Von Einhörnern und Blumenwiesen

25. Dezember 2019


2020 werden 50 Prozent der arbeitenden Bevölkerung der sogenannten Generation Y angehören. Diese jungen Erwachsenen sind zwischen den späten 1970ern und frühen 1990ern geboren und ihr Leben muss dem eines Einhorns auf einer grünen Wiese gleichen.

Von Arne Adrian

Fragt man Personalverantwortliche nach ihrer Einschätzung heutiger Bewerber und Berufseinsteiger, fällt das Urteil nicht gerade positiv aus. Übereinstimmend wird festgestellt: Sie halten sich für etwas Besonderes, haben überzogene Erwartungen und sind latent unzufrieden. Aber warum ist das eigentlich so? Um die Generation Y besser zu verstehen, beginnen wir mit einer einfachen Formel: GLÜCK = REALITÄT – ERWARTUNGEN. Wenn es besser kommt als erwartet, ist man glücklich. Kommt es schlechter als erwartet, ist man unglücklich.

Wunsch nach einem besseren Leben

Die Eltern der Generation Y gehören zur Generation der „Babyboomer“, deren Eltern wiederum wuchsen in der Wirtschaftskrise auf und erlebten den Zweiten Weltkrieg. Für die schicksalsgeprägten Großeltern der Generation Y war deshalb finanzielle Sicherheit das Wichtigste. Sie trichterten ihren Kindern ein, stabile Lebenswege einzuschlagen. Denn ihr Wunsch für die nächste Generation war, dass sie es einmal besser haben sollten. Das Leben sollte einer grünen Wiese gleichen.

Und tatsächlich: Nach den Hippiejahren machte die Generation der „Babyboomer“ in den 70er, 80er und 90er Jahren die Erfahrung, dass sich viele Jahre harte Arbeit durchaus lohnen. Sie erlebten großen Wohlstand. Es kam also besser als erhofft – und das führte zu Zufriedenheit und Optimismus.

Anything is possible

Ihre persönliche Erfahrung gaben die Babyboomer an ihre Kinder weiter. Sie erzählten ihnen, dass sie werden könnten, was sie wollten und ihnen sämtliche Möglichkeiten offen stünden. So entstand bei der Generation Y nicht nur eine extrem hohe Erwartungshaltung, sondern auch die tiefe Überzeugung, Hauptfigur einer ganz besonderen Geschichte zu sein. Ihr Leben sollte eine Blumenwiese sein. Und sie selbst sind das Einhorn, das unbeschwert und selbstbestimmt über diese Wiese springt.

Das Problem ist nur, dass große Karrieren oft Nerven, Schweiß und vor allem Zeit kosten. Die Generation Y dagegen erwartet eine erfolgreiche Karriere, möglichst ohne dafür Opfer bringen zu müssen — und das bitte sofort. Zwischen der harten Wirklichkeit der Arbeitswelt und den Erwartungen an die eigene Karriere tut sich eine Kluft auf. Zudem vergleicht sich die Generation Y ständig mit ihresgleichen auf Facebook, Instagram und Co. Frust, Enttäuschung und Unzufriedenheit sind praktisch vorprogrammiert, wenn die eigene Realität mit der Erwartung nicht mithalten kann.

Neues HR-Instrumentarium

Folgerichtig hat auch das Sourcing und Matching von Kandidaten in der HR-Arbeit an Komplexität gewonnen: Ging es früher vornehmlich um Noten und akademische Lebensläufe, die analog ausgewertet wurden, gilt es heute, die ganze Persönlichkeit eines Bewerbers verstehen zu lernen. Intelligente Systeme übernehmen bereits immer häufiger die Rolle des Recruiters und helfen bei der Identifikation der für eine Position notwendigen Skills und Talente. Smarte Algorithmen durchsuchen zeitgleich mehrere Lebenslauf-Datenbanken, Soziale Medien wie Twitter und Facebook oder Businessnetzwerke wie Xing und LinkedIn nach vorab definierten Kriterien und erlauben bereits erste Persönlichkeitsprofile. Um die Passgenauigkeit der Kandidaten der Generation Y noch zielgenauer beurteilen zu können, kommen immer häufiger intelligente Potentialanalysen wie Multiple-Choice-Verfahren oder Sprachanalysen zum Einsatz. Diese technischen Instrumente der HR-Arbeit sind eine wertvolle Unterstützung, um das Employer Branding und das Active Sourcing auch zu einem wirklichen Abschluss – sprich einer Anstellung – zu bringen.

Die Zielgruppe abholen

Wer die Generation Y in ihrer Motivstruktur versteht und die neuen digitalen Instrumente als Seismograph für Persönlichkeitsprofile einsetzt, wird sich einen Vorsprung im Kampf um die Talente von morgen verschaffen. Ob ein Unternehmen Mitarbeiter gewinnen, halten und langfristig motivieren kann, hängt entscheidend davon ab, welche Vorstellungen potenzielle und bestehende Arbeitnehmer von diesem als Arbeitgeber haben. Ziel der HR-Arbeit ist es deshalb, ein glaubwürdiges, differenzierendes und inspirierendes Bild bei den relevanten Bezugsgruppen zu etablieren und mit den Persönlichkeitsprofilen der Bewerber abzugleichen. Das geht nur, wenn man die Zielgruppen kennt und versteht, sie in ihren Lebenswelten abholt und in eine Geschichte einbindet, die für sie relevant und zugleich bereichernd ist; einem springenden Einhorn auf einer Blumenwiese nicht ganz unähnlich.

 

 

Foto: © nem44a / Depositphotos.com