Vertrauen kann man nicht digitalisieren

29. April 2020


Makler und Portale pflegen eine besondere Beziehung. Mancher redet auch von einem Zweckbündnis. Als Marketinginstrument sind die Immobilienportale nahezu unverzichtbar, die Makler als Kunden allerdings auch. Im AIZ-Doppelinterview beschreiben Prof. Cai-Nicolas Ziegler, CEO der Immowelt Group, und Dirk Wohltorf, IVD-Vizepräsident und Immobilienmakler aus Berlin, was sie voneinander halten und zukünftig erwarten.

Interview von Heiko Senebald

AIZ: Es wird immer wieder mal von einer schwierigen Beziehung zwischen den Immobilienportalen und den Immobilienmaklern gesprochen. Wie würden Sie die Beziehung definieren?

Prof. Cai-Nicolas Ziegler: Die Portale sind ein großer Posten in den Marketingausgaben der Makler, ja. Aber: Es steckt viel mehr Leistung hinter den Portalen, als man allgemein denkt. Es geht hier nicht nur darum, etwas Technik am Laufen zu halten. Immowelt beschäftigt 600 Mitarbeiter, die sich verpflichtet fühlen, die beste Leistung für den Makler und den Suchenden zu erbringen. Beide sollen auf unserer Plattform glücklich werden. Außerdem lohnt sich ein Vergleich mit Print-, Plakat- oder Online-Werbung. Der Kostenpunkt beispielsweise bei Printanzeigen ist deutlich höher als bei Portalen. Für uns steht immer diese Frage im Mittelpunkt: Ist die Leistung des Portals dem Preis angemessen? Ich sage: Ja.

Sind Sie zufrieden mit der Beziehung?

Dirk Wohltorf: Es kommt auch darauf an, was der Makler aus dem Portal macht. Nur einfach Objekte einstellen und warten, dass etwas passiert, ist heutzutage einfach zu wenig. Die Portale bieten heute viele Zusatzmöglichkeiten und viele Marktinformationen an, die man sich zu Nutze machen kann. Ich persönlich bin damit zufrieden, was ich bezahle und welche Leistung ich dafür bekomme.

Wir haben, wie ich finde, auch dieselben Interessen. Wenn es den Maklern gut geht, geht es auch den Portalen gut. Und den Maklern wird es gut gehen, wenn die Portale weiter Gas geben und möglichst viele gute Interessenten erbringen. Das ist wahrscheinlich sogar für den Makler der Kernpunkt: gute Interessenten für gute Objekte zu finden. Hier kann man als Makler schnell den Überblick verlieren. Eine Qualifizierung wäre also wünschenswert.

Ziegler: Das ist eine gute und richtige Aussage: Wenn es dem Makler gut geht, geht es auch den Portalen gut. Im Endeffekt ist es eine synergetische Beziehung zwischen uns: Wir sind in guten und in schlechten Zeiten miteinander verbunden.

Haben Sie im Bekannten- oder Freundeskreis Kontakt zu Immobilienmaklern?

Ziegler: Ich habe im Freundeskreis tatsächlich einige Makler. Daher weiß ich, dass sie sehr hart für ihr Geld arbeiten müssen. An den Wochenenden im Auftrag des Kunden unterwegs zu sein, das ist schon selbstverständlich geworden. Däumchen drehen und warten bis ein Objekt vorbeikommt, ist da nicht.

Wohltorf: Es liegt an uns, zu zeigen, was wir wirklich leisten. Und ja, es ist schwierig, diese Leistung einem interessierten Käufer zu vermitteln. Er findet über ein Inserat bei Immowelt eine Immobilie, interessiert sich für sie, bekommt ziemlich automatisiert ein Exposé geschickt, vereinbart einen Besichtigungstermin, entscheidet sich dann für das Objekt und soll anschließend sechs Prozent plus Steuer Provision zahlen. Das ist manchmal schon schwierig. Unsere Aufgabe ist es, nicht auf die Spitze des Eisberges, sonders auf den viel größeren Teil am unteren Ende hinzuweisen. An diesem Teil des Eisberges liegen unsere Aufgaben und Herausforderungen, von der Suche nach Objekten über zum Teil mehrjährige Beratungen bis dahin, dass das Objekt überhaupt erstmal marktfähig gemacht werden muss. Es ist normal, dass der Makler auf Zuruf, ohne Kosten und jederzeit für den Kunden bereitsteht. In welchem Beratungsbereich ist das noch so?

Mir fällt spontan kein anderer Beratungsbereich ein.

Wohltorf: Eben.

Ziegler: Diese Transparenz zu schaffen, ist ein wichtiger Punkt. Viele Verkäufer starten ja mit der Vorstellung, das alles alleine aus dem Ärmel schütteln zu können. Sie kehren aber dann reumütig zurück, weil doch alles viel aufwändiger ist als gedacht. Der Makler ist Realist, er kennt den Markt und holt den Verkäufer oftmals auf den Boden zurück, beispielsweise beim Preis. Der Makler ist ein Freund des Mieters, Vermieters, Käufers und Verkäufers — das ist in Deutschland den allerwenigsten bewusst. Der Makler schafft Wert, aber er muss auch gut darin sein, diesen Wert aufzuzeigen.

Wohltorf: In der politischen und gesellschaftlichen Diskussion werden wir leider allzu oft auf die Maklerprovision reduziert. Über die Grunderwerbsteuer, die in vielen Bundesländern mittlerweile höher als die Maklerprovision ist, nicht verhandelbar ist und bei jedem Kaufvertrag fällig wird, ohne dass dabei eine Leistung erbracht wird, redet leider keiner.

Die Politik hat stattdessen ein Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht, mit dem die Verteilung der Maklerkosten neu geregelt werden soll. Zukünftig sollen die Kosten zwischen Verkäufer und Käufer geteilt werden. Wie finden Sie das?

Ziegler: Ich bin hier auf einer Linie mit der Verhandlungsposition des IVD, der sich in der Diskussion stark eingesetzt und seine Rolle innerhalb der Immobilienwirtschaft eindrücklich bewiesen hat. Die neue Regelung ist ein annehmbarer Kompromiss. Das von der SPD auf den Weg gebrachte sogenannte Bestellerprinzip hingegen wäre bei seiner Umsetzung einem Armageddon gleichgekommen. Dass die Maklerkosten nun paritätisch aufgeteilt werden müssen, entspricht der Vermittlungsfunktion der Makler. Der Makler muss sich aber auch über seinen Qualitätsanspruch Gedanken machen. Makler, die heute schon exzellente Qualität erbringen, müssen sich gar keine Sorgen machen.

Herr Wohltorf, Sie sind Berliner und im Normalfall hat hier der Verkäufer nie eine Provision bezahlt. Wie schmerzlich wird die Umstellung?

Wohltorf: Das wird den Markt schon durchrütteln. Aber wie Prof. Ziegler schon richtigerweise gesagt hat: die professionellen Makler, die ihren Kunden ihre Leistung aufzeigen und erklären können, werden auch weiterhin ihre Berechtigung haben. Ich bin jetzt seit 22 Jahren am Markt und ich habe immer für beide Parteien gearbeitet. Beide müssen zufrieden sein. Ich nehme den einen an die Hand und ich nehme den anderen an die Hand. Manchmal ist man Mediator, manchmal Psychologe. Das ist unsere Bestimmung. Nur wenn beide Parteien mit dem Ergebnis zufrieden sind, gehen sie zum Notar. Man muss die Parteien auf dem größtmöglichen gemeinsamen Nenner zusammenbringen, deshalb ist die Neuregelung über die Verteilung der Maklerkosten richtig und deutlich besser als das ursprünglich von Frau Barley geplante Bestellerprinzip.

Wird es die Immobilienportale, so wie wir sie heute kennen, in zehn Jahren noch geben?

Ziegler: Davon gehe ich stark aus, denn sie schaffen Wert, indem sie alle Parteien des Immobilienkaufs (oder der Vermietung) miteinander verbinden. Dass die Portale sich in eine Position begeben werden, wo sie der alleinige Partner von Verkäufern und Käufern sein werden, glaube ich nicht. Die Rolle des Maklers ist dafür zu wichtig. Die Hybridmakler wie Maklaro oder McMakler haben auch schon feststellen müssen, dass auf den Faktor Mensch nicht komplett verzichtet werden kann. Wir reden beim Hauskauf von der wahrscheinlich größten finanziellen Transaktion, die ein Mensch in seinem Leben tätigt. Da will man keinen Fehler machen und braucht jemanden, der einen an die Hand nimmt.

Auf der Seite der Makler kann die Digitalisierung Veränderungen positiver Art mit sich bringen. Gerade im Bereich der Vermarktung, Terminierung, Objektsuche. Wenn der Makler diese neuen digitalen Möglichkeiten annimmt, wird er mehr Zeit für den Faktor Mensch verwenden können.

Zurück zu den Portalen: diese sind ja selbst Teil des Digitalisierungsprozesses.

Ziegler: Richtig. Die Portale nehmen eine digitalisierende Rolle ein. Ich glaube, das wird auch noch eine Weile so bleiben, obwohl man die Portale schon mehrfach in Frage gestellt hat. Defacto sind sie heute genauso stark wie eh und je, denn hier kommen im großen Stil Suchende und Makler zusammen. Sowas kann man auch nicht ohne weiteres kurzfristig nachbauen. Diese Rolle wird auch langfristig erhalten bleiben, da bin ich mir sicher, auch trotz Hybridmaklern und iBuying.

Wohltorf: Genauso ist es. Vertrauen, Erfahrung und Persönlichkeit kann man nicht digitalisieren. Und darauf kommt es am Ende an. Ich erlebe das jede Woche, da komme ich zurück ins Büro und stelle fest, dass der Kontakt, die Begegnung von eben, nicht digitalisiert werden kann. Das Ehepaar mit zwei kleinen Kindern, das seine Eigentumswohnung verkaufen muss, weil es sich trennt. Die alte Dame, die ihr großes Haus verkaufen muss, weil ihr Mann gestorben ist und sie es nicht mehr finanzieren und bewirtschaften kann. Die Erbengemeinschaft, die sich nicht einigen will. Das sind immer Herausforderungen, weil jeder Fall anders und eben persönlich ist. Man kann standardisierte Prozesse digitalisieren. Jeder Makler weiß, dass der Immobilienverkauf insbesondere im selbstgenutzten Bereich nie gleich, sondern immer individuell und anders ist. Wahrscheinlich kann beim Vermietungsgeschäft viel automatisiert werden, bei der größten Transaktion in einem Leben — dem Immobilienkauf oder Immobilienverkauf — ist das aus meiner Sicht nicht möglich.

Ein Makler kann sich also nicht zurücklehnen und über die gute Immobilienkonjunktur freuen?

Wohltorf: Nein, leider — oder zum Glück — nicht! Es gibt fast wöchentlich neue Informationen, Fallstricke oder rechtliche Entscheidungen, über die sich unsere Mitglieder über die IVD-Hotline aufklären lassen. Das kann ein Digitalmakler nicht leisten. Aber: Wir müssen uns mit den Wettbewerbern natürlich auseinandersetzen. Am Ende entscheidet der Kunde, ob er einem Digitalmakler den Auftrag gibt oder einem klassischen, professionellen Makler, der mit den neuen Möglichkeiten und Herausforderungen wächst. Wer sagt: Ich will weiter makeln wie schon seit fünf oder zehn Jahren, der wird es perspektivisch sehr schwer haben. Wer die Digitalisierung als Gewinn, als ein Tool von vielen sieht, wird auch gewinnen und im Markt bestehen.

Ziegler: Das finde ich eine gesunde Einstellung. Immobilien-Business ist People-Business — da spielt Vertrauen eine große Rolle, und das kann ich nicht digitalisieren. Ich sehe aber ehrlich gesagt auch gar nicht die riesengroße Gefahr, dass die Digitalisierung die Geschäftsmodelle der Makler oder Portale zerstört oder überflüssig macht. Ich bin von Hause aus Informatiker und habe eine Professur an der Uni Freiburg zu Machine Learning und Data Mining. In unserer Lebenszeit werden wir nicht mehr erleben, dass Maschinen Empathie und Bewusstsein entwickeln und selbstreflektierend handeln. Ja, ein Schachcomputer ist in der Lage einen lebendigen Schachweltmeister zu besiegen. Aber trotzdem kann die Maschine eben nur Schach spielen und nicht mit Emotionen umgehen. Da hat es das Immobilien-Business noch etwas einfacher als beispielsweise der Medien-Print-Bereich, der Einzelhandel oder die Reisebüros.

Welchen Konkurrenten müssen die Makler dann aber erst nehmen?

Wohltorf: Der größte Konkurrent der Makler ist er selbst. Stillstand ist Gift für den Makler. Er muss sich immer wieder neuen Möglichkeiten öffnen. Ein weiterer Konkurrent ist der private Anbieter. Auf diesen sollten wir uns fokussieren, ihn abholen und ihm erklären, dass der Makler mehr bringt, als er kostet. Diese notwendige Marketingoffensive wird mit dem neuen Gesetz zur Paritätischen Teilung der Maklerkosten neu befeuert. Ich bin sehr gespannt.

 

Fotos: © Konstantin Gastmann/IVD