Wie kann man bei Projektentwicklungen eine nachhaltige Bewirtschaftung mitdenken?

12. April 2022


Stefan Klingsöhr ist als Projektentwickler schon lange im Geschäft und baut aktuell in Berlin-Neukölln ein nachhaltiges Büroobjekt. Zu den Klimazielen der Bundesregierung hat er eine gespaltene Meinung. Umsetzen will er sie aber dennoch.

Von Stefan Klingsöhr

Zeiten ändern sich. Und mit ihnen das Realisieren von Immobilienprojekten. Seit über 25 Jahren arbeite ich als Projektentwickler, habe mit meinen Partnern insgesamt mehr als eine Milliarde Euro in Immobilien investiert. Rückblickend kann ich feststellen: Nie war es so kompliziert und herausfordernd wie heute.

In den 1990er- und 2000er-Jahren gab es kaum bauspezifische Regulierungen. Es ging meist darum, möglichst kostengünstig zu bauen. Derzeit zeichnet sich ein entscheidend anderes Bild. Es gibt unzählige Regeln und Vorgaben zu beachten. Und wir stehen erst am Anfang — was heute als nachhaltig gilt, könnte morgen nicht mehr klimaeffizient sein.  Für meine Kollegen, Kolleginnen und mich stellt sich permanent die Frage: Wie kann man bei Projektentwicklungen eine effiziente und nachhaltige Bewirtschaftung mitdenken?

Denn die neue Bundesregierung hat für das Jahr 2050 das Ziel eines nahezu klima-neutralen Immobilienbestands ausgegeben. Die entsprechenden Spielregeln dafür taumeln aber zwischen fiktionaler Vision und wirtschaftlicher Machbarkeit.

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Eule

Effizienz ist teuer

Zwei interessante Beispiele: So müssen 2025 neu eingebaute Heizungen auf der Basis von einem 65-prozentigen Anteil erneuerbarer Energien betrieben werden. Das ist zwar eine nachvollziehbare Idee, doch in größeren Städten praktisch und finanziell derzeit kaum leistbar. Beim Thema Fenster wurde bisher auf Zweifachverglasung gesetzt. Nun ist die gewünschte Dreifachverglasung zwar dichter und hat einen besseren Wärmedurchgangskoeffizienten, ist aber auch 30 Prozent teurer. Bringt sie dafür eine 30 Prozent stärkere Wärme-Isolation? Nein. Es ist eines von vielen Beispielen, die viel kosten, aber zu wenig Effizienz bieten.

Während bis vor wenigen Jahren die anteiligen Kosten für Haustechnik bei 25 bis 30 Prozent lagen, sind sie derzeit bei 40 Prozent. Tendenz steigend. Die neuen Nachhaltigkeitsziele sind ein Gamechanger in der Immobilienbranche. Ich halte sie daher trotz allem für eine spannende Herausforderung, denn wir wollen und müssen unseren Beitrag zur Klimaneutralität leisten. Projektentwickler müssen heutzutage weitsichtiger und kreativer sein, um sich durchsetzen zu können.

Wie funktioniert der Projektstart?

Beim Wohnungsbau kann man sich nach Effizienzrichtlinien wie dem Effizienzhaus-Standard 40 oder 55 richten. Bei Büroimmobilien, worauf meine Partner und ich spezialisiert sind, orientieren wir uns an offiziellen Zertifizierungen wie LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) oder die der DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen). Darauf achten auch Investoren.

Um energieeffizient zu sein, sind vor allem die Themen Wärme, Kälte und Strom relevant. Die dafür benötigte Haustechnik dominiert die Frage der Bewirtschaftungskosten. Das Kernthema lautet also „Bauphysik“. Entsprechend wichtig sind bei der Projektplanung von Tag eins an Experten für ESG (Environment, Social, Governance), Ingenieure und Architekten. Diese suchen mit Planungsbeginn nach einer funktionalen Lösung für das Anforderungsprofil des Gebäudes.

Um den Energiebedarf zu befriedigen, ergibt sich eine Vielzahl von Herausforderungen. Als Projektentwickler wird man beispielsweise nach dem Klimaschutzgesetz künftig dazu verpflichtet, Photovoltaikanlagen bei Neubauten zu installieren. Nun trägt die Solarenergie selten zu einem positiven Deckungsbeitrag bei. Das führt zu negativen Einnahmen, da man Strom generiert und dennoch draufzahlen muss. In urbanen Innenstädten gibt es selten Situationen, in denen sich Photovoltaik (PV) rechnet. Umbauten sind aufgrund von Denkmalschutz oft nicht möglich.

Erneuerbare-Energien-Druck

Bei unserem Büroprojekt „SHED“ in Berlin-Neukölln ist es uns gelungen, eine spezielle Dachkonstruktion, bei der die Solarzellen eine optimale Ausrichtung zur Sonnenstrahlung haben, zu installieren. So werden wir auf dem gesamten Bürokomplex 30 Prozent des Stroms CO2-neutral erzeugen. Man sollte also schon bei der Hochbauplanung darauf achten, dass PV möglich und wirtschaftlich wird.

Auch beim Heizen und Kühlen ist der Druck, erneuerbare Energien zu nutzen, groß. Zur Wärmegewinnung stehen alternativ Erdwärme- und Luftwärmepumpen zur Verfügung. Auch hierbei stößt man in urbanen Gebieten an Grenzen. Es sind oft zu viele Sonden für die Erdwärme notwendig, die auf den meist kleinen Restgrundstücken nicht unterzubringen sind. Luftwärmepumpen sind raumgreifend und erzeugen hohe Lärmemissionen. Ein weiteres Problem ergibt sich, wenn der Strom für Wärmepumpen nicht aus PV zu gewinnen ist. Letztlich muss die gesamte Heizungsanlage erneuert werden, weil die niedrige Vorlauftemperatur für den Betrieb der bestehenden Anlagen nicht ausreicht.

Bei Neubauten kann man darüber nachdenken, eine geschlossene Hülle zu kreieren, bei der man keine Fenster öffnen kann, sodass keine Wärme oder Kälte verloren geht. Mit smarten Lüftungen kann man energiesparender heizen und kühlen.

Der Nutzer darf nicht vergessen werden

Mitdenken heißt auch, an die Verkehrsanbindung zu denken. Hierbei haben innerstädtische Objekte den Vorteil, durch eine ÖPNV- oder Fahrradweg-Anbindung CO2-Emissionen zu sparen. Die Wirtschaftlichkeit kann erhöht werden, wenn man das Regenwasser direkt zurück in das Grundwasser führt, da so Kosten für die Kanalisation gespart werden. Auch Konzepte zum Abwasser und zur Müllentsorgung sind für das Planungsteam schon im Vorfeld relevant.

Die neuen klimaeffizienten Rahmenbedingungen sind entscheidend. Doch es geht nicht nur um den Selbstzweck. Menschen müssen sich wohlfühlen. Für mich bleibt das als Projektentwickler der größte Anreiz. Nutzer bewerten Gebäude nach ihrer Emotion: Belichtung, Akustik oder das Zusammenspiel mit der Natur.
Sind hohe Decken nachhaltig? Nein. Tragen sie zum Wohlbefinden bei? Ja. Auch das ist wichtig.

 

Foto: © franckito/Depositphotos.com