Was kommt nach der Zinswende?

28. Mai 2018


Die derzeit niedrigen Zinsen ermöglichen zwar eine günstige Finanzierung zum Erwerb oder Bau einer Immobilie, andererseits steigen dadurch die Preise. Im Interview beschreibt Professor Klaus Fleischer von der Hochschule München welchen Einfluss die aktuelle Zinspolitik auf den Immobilienmarkt nimmt.

Interview von Julia Ceitlina

Herr Professor Fleischer, derzeit sind Kredite einerseits billiger, andererseits sorgt die hohe Nachfrage für einen Mangel an Kaufimmobilien. Ist das aktuelle Zinstief Fluch und Segen für die Immobilienwirtschaft?

Aufgrund des derzeitigen Niedrigzinsniveaus können die Bundesbürger ihr Eigenheim extrem günstig finanzieren. Mitverantwortlich ist nach wie vor die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), aber auch ein harter Wettbewerb unter den Anbietern. Der absolute Tiefpunkt der Bauzinsen wurde vor rund 18 Monaten erreicht. Seitdem bewegen sich die Konditionen geringfügig höher. Von einer echten Zinswende kann derzeit noch nicht gesprochen werden. Allerdings gibt es zaghafte Anzeichen, dass es zu einem leichten Aufwärtstrends, spätestens dann kommen wird, wenn die EZB ihr Anleihekaufprogramm Ende 2018 aufgibt.

Die günstigen Konditionen bevorzugen Immobilienkäufe. Billige Baudarlehen kompensieren aber bei weitem nicht die Preissteigerungen und verteuerten Gestehungskosten. Ein „Mehr an Haus“ ist nur dann zu vertreten, wenn ausreichende Reserven für Notfälle vorhanden sind und die Zinsbindungen möglichst langfristig, d.h. länger als 15-20 Jahre vertraglich garantiert sind. Um kommenden Zinsrisiken bei einer fälligen Anschlussfinanzierung  aus dem Wege zu gehen, bieten sich Vollltilgerdarlehen an, bei denen bis zur vollständigen Tilgung die Zinsen festgezurrt sind.

Die Gefahren einer zu risikoreichen Baufinanzierung finden auch Grenzen durch  Regulatorik und Aufsicht. Strenge Mindestanforderungen bei der Kreditvergabe durch die Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie (WIKRL) aber auch bindende Eigenkapitalbestimmungen nach den Basel-Verordnungen bieten einen Verbraucherschutz. Dies zeigt sich auch im Rückgang von Finanzierungen ohne Eigenkapital, sogenannte 100% Finanzierungen.

Wie lange wird das noch soweiter gehen aus Ihrer Sicht?

Die gegenwärtig leichte Korrektur der Zinsen nach oben kann nicht als Ende der „goldenen Ära Bauzinsen“ gewertet werden. Dazu wären verbindliche Ankündigungen seitens der EZB zu mehreren in Erwägung zu ziehenden, schrittweise erfolgenden Leitzinserhöhungen erforderlich, analog zu den Ankündigungen der US-Notenbank (FED).  Aber auch die FED beschwichtigt derzeit aufgrund der Verunsicherung der Finanzmärkte und signalisiert eine behutsame Zinspolitik — trotz guter Konjunkturlage in den USA.

Wann kommt eine nachhaltige
Zinswende?

Die EZB wird trotz reduziertem Anleihekaufprogramm weiter an ihrer Nullzinspolitik festhalten. Eingetrübter Ifo-Geschäftsklimaindex und trotz guter Konjunkturlage nach wie vor eine relativ geringe Inflationsrate im Euroraum um die 1,4 Prozent, die weiter deutlich die Zielmarke der EZB von zwei Prozent verfehlt, lassen erste zaghafte Zinsschritte seitens der EZB erst Ende nächsten Jahres erwarten.

Der Markt für Bauzinsen dürfte kommende Zinserhöhungen und das deutliche Zinsgefälle zu den USA sowie das sich anbahnende Ende der EZB-Anleihekaufprogramme bereits teilweise vorweg  genommen haben. Für dieses Jahr rechne ich weiter mit stabilen Bauzinsen, wobei Seitwärtsbewegungen (um die 30-50 Basispunkte) marktbedingt durchaus vorstellbar sind. Voraussetzung ist allerdings, dass keine gravierenden geopolitischen Krisen sich entwickeln, die zu wirtschaftlichen Verwerfungen führen könnten. Vor diesem Hintergrund ist es für Immobilienerwerber zu überlegen, ob die Kosten für den Abschluss eines Forwarddarlehens tragbar sind. Viele Anbieter kommen auch ihren Kunden entgegen und bieten ohne Aufpreis lange Vorlaufzeiten bis zur Auszahlung der Darlehen an. Allerdings sind im Markt größere Konditionsdifferenzen unter den Anbietern festzustellen.

Welche Akzente kann die Bundesbank setzen, um Einfluss auf die Zinspolitik zu nehmen?

Die Auswirkungen auf die Bauzinsen dürfen nicht überschätzt werden. Die Bundesrenditen stellen trendmäßig einen Einflussfaktor dar: Das Zinsniveau für Baudarlehen orientiert sich primär an den Renditen für langfristige Anleihen und Pfandbriefe (DGZF) und den Marktgesetzen von Angebot und Nachfrage. Als risikoarmes Ankerprodukt im Retailgeschäft herrscht derzeit zudem ein zunehmender Wettbewerbsdruck unter den Anbietern: Folge sind sinkende Margen und Hinzukommen neuer Mitbewerber auch aus der  FinTech-/PropTech-Welt sowie Vermittlerplattformen.
Der Brexit naht von Monat zu Monat, welche Auswirkungen hat das auf die Geldmärkte? Sind Zinsentwicklungen noch sicher vorher zu sagen?
Die Folgen des Brexit sind schwer vorhersehbar. Gegenwärtiger Stand ist, dass eher ein sanfter Brexit kommen wird. Dies wird geringe, kaum merkbare Folgen für die deutschen Bauzinsen haben. Die Anbieter refinanzieren sich primär in Deutschland und nahezu ausschließlich in der Eurowährung. Devisenschwankungen spielen somit keine Rolle.

Deutsche Immobilien sind derzeit nicht nur von Bundesbürgern sehr begehrt. Auch inländische und ausländische Immobiliengesellschaften bevorzugen gleichfalls Immobilieninvestitionen in Deutschland, zumal sie das Preisniveau im Vergleich zu Spitzenlagen in ihren Heimatländern noch relativ als günstig betrachten. Der Brexit dürfte diesen Trend nicht bremsen.

Zumindest in den Großstädten überhitzen die Immobilienmärkte zum Teil sehr stark. Wie schätzt die Bundesbank die Gefahr einer Immobilienblase derzeit ein?

Die Bundesbank betrachtet mit Sorge die Verknappung und den starken Preisanstieg, beispielsweise in den 5 Score-Städten. Sie spricht — wie übrigens auch die großen Wirtschaftsforschungsinstitute — nicht von einer generellen Blasenbildung.