360°-Marketing- und Serviceangebot für ihre Makler-Tätigkeit zu nutzen.

Also von den Big Seven Deutschlands geht es jetzt auch nach Münster und Umland.

Stefan Betzold: Aus meiner Sicht ist es einfacher, von einer großen Stadt aufs Land zu gehen, als umgekehrt. Daher haben wir unser Angebot von den Metropolen Deutschlands auf kleine Großstädte mit 100.000 bis 500.000 Einwohnern ausgeweitet. Sicher sind auch Städte mit großem Einzugsgebiet interessant. Ein Beispiel hierfür stellt Münster dar. Die Stadt steht größenmäßig in etwa auf Rang 20, zusammen mit dem Münsterland ergeben sich respektable Zahlen.

Wieso haben Sie sich direkt zum Markteinstieg die Großstädte vorgenommen?

Christian Evers: Natürlich ist in den deutschen Großstädten der Wettbewerb am größten. Aber es ist einfacher, in einer Stadt mit hoher Bevölkerungsdichte eine Marke zu etablieren. Der Finanzierungsaufwand für den Aufbau einer nationalen Marke ist erheblich und nicht einfach zu refinanzieren. Zudem ist bei unserem Konzept und der anvisierten Zielgruppe eine persönliche und lokale Beratung entscheidend, dafür müssen wir eng am Kunden arbeiten.

Ausgelöst durch den Ukraine-Krieg haben wir aktuell einen angespannten Markt. Eine Zukunftsprognose ist schwer. Wie gehen Sie mit dieser Unsicherheit um?

Christian Evers: Wir sehen das Immobiliensegment weiterhin als sichere Bank. Kurz nach unserer Gründung vor drei Jahren kam Corona, dann der Ukraine-Krieg samt Energiekrise und Inflation. Dennoch hat sich unser Geschäft positiv entwickelt. Man muss jetzt noch präziser arbeiten. Schließlich ist der Bedarf da, aber die Finanzierung bei vielen potenziellen Immobilienkäufern schwierig.

Stefan Betzold: In großen Städten gab es schon immer einen Nachfrageüberhang. Dieser ist kleiner geworden, aber vorhanden. Jetzt geht es darum, jene Interessenten zu finden, die kaufwillig sind und sich die Immobilie tatsächlich leisten können. Genau diese Menschen sollte man als Makler im Auge behalten. Und hier setzt Technologie an: Sie soll helfen, aus den Nachfragern diejenigen zu ermitteln, die in der Lage und willens sind, zu kaufen.

 

Foto: © Evernest