Wie Corona die Arbeitswelt verändert

1. Oktober 2020


Der Lockdown im April hat die Arbeitswelt gehörig durcheinandergewirbelt. Auch in der Immobilienbranche: Mehr Digitalisierung, Schichtdienst im Ladengeschäft, virtuelle Besichtigungen, Homeoffice. Die Gesundheit der Beschäftigten rückte vor die Geschäftsentwicklung. Und der Wert der Mitarbeiter rückte auf ein neues Level.

 

Von Jan Kricheldorf

 

Human Ressources war noch nie eine passende Bezeichnung für die Mitarbeiter eines Unternehmens. Sie zu Ressourcen zu degradieren, ist ein sprachliches Desaster, das leider immer noch in vielen Personalabteilungen geläufig ist. Den Wert von Mitarbeitern zu sehen und zu fördern, hat im Bewusstsein vieler Unternehmer — auch der Kleinunternehmer — noch einmal eine neue Bedeutung erlangt. Spätestens mit der unfreiwilligen, kollektiven Corona-Erfahrung ist in vielen Betrieben klar geworden: Es geht auch, wenn besondere Umstände dazu zwingen, neue Wege zu beschreiten.

 

Digitalisierungsschub durch Corona

 

Loszulassen, darauf zu vertrauen, dass die Mitarbeiter auch von zu Hause aus liefern als seien sie im Büro, ist für viele Führungskräfte eine Herausforderung. Nun ist die Immobilienbranche, die seit jeher von Kleinunternehmen geprägt ist, auch geprägt von einem größeren Miteinander und vergleichsweise flachen Hierarchien. Dennoch forderte die Pandemie viele Immobilienunternehmer heraus und sorgte für neue Arbeitsformen und einem erheblichen Digitalisierungsschub. Besichtigungen per virtueller Tour, Immobilienaufnahmen per Videomessenger und Homeoffice haben Arbeitsprozesse verändert und man könnte annehmen, dass mit dem Ende der Beschränkungen zur alten Tagesordnung zurückgekehrt wird. Doch offensichtlich hat die Veränderung gutgetan und es bleibt etwas von Corona zurück. Ich mache mich auf Spurensuche und finde wenige Monate nach dem Shutdown vor allem mehr Lösungen als Herausforderungen.

 

Der Monitor vor mir blitzt auf, Peter Schürrer lacht, ich sehe seine Mundbewegungen, erahne seine Begrüßung, nur zu hören ist nichts. So ist das eben mit Videokonferenzen, es klappt nicht immer auf Anhieb. Peter Schürrer bleibt gelassen, ich sehe, wie er zum Handy greift und meine Nummer wählt. Dann halt so. Vikos sind zu einer Selbstverständlichkeit geworden und für den Immobilienunternehmer aus Bruchsal mit mehr als hundert Mitarbeitern in Südwestdeutschland auch essentiell. Denn bei Schürrer & Fleischer wird im Team außerordentlich viel kommuniziert.

 

Mehr kollektive Entscheidungen

 

Der direkte Kontakt zu den Mitarbeitern und die Mitbestimmung gehören zum Geheimrezept für den Erfolg des Maklerunternehmens. Peter Schürrer sagt, dass er sich für jeden seiner Mitarbeiter persönlich Zeit nimmt. Allerdings: Würde der Geschäftsführer zu diesem Zweck in Persona alle 13 Filialen besuchen, wäre er mit diesem Unterfangen wochenlang beschäftigt. Telefonkonferenzen und Homeoffice gibt es daher schon lange im Hause Schürrer & Fleischer. Dennoch: Corona hat neue Erkenntnisse gebracht. Die Videounterstützung ergänzt die klassische Telefonkonferenz um einen entscheidenden Baustein der Verständigung: Der nonverbalen Kommunikation. Das Fehlen vor Ort kann zwar damit nicht ersetzt werden, doch liefert die Situation der Videokonferenz wichtige Erkenntnisse über das Verständnis von Aufgaben und fungiert ganz nebenbei als Fieberthermometer für die Teamstimmung.

 

Peter Schürrer setzt auf das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit. Schon mit der Einstellung erhalten seine Mitarbeiter viel Vorschussvertrauen und sind bei vielen Entscheidungen des Unternehmens beteiligt. Die Auswahl von Bewerbern erfolgt immer zusammen mit Kollegen — eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Chemie im Team stimmt und die Potenziale auch aus Fachsicht eingeschätzt werden. Denn schließlich wollen sich auch die Mitarbeiter auf die neuen Kollegen verlassen können.

 

Flexibilität motiviert

 

Corona hat die Flexibilität im Hause Schürrer & Fleischer nun noch einmal deutlich erhöht. Nicht nur dass von zu Hause aus gearbeitet werden kann, auch der Kontakt zu den Kunden wird mehr und mehr digital geführt. Einkaufsgespräche per Videokonferenz waren bis dato ein klares No-Go. Doch auch viele Auftraggeber haben inzwischen die Vorzüge digitaler Meetings erkannt und schätzen es, wenn die Terminfindung unkompliziert ist.

 

Homeoffice senkt Stress

 

„Meine Erfahrung ist, dass alle meine Mitarbeiter aus dem Homeoffice arbeiten können. Die sind zu Hause genauso produktiv wie im Büro“, sagt Peter Schürrer. Damit teilt der Unternehmer seine Einschätzung mit fast der Hälfte aller Unternehmen in Deutschland. Das belegt eine Studie der DAK Gesundheit, die im Juli veröffentlicht wurde. Fast ein Fünftel der Befragten waren sich sogar sicher, dass die Produktivität in heimischer Umgebung sogar höher ist. Nur etwa ein Drittel der befragten Mitarbeiter fehlte der direkte Kontakt zu den Kollegen. Allerdings vermisst fast jeder Zweite die klare Trennung von Beruf und Privatleben. Als Vorteil von Homeoffice werden hervorgehoben: Die Zeitersparnis, weil der Weg zur Arbeit wegfällt (68 Prozent). Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (66 Prozent). Und immerhin mehr als die Hälfte der Angestellten findet, dass zu Hause produktiver gearbeitet werden kann als am Arbeitsplatz im Büro. Die Studie der DAK zeigt auch: die Beschäftigten haben weniger Stress. Zumindest subjektiv. Im Vergleich zu einer Befragung im Winter letzten Jahres fühlten sich während der Corona-Krise weniger Menschen gestresst. Die überwältigende Mehrheit der Befragten wollen am liebsten auch nach der Corona-Krise an der Arbeitsform Homeoffice festhalten.

 

Wertschätzung immer wichtiger

 

Schon vor Corona hatte sich der Stellenwert von Mitarbeitern verändert. Denn qualifizierte Arbeitskräfte fehlten quasi überall. Das spürten auch die Immobilienunternehmen. Auf Ausschreibungen in den üblichen Portalen bewarben sich zunehmend weniger potenzielle neue Kollegen oder aber die Qualifikationen waren unterdurchschnittlich.  Für so genannte Headhunter — Kopfgeldjäger — wurde das Recruiting dadurch zu einer einträglichen Beschäftigung, während Kleinunternehmer immer tiefer in die Tasche greifen mussten, um gutes Personal zu finden.

 

Mein Kollege Adrian Darr trifft sich mit dem Personal-Experten Ralf Haase. Digital versteht sich. Wir wollen wissen, ob die Auswirkungen von Corona, die in einigen Branchen wie der Gastronomie dazu geführt haben, dass serviceorientierte Menschen ihre Arbeit verloren haben, in der Immobilienbranche gut aufgehoben wären.

 

Chance: Recruiting von Personal aus anderen Branchen

 

Zahlen dazu gibt es derzeit zwar noch nicht, Haase sieht aber gute Chancen, Mitarbeiter aus anderen, ähnlichen Dienstleistungsberufen zu rekrutieren und aus- oder fortzubilden. Beste Voraussetzungen bringen dabei diejenigen Kandidaten mit, die schon in ihrem alten Beruf gelernt hatten, es als wertvoll für sich und das Unternehmen zu betrachten, die Bedürfnisse von Kunden zu erfüllen. Wertschätzung wirkt im optimalen Fall in zwei Richtungen. Von der Unternehmensleitung zum Mitarbeiter, aber auch umgekehrt vom Mitarbeiter zum Unternehmen. Einen Mitarbeiter kann es beispielsweise mit Zufriedenheit erfüllen, wenn er erfolgreich für das Unternehmen agiert hat und am Erfolg beteiligt wird. Und umgekehrt geht es nicht mehr nur um die üblichen Rituale der Wertschätzung, sondern auch um bessere Vergütung, Boni, Gratifikationen, Umsatzbeteiligungen oder Provisionen.

 

Immobilienbranche steht auf festen Füßen

 

Haase hält die Immobilienbranche für stabil, glaubt, dass Corona wenig negative Auswirkungen hinterlässt, dass die positiven Impulse überwiegen werden. Auch das Recruiting an sich hat sich durch Corona geändert. Bewerbungen finden über Vikos statt, Tests lassen sich ebenfalls auf dem digitalen Weg durchführen, Unterlagen und Referenzen werden ohnehin kaum noch per Post verschickt. Die neue Flexibilität — sie betrifft alle Unternehmensbereiche. Auch die Chefetage.

 

Das mobile Büro

 

Matthias Ruffert, CEO der Marketingagentur Smabu, reist jedes Jahr fünf bis sieben Monate und arbeitet von unterwegs. Ende Januar stieg er ins Flugzeug nach Sydney, um der Corona-Krise zu entgehen. Kein Problem. Denn eine Unterscheidung zwischen Urlaub und Arbeit gibt es für den Unternehmer nicht. Sein komplettes Büro passt in einen kleinen Rucksack. Ruffert ist digital durch und durch, reist stets mit leichtem Gepäck. Von wo er arbeitet, spielt keine Rolle. Immer mit dabei: sein Laptop und ein Smartphone mit LTE-Verbindung. Ruffert managt alles über diese zwei Geräte. Apps machen es möglich, die Kosten für internationale Gespräche fallen nicht ins Gewicht, die Zeitverschiebung regelt die digitale Weltzeituhr auf dem Display seines Laptops. Als Matthias Ruffert in Australien ankommt, leiht er sich einen Minicamper und fährt los. Allein.

 

Kundengespräche am Ayers Rock

 

Das bleibt nicht lange so. Wo immer er hinkommt, trifft er Leute, tauscht sich aus, erfährt etwas über Land und Leute. Der Perspektivenwechsel tut gut, denn auch in Australien gibt es eine Immobilienbranche, die ganz anders tickt als in Deutschland. Davon profitiert Ruffert. Sein Unternehmen, das sich auf digitale Dienstleistungen konzentriert, soll stets „State of the Art“ sein, immer nah dran an den neusten Innovationen. Wer innovativ sein will, muss in der Lage sein, über den Tellerrand hinaussehen zu können. Genau das lebt Ruffert aus und verbindet Beruf und private Interessen — für ihn die perfekte Work-Life-Balance, um die ihn viele beneiden.

 

Da Ruffert jedes Jahr mehrere Monate reist und von unterwegs arbeitet, kommt es fast zwangsläufig vor, dass er seinen Laptop an außergewöhnlichen Orten aufgeklappt, wie beispielsweise dieses Jahr mit Blick auf atemberaubende Strände oder Ayers Rock. Ruffert, der vor dem Gründen seiner eigenen Firma als Führungskraft in einem großen Unternehmen tätig war, entschloss sich, ein eigenes Unternehmen zu gründen und so aufzubauen, dass er seine Dienstleistungen theoretisch von jedem Ort der Welt aus erledigen kann. Die Anwesenheit vor Ort beim Kunden scheut Matthias Ruffert nicht, der persönliche Kontakt ist ihm weiter wichtig, doch Corona bestätigte ihm letztendlich auch, dass das Ausweichen auf digitale Kommunikationsformen keinen Nachteil darstellt. Im Gegenteil. Denn ausgelöst durch die Pandemie erhöhte sich die Nachfrage von seinen Kunden nach digitalen Dienstleistungen, so dass gut 90 % seines Vorjahresumsatzes bereits zur Hälfte des Jahres erreicht war.

 

Ein ortsunabhängiges Business-Modell, wie es Ruffert geschaffen hat, ist für die meisten Unternehmen der Immobilienbranche kaum möglich. Immobilien sind eben nicht mobil und daher ist das direkte Erleben vor Ort wahrscheinlich nicht zu ersetzen. Verwalter werden noch viele Jahre Instandhaltungsbesichtigungen durchführen, Gutachter feuchte Wände messen und Makler Besichtigungen durchführen. Sicher ist schon jetzt, dass all diese Tätigkeiten digital unterstützt werden können. Und für undenkbar gehaltene Innovationen kommen schneller als gedacht. Zuletzt verursachte SAM große Medienaufmerksamkeit. Der Besichtigungsroboter lässt sich über das Handy steuern, so dass sich der Interessent in der Immobilie frei bewegen kann. Die Immobilienmakler Roland Kampmeyer und Stefan Sagraloff gehörten zu den ersten, die diese Technologie einsetzten. Die Bild-Zeitung, SAT1 und der Bayerische Rundfunk ließen nicht lange auf sich warten und berichteten gerne über diese digitale Innovation, die gut in diese verrückte Zeit zu passen scheint. Bringt nichts, mögen Kritiker sagen. So ein Roboter bietet gegenüber einer virtuellen Tour kaum Vorteile. Und der Roboter kann sich auch nur gut in leeren Immobilien bewegen. Stufen kommt er nicht hinauf. Das mag stimmen und dennoch beeindruckt es Eigentümer, die eine solche Technologie noch nie zuvor im Einsatz gesehen haben. Wie bei allen Innovationen erschöpft sich dieser Effekt spätestens dann, wenn sich eine Technologie verbreitet und zum Alltag gehört. Die ersten Drohnen haben auch für Aufmerksamkeit gesorgt. Durchgesetzt haben sie sich kaum. Denn der Mehrwert, eine Immobilie von oben zu sehen, war für die meisten Kunden zu wenig erkennbar.

 

Fazit

 

Corona hat der Immobilienbranche vor allem einen großen Digitalisierungsschub verschafft. Viele Immobilienunternehmer haben durch die Erfahrung des Lockdowns verstanden, dass es sinnvoll ist, digital besser aufgestellt zu sein, um auch unter außergewöhnlichen Umständen jederzeit als Dienstleister verfügbar zu sein. Und es sind nicht nur virtuelle Touren oder Besichtigungsroboter, die bleiben, sondern auch die Erfahrung, dass eine höhere Flexibilität den Mitarbeitern gegenüber, mehr Mitbestimmung und Eigenverantwortlichkeit für den Erfolg des Unternehmens einen hohen Wert darstellt.

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„Es geht auch um fördern und fordern.“

 

Peter Schürrer ist Immobilienmakler in Baden-Württemberg und hat über 100 Mitarbeiter. Jeden einzelnen regelmäßig wertzuschätzen ist zeitlich eine große Herausforderung. Im AIZ-Interview verrät er, wie ihm das gelingt.

 

Herr Schürrer, wie viele andere Unternehmer auch möchten Sie ein gutes Verhältnis zu Ihren Mitarbeitern haben. Dabei haben Sie aber einen besonderen Ansatz. Welcher ist das?

 

Mein Ansatz ist, mit allen meiner Mitarbeiter immer kurz zu sprechen, wenn ich sie sehe. Ich bin auch immer für alle ansprechbar, auch für den Lehrling. Bei über 100 Mitarbeitern kostet das manchmal etwas Kraft und Zeit. Aber das hat etwas mit Wertschätzung zu tun.

 

Was bedeutet Wertschätzung von Mitarbeitern eigentlich?

 

Es geht auch um fördern und fordern. Wir ermöglichen unseren Mitarbeitern sich weiterzubilden. Aber wir setzen jedem auch sein Ziel. Wir haben eine Struktur und auch eine Disziplin. Spätestens nach der Probezeit läuft das in der Regel mit allen rund. Dabei schauen wir auch nicht auf die Uhr. Wir ermöglichen allen eine gewisse Flexibilität. Bei uns zählt das Ergebnis, nicht die Zeit.

 

Durch die Corona-Krise arbeiten immer mehr Mitarbeiter im Homeoffice, also aus der Ferne. Haben Sie in dieser Zeit etwas gelernt, was Sie in die Zeit nach Corona mitnehmen können?

 

Ja, sehr viel. Arbeiten im Homeoffice gab es bei uns schon immer. Zu diesem Thema haben wir gerade auch eine Umfrage unter unseren Mitarbeitern durchgeführt. Das Thema Homeoffice wird aktuell weiter ausgebaut.  Außerdem kümmern wir uns verstärkt darum, dass die Mitarbeiter eine gute Internetverbindung und Ausstattung haben.

 

Es gibt ja Studien, die sagen, dass Homeoffice die Produktivität steigern soll. Aber anscheinend lässt sich das nicht auf alle Branchen übertragen. Wie sind da Ihre Erfahrungen?

 

Unserer Erfahrung nach ist das personenabhängig. Habe ich mein eigenes Arbeitszimmer oder werde ich durch Nebengeräusche abgelenkt? Das hängt alles zusammen. Hier kommt es auch auf die Disziplin an. Meine Erfahrung ist aber, dass alle meine Mitarbeiter aus dem Homeoffice arbeiten können. Die Produktivität leidet nicht.

 

Ich würde gern nochmal auf das Thema Wertschätzung zurückkommen. Gab es da eine Erfahrung, ein Ereignis, das dieses Thema für Sie so wichtig gemacht hat?

 

Als ich vor 25 Jahren angefangen habe, war ich natürlich mit allen Mitarbeitern per Sie. Das war schon eine gewisse Distanz. Heute bin ich mit allen Mitarbeitern per Du. Ich habe aber auch gelernt, dass Wertschätzung sein kann, Mitarbeitern mehr Freiheit und Verantwortung zu geben. Wenn Kollegen mit Entscheidungsfragen zu mir kommen, dann überlasse ich ihnen oft die Entscheidung. Und wenn es mal vorkommt, dass die Kollegen einen Fehler machen, dann ist das eben so. Fehler mache ich auch.

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„Wertschätzung ist Beteiligung am Unternehmenserfolg.“

Ralf Haase ist Personalberater und permanent auf der Suche nach guten Mitarbeitern für andere Unternehmen. Im AIZ-Interview spricht er darüber, wie wichtig Wertschätzung der Mitarbeiter ist und dass sich das nicht nur in der Vergütung ausdrückt.

 

Welchen Wert haben Menschen heutzutage im Unternehmen?

 

Der Mensch erfüllt im Unternehmen ja eine Rolle. Je mehr die Mitarbeiter in die Lage versetzt werden, echte Kundenprobleme in Gänze zu lösen und damit wertschöpfend wirksam zu sein, desto höher wird auch ihr Wert für das Unternehmen sein.

 

Wie kann ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern gegenüber Wertschätzung ausdrücken? Reicht ein „Danke“?

 

Wertschätzung ist Beteiligung am Unternehmenserfolg. Und das meine ich nicht mal in erster Linie monetär, sondern vor allem als Sichtbarkeit für die Mitarbeiter, was sie zum Unternehmenserfolg beigetragen haben. Am Ende gehört aber natürlich auch eine entsprechende Vergütung dazu.

 

Wie findet man gute Mitarbeiter?

 

Heutzutage läuft sehr viel im Recruitment über die Methode „Direct Search“, also die direkte Ansprache über die sozialen Medien. Immer mehr Bedeutung gewinnen auch Matching-Verfahren bei der Mitarbeitersuche. Wir zum Beispiel haben mit propertyhead.de eine Matchingplattform für Jobs in der Immobilien- und Bauwirtschaft ins Leben gerufen, in der ein Algorithmus Unternehmen und Mitarbeiter zusammenführt. Grundsätzlich plädiere ich dafür, in einen Multichannel-Suchmodus zu gehen. Also Direct Search, elektronische Wege und für besondere Positionen auch mal die Einschaltung eines Dienstleisters, der gezielt die richtige Person sucht.

 

Wie beeinflusst die Corona-Krise die Mitarbeitersuche?

 

Es ist nach meinen Erfahrungen schon so, dass im Durchschnitt die Nachfrage nach neuen Mitarbeitern gesunken ist. Andererseits gibt es aber auch Branchen, die von der aktuellen Krise stark betroffen sind und wo Menschen ihren Job verloren haben oder aufgeben mussten. Es gibt einige Unternehmen, die gerade jetzt proaktiv Mitarbeiter suchen und das antizyklische Recruiting für sich entdecken und die Chance, gute Mitarbeiter zu finden, die die großen Unternehmen ihnen sonst weggeschnappt haben.

 

Welche Chancen ergeben sich jetzt für Unternehmen der Immobilienwirtschaft?

 

Die Bau- und Immobilienbranche ist ja bisher wenig von der Krise betroffen und bietet damit eine große Stabilität in der Wirtschaft. Das bedeutet, dass die freiwerdenden Kräfte aus anderen Branchen auch zur Verfügung stehen. Jetzt gibt es die Chance, gute serviceorientierte Kräfte, wie beispielsweise aus der Gastronomie oder dem Veranstaltungsmanagement zu gewinnen. Aber ich denke auch an den ganzen Bereich IT.

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„Es gibt viele schöne Momente.“

 

Matthias Ruffert ist Inhaber und Geschäftsführer einer Marketingagentur für die Immobilienwirtschaft. Er lebt die Arbeit aus der Ferne. Sein Büro trägt er stets in Form eines Rucksacks mit Laptop bei sich. Im AIZ-
Interview erzählt er von seiner abenteuerlichen Arbeit aus Australien.

 

Herr Ruffert, Sie reisen viel und arbeiten von unterwegs. Jetzt waren Sie mehrere Monate in Australien. Was erlebt man so, wenn man die meiste Zeit aus der Ferne arbeitet?

 

Es gibt häufig Ablenkungen, weil es so viele schöne Momente gibt. Das macht die Arbeit viel angenehmer. Sei es eine schöne Aussicht, eine schöne Landschaft, seien es Tiere oder zehn Rettungsschwimmer, die ins Meer rennen für eine Übung oder Vögel, die über den Tisch laufen und versuchen, dir dein Essen zu klauen. Um so zu arbeiten, benötigt man allerdings Struktur und Disziplin. Aber die Digitalisierung macht es möglich, so zu arbeiten.

 

Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie in Australien waren?

 

Ich reise jedes Jahr fünf bis sieben Monate und arbeite von unterwegs. Als ab Januar absehbar war, was aus China auf uns zukommt, habe ich mir drei Kriterien überlegt, die erfüllt sein müssen von meinem diesjährigen Reiseziel. Das erste Kriterium war: so weit wie möglich weg. Das zweite war: das Land muss ein gutes Gesundheitssystem haben. Und das dritte war: es muss ein Land sein, das ich noch nicht kenne.

 

Warum können Sie überhaupt über Remote, also aus der Ferne arbeiten?

 

Ich bin ja Gründer und Inhaber von einem Unternehmen, das grundsätzlich schon zu 100 Prozent digital ist. Das ist die Grundvoraussetzung. Aber im Endeffekt ist es so, dass ich mein Leben so aufbaue und gestalte, dass ich meine Ziele über einzelne Schritte erreiche. Ich mache eine Analyse, ein Konzept und dann folgt die konsequente Umsetzung. Und so habe ich von Anfang an die Firma aufgebaut, dass ich von überall arbeiten kann. Und Corona hat jetzt gezeigt, dass dieser Weg richtig war.

 

Welche Vor- und Nachteile hat denn das Arbeiten in der Ferne?

 

Da muss ich ganz klar sagen, dass es nicht für jeden etwas ist. Einige Freunde, Verwandte und Bekannte haben mir gesagt, dass sie Familie und Freunde vermissen würden. Die Vorteile sind natürlich, dass man unabhängig und flexibel ist.

 

Welche Tipps würden Sie anderen geben die auch so flexibel arbeiten möchten?

 

Man kann nicht von heute auf morgen seine Arbeitsweise umstellen. Aber wenn man in einer Branche tätig ist, die digital funktioniert, dann braucht man das richtige Equipment und die richtige Einstellung. Man muss das richtig planen und vorbereiten. Man muss bereit sein, Risiken einzugehen. Und man sollte sich Alternativrouten überlegen. Man muss auch mit Rückschritten und Fehlschlägen umgehen können. Und man muss das richtige Produkt haben, dass man also auch das nötige Einkommen hat. Man sollte auch keine Kompromisse machen und nicht abwarten. Man muss es einfach nur machen.