Utopien schützen das Klima nicht

1. Mai 2023


Viele Hauseigentümer werden durch die neue europäische Gebäuderichtlinie stark belastet, insbesondere Geringverdiener und Menschen mit mittlerem Einkommen. Eine umfassende Sanierung ihres Wohneigentums innerhalb kurzer Fristen wäre für sie kaum realisierbar. Dabei gibt es sinnvolle Alternativen, um die Klimaschutzziele zu erreichen.

Jürgen Michael Schick

Ich fürchte, dass viele Hauseigentümer durch die neue europäische Gebäuderichtlinie in Not geraten werden. Die radikale Position des Europäischen Parlaments, die im weiteren Gesetzgebungsverfahren zur Anwendung kommen könnte, würde zu einem umfangreichen Sanierungszwang führen. Laut den Plänen des Parlaments sollen alle Wohnhäuser bis 2030 mindestens die Energie-effizienzklasse E und bis zum Jahr 2033 mindestens die mittlere Energieeffizienzklasse D erreichen. Von diesen Plänen wären besonders viele Ein- und Zweifamilienhäuser betroffen, rund 40 Prozent der 16 Millionen Eigenheime in Deutschland befinden sich noch in den Energieklassen G und H und sind kaum saniert.

Dabei steht für alle Akteure fest: Um die Klimaschutzziele zu erreichen, ist es wichtig, einen emissionsfreien Gebäudebestand zu schaffen. Allerdings sollten bei der Festlegung von Sanierungspflichten die Realitäten der betroffenen Hauseigentümer stärker berücksichtigt werden. Baumaterial und technische Anlagen sind knapp und teuer geworden, während Fachleute nicht immer verfügbar sind. Insbesondere Geringverdiener und Menschen mit mittleren Einkünften haben zudem oft nicht genug Erspartes, um eine umfassende Modernisierung ihres Wohneigentums in einem kurzen Zeitraum zu finanzieren.

Fordern und Fördern gehören zusammen

Die Finanzierung von Sanierungsmaßnahmen gestaltet sich hinsichtlich des Eigenkapitals und der Bonität anspruchsvoller, was insbesondere für ältere Menschen zu einem Problem wird. Sie können sich eine Finanzierung oft nicht mehr leisten oder erhalten erst gar keine Zusage für einen neuen Kredit. Aus diesem Grund sollten Sanierungspflichten und Fördermaßnahmen an die finanziellen Möglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger angepasst werden, um eine erfolgreiche Umsetzung der Klimaschutzziele zu erreichen. Natürlich gibt es Förderungen für Sanierungsmaßnahmen, wie beispielsweise der Zuschuss von 25 Prozent der Kosten für eine Luftwärmepumpe seitens des Bundes. Allerdings relativiert sich dieser Betrag oft wieder, denn wir reden schnell über Gesamtkosten von 30.000 Euro, bei denen erst einmal 100 Prozent vorgestreckt werden müssen.

Sanierungspflicht erst bei Eigentümerwechsel

Deshalb schlägt der IVD nun vor, im kommenden Trilog zwischen Kommission, Parlament und Rat zum ursprünglichen Vorschlag des Europäischen Rates zurückzukehren. Dort wird eine Sanierungspflicht für Wohnhäuser bis zehn Einheiten erst bei Eigentümerwechsel eingeführt und der neue Eigentümer muss innerhalb von fünf Jahren nach dem Kauf energetisch sanieren. Ich halte dies für einen guten Lösungsansatz, da der neue Eigentümer weiß, worauf er sich beim Erwerb der Immobilie einlässt und entsprechend planen kann.

Ich erwarte vom Europäischen Parlament und dem Deutschen Bundestag als nationalem Gesetzgeber eine breite Förderung energetischer Sanierungsmaßnahmen. Hierbei sollten direkte Zuschüsse, vergünstigte Darlehen sowie der Werbungskosten- und Schuldzinsenabzug für Selbstnutzer eine zentrale Rolle spielen. Dabei müssen insbesondere niederschwellige Maßnahmen wie der Austausch von Fenstern und Türen oder die Dämmung der Kellerdecke unterstützt werden.

Bedürftigkeitsprüfung bei der Gaspreisbremse

Des Weiteren sollte die Gaspreisbremse auf den Prüfstand gestellt werden, indem eine Bedürftigkeitsprüfung eingeführt wird. So könnten Menschen mit geringem Einkommen besser unterstützt werden und der Zugang zur Gasversorgung bleibt gewährleistet. Insgesamt müssen sich die Fördermaßnahmen an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger orientieren, um eine breite Akzeptanz zu schaffen und den Gebäudebestand klimafreundlicher zu gestalten.

 

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