Wie automatisierte Drohnenflüge die Immobilienwirtschaft bereichern

2. Februar 2021


Es surrt in Deutschlands Lüften: Besonders im kommerziellen Bereich werden Drohnen immer beliebter. 2019 stieg die Zahl der verkauften unbemannten Flugobjekte mit einem Eigengewicht von über zwei Kilogramm deutschlandweit um 18 Prozent. Im gleichen Jahr wurden fast 65.000 gewerbliche Drohnen in der DACH-Region verkauft — davon allein 95 Prozent in Deutschland. Das hat das Marktforschungsunternehmen Branchenradar ermittelt.

Von Frank Lochau

Ihre Anwendungsfälle sind vielfältig:vom Transport eiliger Güter über die Kartierung von ländlichen Gegenden bis zur  Inspektion schwer erreichbarer Stellen ist alles dabei. Und auch die Immobilienwirtschaft hat die Technologie für sich entdeckt: Drohnen inspizieren Schäden an Gebäuden, stellen den Fortschritt auf Baustellen dar, machen Luftaufnahmen für Imagefilme und Exposés. Nach Angaben des Drohnensoftware-Unternehmens FlyNex sind hierbei Inspektionen mit 27,5 Prozent der häufigste Anwendungsfall der Branche. Das ist durchaus nachvollziehbar, denn Inspektionen per Drohne sind schneller, sicherer, flexibler und kostengünstiger als herkömmliche Methoden mit Hebebühne oder Gerüst. Und sie sind vollkommen automatisiert durchführbar.

Gerüste früher das Mittel der Wahl

Diese Mehrwerte hat beispielsweise der Gebäudedienstleister ITB Dresden erkannt und 2020 auf Drohnen umgestellt. Das sächsische Unternehmen mit über 120 Mitarbeitern betreut und verwaltet verschiedene Liegenschaften. Dort sind regelmäßige Inspektionen notwendig, um den Wert der Anlagen zu erhalten. Früher inspizierte der Dienstleister seine Gebäude mit Kletterern, die auf Hebebühnen oder Gerüste stiegen. Doch extreme Wetterlagen führten zu erheblichen Schäden an Gebäuden und machten häufigere Inspektionen notwendig. Die Konsequenz: Die ITB musste eine flexible und günstige Alternative finden. Eigene Mitarbeiter werden zu Drohnenpiloten

Zu diesem Zweck legte sich das Unternehmen 2020 mehrere Drohnen zu. Um diese auch sicher fliegen zu können, holten sich die Dresdner den Drohnensoftware-Experten FlyNex ins Haus. Das Leipziger Unternehmen betreibt eine Plattform für Firmen, auf der sich gewerbliche Drohnenbefliegungen organisieren lassen. Mit Hilfe der integrierten Software können Immobilienunternehmen selbstständig und zentral von der Flugplanung über die eigentliche Befliegung bis hin zur späteren Bildauswertung alle Schritte verwalten. Basis für den rechtssicheren Flug ist eine eigens entwickelte Luftraumkarte aus über 160 verschiedenen Datenquellen, die alle Luftraum-Auflagen beinhaltet.

Doch Drohne fliegen darf nicht jeder. Da kein Mitarbeiter der ITB eine entsprechende Erlaubnis besaß, ließ das Unternehmen in einem Workshop eigene Mitarbeiter zu Drohnenpiloten ausbilden. Die Fluganwärter lernten nicht nur, Flüge digital zu planen und das Fluggerät zu steuern, sondern die erhobenen Daten auch danach zu analysieren. Mittlerweile hat der Gebäudedienstleister sechs zertifizierte Drohnenpiloten in seinen Reihen.

Höhere Datenqualität in der Hälfte der Zeit Dabei wechseln sich die Piloten mit mehreren Modellen ab: Für reale Projekte nutzt die ITB Dresden eine DJI Phantom 4 Pro,  aktuell für rund 1.700 Euro erhältlich. Darüber hinaus stehen zwei kleine Drohnen  des Typs DJI Mavic Mini zu Übungszwecken zur Verfügung. Rund 400 Euro kostet hier das Stück. Keine Frage: Hierdurch entstehen erst einmal Anschaffungskosten. Doch langfristig rentieren sich diese. Die neue Inspektionsart ist deutlich schneller und günstiger als die vorherigen Methoden. Das wird recht schnell anhand einer Dachinspektion eines Zweifamilienhauses deutlich: Mit Hebebühne  benötigte etwa die ITB Dresden zwei Mitarbeiter mit rund 6 bis 8 Stunden Arbeitszeit. Zudem fielen Kosten für eine Tagesmiete der Bühne selbst an — je nach Modell rund 100 bis 300 Euro.

Anders sieht es bei einer Drohne aus: Hier benötigt der Gebäudedienstleister lediglich ein Fluggerät sowie einen Mitarbeiter mit 3 bis 4 Stunden Arbeitszeit. Die Kosten für die Hebebühne sowie die Zeit für ihren Transport und Aufbau entfallen. Und nicht zu vergessen: Die Drohne kann flexibel über mehrere Jahre genutzt werden. Weiterhin sind die Daten digital und in hochauflösender Qualität verfügbar. Doch zeitliche Einsparungen werden nicht nur bei Inspektionen deutlich, sondern zum Beispiel auch bei Dachvermessungen. Hierfür benötigt ein Dachdecker je nach Größe zwischen 60 und 120 Minuten. Eine Drohne hingegen vermisst ein Dach innerhalb von 15 Minuten. Das ergibt eine Zeitersparnis von mindestens 75 Prozent. Diese Daten basieren auf Erfahrungswerten der Airteam Aerial Intelligence GmbH, einem Unternehmen für Dachvermessungen mit Drohnen.

Echter Mehrwert erst durch kontinuierliche digitale Befliegung

Ob sich diese Technologie auch für größere Liegenschaften lohnt, lotet derzeit die LEG Immobilien AG mit Sitz in Düsseldorf aus. Mit rund 145.000 Mietwohnungen gehört sie zu den größten Wohnungsunternehmen in Deutschland. Um die neue Technik zu erproben, führte die LEG Immobilien AG in diesem Jahr gemeinsam mit FlyNex und der Deutschen Telekom einen ersten Test-Tag mit Drohne durch. Die Idee dahinter: Drohnen sollen zur Inspektion von Gebäuden und Liegenschaften als günstige, schnelle Alternative zum Einsatz kommen.

Ob sich der Konzern flächendeckend für diese Technologie entscheidet, bleibt abzuwarten. Denn ein Drohneneinsatz muss sich nicht zwangsläufig für jeden lohnen: Immobilienunternehmen sollten genau analysieren, ob und für welche Anwendungsfälle sie eine Drohne nutzen möchten. Drohnenprojekte amortisieren sich letztlich vor allem, wenn Unternehmen sie langfristig denken und die Befliegungen auf Wiederholbarkeit auslegen. Erst dann ergibt sich ein wirklicher Mehrwert: Sind Drohnenflüge einmal geplant, kann die entsprechende Flugplanung bei wiederkehrenden Befliegungen direkt wiederverwendet werden. Und die erhobenen digitalen Daten lassen sich beliebig oft ansehen und zum Beispiel über eine Bild-KI automatisiert auswerten. Ein maximaler Effizienzgewinn.

Rechtssichere Befliegung mit Unterstützung von Dienstleistern

Um diese Vorteile nutzen zu können, sollten sich Immobilienunternehmen nach spezialisierten Dienstleistern umsehen. Denn was im ersten Moment einfach erscheint, erweist sich in der Realität komplex. Vor allem die vielen Regeln und rechtlichen Flugauflagen werden häufig unterschätzt. Sowohl diese Komplexität als auch die Mehrwerte haben mittlerweile Unternehmen wie die Telekom Deutschland im Bereich Wohnungswirtschaft erkannt: Das Bonner Unternehmen bietet seit 2020 gemeinsam mit FlyNex Gebäudemanagement mit Drohnen für ihre Kunden an.

Das gemeinsame Ziel: die Kontrollen der Gebäude für Wohnungsunternehmen im Zuge der Verkehrssicherungspflicht so effizient wie möglich zu gestalten. Und vor allem rechtssicher. Denn werden Flugregeln verletzt, drohen erhebliche Strafzahlungen. Und eines ist sicher. Dann ist der Reiz des Drohnenfliegens wieder ganz schnell verflogen.