Was ist erlaubt und was ist kritisch?

10. Juni 2022


Viele Menschen fühlen sich in Krisenzeiten emotional stark betroffen und daher ist es nach sogar wichtig, auch solche Themen im geschäftlichen Miteinander gemeinsam zu teilen. Aber wie und in welcher Form? Trainerin und Coachin Ulrike Kiesewetter gibt Tipps, wie Sie solche Gespräche professionell und gut gestalten.

Von Ulrike Kiesewetter

 

Ich werde die Tage oft gefragt, ob es denn überhaupt angebracht ist, in Zeiten wie diesen, in denen Menschen unendliches Leid widerfährt, so etwas oberflächliches zu praktizieren wie Small-Talk, und welche Themen denn aktuell angebracht wären.

Zur ersten Frage stelle ich gerne eine Gegenfrage: „Das ist eine gute Frage, was sähen Sie im geschäftlichen Miteinander denn als Alternative?“

Was wären wir ohne leichte
Konversation und guten Small-Talk?

Stellen wir uns doch wirklich einmal die Situation vor, wir sind auf einem Business-Event — endlich einmal wieder, nach einer langen Zeit der sozialen Gruppenabstinenz und begegnen Geschäftskontakten, die wir lange nicht gesehen haben. Dem oberflächlichen Small-Talk haben wir abgeschworen und starten gleich ins Gespräch. „Herr Müller, wie schön, Sie zu sehen, haben Sie schon gehört, Russland hat heute ein Atomkraftwerk beschossen und wir standen kurz davor, alle verstrahlt zu werden.“ Oder: „Frau Müller, wie schön, Sie wieder zu sehen, haben Sie schon die neue gesetzliche Vorgabe xy umgesetzt? Also wir stehen
kurz davor, den Verstand zu verlieren, so eine fürchterliche Bürokratie, wo soll das noch hinführen mit unserem Land, ich sehe da ganz schwarz für die Zukunft.“

Die Anziehungskraft des Positiven

So könnte ein Gespräch im Kaltstart-Modus ohne Anlaufphase und Berücksichtigung der Small-Talk Dos und Don’ts aussehen, und ich frage Sie, wäre das erstrebenswert? Leichte Gespräche und auch wohl dosierter Humor in Zeiten, hoher Veränderungsdynamik und permanenter Negativ-Penetrierung sind meiner Ansicht nach etwas essentiell Wichtiges und Verbindendes für die Gestaltung unserer Begegnungsqualität und unserer Sozialhygiene. Wir dürfen und sollen mit anderen Menschen mitfühlen, aber wir sollten uns dabei nicht selbst im Leid und der Schwermütigkeit verlieren und uns jede Form der Leichtigkeit untersagen.

Geeignete Small-Talk-Themen

Wir alle brauchen Positiv-Erlebnisse. Mein Tipp für Sie: Sprechen Sie in Business-Dialogen überwiegend von angenehmen Themen. „Du bist, was du sprichst. Sprache formt Gedanken und Gedanken formen Sprache“. Studien zeigen, positive Gedanken und Worte helfen dabei, uns insgesamt glücklicher zu fühlen und positiver wahrgenommen zu werden. Das Geheimnis dabei, wir entwickeln eine selektive Wahrnehmung und richten den Fokus auf etwas Schönes, und auch das möchten wir mit Small-Talk erreichen, interessante und schöne Dialoge — eine entspannende „Negativ-Pause“ sozusagen. Gemeinsamkeiten, erfreuliche Aktivitäten, schönes Wetter, positive Projekte, Erfolgserlebnisse, Veranstaltungen, interessante Fachthemen, Reisen, Sport, Literatur, Filme und vieles mehr sind dabei geeignete Themen.

Was aber ist mit Themen wie Pandemie, Krieg und Krisen?

Normalerweise gilt beim Small-Talk, dass Tod, Krieg und Politik Tabuthemen sind, da sich hier leicht die Gemüter erhitzen und Verstimmung entstehen können, die für den weiteren Verlauf einer gewünscht erfreulichen Konservation kontraproduktiv sind. Der Grat zwischen qualifizierter Small-Talk-Kompetenz auf der einen und ausgeprägter Oberflächlichkeit auf der anderen Seite ist oft schmal. Daher gilt, achten Sie auf den passenden Zeitpunkt und die richtige Dosierung.

 

Foto: © ClaudiaBalasoiu/Depositphotos.com