Vorsicht Abmahnung!

12. Mai 2023


Kundenakquise durch Todesanzeigen — nur moralisch verwerflich oder auch rechtswidrig?

von Rechtsanwalt Leif Peterson 

Auf der Suche nach neuen Immobilien schießen manche Makler hin und wieder bei der Kundenakquise über das Ziel hinaus. So wurde beispielsweise letztes Jahr ein Fall aus Osnabrück bekannt (NOZ vom 17. Juli 2022), in dem ein Immobilienmakler die Todesanzeigen der örtlichen Tageszeitung gezielt durchsucht hat, um die Angehörigen der Verstorbenen zum Zwecke der Objektgewinnung zu kontaktieren. In seinem vermeintlich per Hand in (digitaler) Schreibschrift verfassten Anschreiben formulierte er unter anderem: „Durch Ihre Traueranzeige haben wir von Ihrem Schicksalsschlag erfahren. Wir möchten Ihnen unsere aufrechte Anteilnahme ausdrücken und verstehen, dass Sie jetzt in tiefer Trauer sind. Wir möchten Ihnen in dieser Situation unsere Unterstützung im Bereich der Immobilie anbieten.“

Zweifelsohne handelt es sich hier um ein moralisch verwerfliches und pietätloses Verhalten. Aber ist es auch rechtswidrig? Verstößt dieses Vorgehen gegen Gesetze und Rechtsnormen und ist wettbewerbswidrig? Die Antwort lautet: Ja, es handelt sich hierbei um ein wettbewerbswidriges Verhalten, das abmahnfähig wäre. Denn wettbewerbsrechtlich sind hierbei folgende Aspekte zu berücksichtigen:

Noch nicht wettbewerbswidrig ist die Tatsache, dass der Makler sich in Briefform an die Hinterbliebenen der Verstorbenen gewandt hat. Denn anders als bei Werbeanrufen oder Werbe-E-Mails, bei denen strikt die vorherige Einwilligung des Empfängers erforderlich ist, ist dies bei Werbebriefen oder Flyern, die in den Hausbriefkasten eingeworfen werden, nicht der Fall (mit Ausnahme, wenn am Briefkasten der Einwurf von Werbung ausdrücklich untersagt wird).

Allerdings müssen — und hier wird es wettbewerbsrechtlich relevant —Werbeschreiben, egal in welcher Form, stets und unzweideutig erkennen lassen, dass es sich hierbei um eine kommerzielle Werbung eines gewerblichen Unternehmens handelt. Der halb private Eindruck, den das Schreiben erweckt („möchten Sie unterstützen“), täuscht über das eindeutige, geschäftliche Begehren des Verfassers. Nach § 3 Abs. 2 UWG sind geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten, unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen. Nach § 5 Abs. 1 UWG ist insbesondere eine irreführende geschäftliche Handlung, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte, unlauter. Dies dürfte vorliegend der Fall sein, da der Verbraucher darüber getäuscht werden soll, dass er eine (kostenlose) Unterstützung im Zusammenhang mit der Immobilie erhalte, ihm dabei jedoch nicht ohne weiteres klar sein muss, dass es der Makler auf ein provisionspflichtiges Vermittlungsgeschäft abgesehen hat. Allein das Hervorrufen des Impulses beim Verbraucher, den Makler zu kontaktieren, ohne dass ihm von vornherein die Voraussetzungen klar sind, und dass es sich hierbei um ein kostenpflichtiges Geschäft handelt, reicht für die Wettbewerbswidrigkeit aus.

Ein weiterer Aspekt ist ein Verstoß gegen die Verwendung personenbezogener Daten. Zwar sind der Name (und gegebenenfalls Geburtsort/letzter Wohnsitz/Beisetzungsort) des Verstorbenen in frei zugänglichen Quellen veröffentlicht worden, allerdings ist es erforderlich, um personenbezogene Daten aus frei zugänglichen Quellen verarbeiten zu dürfen, die Voraussetzungen von Art. 6 I f) DSGVO zu erfüllen. Danach ist ein sogenanntes „berechtigtes Interesse“ für die Datenverarbeitung erforderlich und es dürfen keine entgegenstehenden Interessen der Betroffenen vorhanden sein. Diese Abwägung dürfte vorliegend zulasten des Maklers ausfallen, da die personenbezogenen Daten des Verstorbenen und seiner Angehörigen in der Todesanzeige ersichtlich nicht dazu dienen, zu Werbezwecken kontaktiert zu werden. Zum anderen sind die veröffentlichten Daten aus der Todesanzeige (Vor- und Nachname) keinesfalls ausreichend gewesen, um die Hinterbliebenen des Verstorbenen kontaktieren zu können. Denn hierfür musste der Makler weitere Recherchen anstellen und die Adressen der Hinterbliebenen ausfindig machen.

Unabhängig davon, wie die öffentlich zugänglichen Daten genutzt werden oder woher sie stammen, treffen denjenigen, der die Daten verarbeitet, zudem die Pflicht zur Information der betroffenen Personen. Werden die Daten nicht unmittelbar beim Betroffenen erhoben, ist dieser innerhalb eines Monats nach Erlangung der Daten mitunter über die Verarbeitungszwecke, die Rechtsgrundlage und die Datenquelle sowie seine Betroffenenrechte zu informieren, was sich aus Art. 14 DSGVO ergibt. Bei einem Verstoß drohen empfindliche Bußgelder.

Es zeigt sich also, dass das beschriebene Vorgehen, Todesanzeigen nach potentiellen Auftragsquellen zu durchforsten und Angehörige zu kontaktieren, wettbewerbswidrig und damit rechtswidrig ist.

 

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