„Wir brauchen privates Kapital für den Wohnungsbau“

2. Februar 2024


Er führt eine der größten Wohnungsgesellschaften Deutschlands. Und nimmt öffentlich kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, die Zusammenhänge auf den Bau- und Wohnimmobilienmärkten aufzuzeigen und die notwendige politische Unterstützung zu reklamieren. Der 49-jährige Duisburger ist gelernter Steuerberater und Wirtschaftsprüfer und studierter Betriebswirt. Er war Mitglied des LEG-Vorstands als Chief Digital Officer, bevor er zum 1. Juni 2019 den Vorstandsvorsitz der börsennotierten LEG antrat. Im Interview mit unserem Magazin beschreibt er die immobilienwirtschaftliche Lage und macht sich für eine Priorisierung des Neubaus und eine Deregulierung des Mietwohnungsmarkts stark.

Interview von Stephen Paul

AIZ-Magazin: Heute führen Sie die LEG mit etwa 167.000 Wohnungen. War Ihnen die immobilienwirtschaftliche Berufstätigkeit bereits in die Wiege gelegt?

Lars von Lackum: Tatsächlich habe ich schon in der Kindheit eine Begeisterung für die Immobilienbranche entwickelt, da mein Vater stets in der Wohnungswirtschaft, unter anderem viele Jahre als Geschäftsführer der TLG IMMOBILIEN GmbH, aktiv gewesen ist. So durfte ich schon als Kind viele Bestände aus nächster Nähe kennenlernen, wenn ich ihn begleitet habe. Dabei sind mir insbesondere die ostdeutschen Bestände der ehemaligen DDR noch in Erinnerung geblieben, bei denen es vielfach noch die Toilette auf halber Treppe gab oder das Wasser innen die Wände heruntergelaufen ist: das Ergebnis jahrzehntelang ausgebliebener Investitionen in die Bestände und für mich bis heute inneres Mahnmal sozialistischer Wohnungsmarktpolitik.

Bauen Sie noch?

Wir führen derzeit noch drei begonnene Bauprojekte zu Ende — danach ist Schluss. Das fällt uns nicht leicht. Bezahlbar bauen können wir in Deutschland aber erst wieder, wenn Zinsen, Baukosten und die Anforderungen von Bund, Ländern und die überbordenden Wünsche einzelner Kommunen deutlich gesunken sind. Aktuell landen wir bei Neubaumieten von über 18 Euro für den frei finanzierten Teil eines Projektes — das können sich unsere Mieter schlicht nicht leisten.

Wie kann der Wohnungsbau wieder wirtschaftlich werden?

Ich beschränke mich mal auf drei wesentliche Punkte: Zum einen braucht es nicht immer mehr, sondern weniger Standards, um die Baukosten deutlich zu reduzieren. Dass die Bundesregierung beschlossen hat, die Energiestandards bei Neubaumaßnahmen nicht weiter zu erhöhen, ist ein erster richtiger Schritt. Es reicht aber nicht aus. Wir brauchen ein Baurecht, das Bauen auch ermöglicht. Dafür müssen wir die 16 Landesbauordnungen harmonisieren. Das Baurecht muss weg von detailverliebten Einzelvorschriften hin zur generischen Vorgabe des zu erreichenden Ziels.

Zum zweiten wird eine sinnvolle Flächenplanung benötigt, losgelöst von umständlicher Bürokratie. Für ein Plus an Wohnungen in Deutschland reicht die Blümchenpolitik der innerstädtischen Lückenschließung nicht, ebenso wenig wie die Umwandlung von Gewerbe- in Wohnraum. Für bezahlbare Wohnungen brauchen wir Baufelder an den Stadtgrenzen und größere Flächen, zum Beispiel ehemals industriell genutzte Großflächen. Dann können wir seriell bauen, die Baukosten senken und eine angemessene Verzinsung auf das eingesetzte Kapital für Investoren bieten. Das hat der Bundeskanzler richtig erkannt. Passiert ist in diesem Punkt seitdem aber genau gar nichts. Zum dritten braucht es den unbedingten Willen, den Neubau zu priorisieren.

Wie nehmen Sie die Forderungen an den Justizminister wahr, die mietrechtliche Regulierung zu verlängern und zu verschärfen?

Die bestehenden weitreichenden Regelungen, um die Erhöhung der Bestandsmieten zu beschränken, erlauben bereits heute noch nicht einmal eine Kompensation der dramatischen Kostensteigerungen. Gleichzeitig hat der hohe Schutz der Bestandsmieter eine Versteinerung des Wohnungsmarktes zur Folge. Der Abstand zu den Marktmieten im Rahmen der Neuvermietung ist in den meisten Märkten inzwischen so groß, dass wer eine Wohnung hat, diese nicht aufgibt, selbst wenn sich sein Bedarf beispielsweise durch den Auszug der Kinder oder eines Partners deutlich verändert hat. Dementsprechend würde eine weitere Absenkung der Kappungsgrenze auf elf Prozent in angespannten Wohnungsmärkten dieses Problem nur weiter verschärfen. Zusätzlich und besonders paradox wirkt die Unterschiedlichkeit der Kappungsgrenzen und die Anwendbarkeit der Mietpreisbremse in nah beieinander liegenden Ballungsräumen. Dadurch sind die Mieten in Städten mit einem entspannteren Wohnungsmarkt teils dynamischer gestiegen, so dass es nur noch geringe Unterschiede zum Mietniveau zu Städten mit deutlichem Nachfrageüberhang gibt: eine Fehlsteuerung par excellence. Letztlich würde eine weitere Beschränkung der Modernisierungsumlage dazu führen, dass die überaus ambitionierten Klimaschutzziele in weite Ferne rücken würden. Schon heute lassen die seit Jahren unveränderten Umlagehöhen von zwei beziehungsweise drei Euro pro qm eine auskömmliche Rendite nicht zu. Es lässt sich also festhalten: Wir brauchen nicht mehr, sondern weniger Regulierung im Mietmarkt. Ich bin Herrn Buschmann dementsprechend dankbar für sein Eintreten für ein mehr an Marktwirtschaft.

Gibt es noch einen Wohnungs-“Markt“? Sind die Preiseingriffe zum Mieterschutz noch für die Mieter selbst hilfreich?

Jeder BWL-Student lernt im ersten Semester: Wenn das Angebot knapp ist, steigt der Preis. Und wir gehen in Deutschland mittlerweile von einer Angebotslücke von 1,5 bis 2 Millionen Wohnungen aus. Um diese zu schließen, brauchen wir privates Kapital für den Wohnungsbau. Gleiches gilt, wie dargestellt auch für den Bestand. Nur wenn Investoren eine risikoadäquate Rendite
auf ihr eingesetztes Kapital erhalten, werden sie in die Bestände investieren, um diese energetisch zu verbessern.

Staatliche Förderung — umso mehr bei der Verpflichtung zur Einhaltung der Schuldenbremse und damit knapper öffentlicher Kassen — kann Neubau und die energetische Verbesserung flankieren, aber sie kann das benötigte Volumen an privatem Kapital nicht ersetzen. Der Markt wird sich erst dann wieder entspannen, wenn dem Mietpreis seine Steuerungswirkung zurückgegeben wird, wenn der Preis sich also tatsächlich wieder als Ergebnis von Angebot und Nachfrage frei bilden kann. Kappungsgrenze, Mietpreisbremse und Obergrenze nach Modernisierungsmaßnahmen schützen alle Mieter unabhängig von ihrer Bedürftigkeit. Die Kosten dieser pauschalen Preisbeschränkungen sind prohibitiv hoch, sie verhindern ausreichenden Neubau und sie gefährden die Reduktion der CO2-Emissionen im Gebäudebereich. Deutlich günstiger und auch gerechter wäre eine Mietpreisflexibilisierung mit einer gezielten Subjektförderung für Mieter, die entsprechend bedürftig sind.

Wäre ein solches Modell realistisch durchsetzbar?

Angesichts der Skepsis gegenüber marktwirtschaftlichen Lösungen bei zwei der regierenden Ampelparteien wird die zuvor skizzierte Lösung leider wohl nicht Realität werden. Weniger weitreichend, aber bereits wirkmächtig, wäre eine Verkürzung der derzeit sechsjährigen Rückschauperiode in den Mietspiegeln. Die Mieterhöhungen liefen damit den Inflationsraten nicht mehr so deutlich nach. Die im Koalitionsvertrag niedergelegte Verlängerung des Betrachtungszeitraumes auf acht Jahre würde das Problem nochmals weiter verschärfen, das Instrument aus Sicht der Eigentümer endgültig ad absurdum führen. Kurzum: Wir brauchen dringend wieder mehr Vertrauen in die Steuerungswirkung des Preises, flankiert durch die gezielte Unterstützung für die Menschen, die es wirklich brauchen, Stichwort: Subjekt- statt Objektförderung.

Zu Jahresbeginn warnten Sie vor einem Stillstand am Wohnungsmarkt…

Dieser Stillstand zeigt sich im Bereich des Neubaus bereits in dramatischer Weise. Die Neubaubeginne nehmen ab, die Stornierungen nehmen deutlich zu. Folglich werden wir erste Insolvenzen von Unternehmen im Wohnungshochbau sehen. Verschärfend hinzu tritt die geringe Transaktionsaktivität im Wohnimmobilienmarkt, egal ob nun Neubau oder Bestand. Die hohe Abhängigkeit der Projektentwickler von der Liquiditätsschaffung durch Abverkäufe hat bereits zu ersten Insolvenzen geführt und wird das voraussichtlich auch weiterhin tun.

Wichtig für die weitere Entwicklung der gesamten Branche wird deshalb sein, wann die Transaktionsmärkte wieder stärker öffnen und mit größeren Volumina ans Laufen kommen und auf welchem Preisniveau das der Fall sein wird. Das Ende der Zinserhöhungen durch die Zentralbanken und die steigende Nachfrage nach dem Produkt Wohnen scheinen dabei gute Katalysatoren für eine Wiederbelebung des Transaktionsmarktes im Jahr 2024 zu sein. Legen Sie mich bitte nur nicht fest, ob das schon in der ersten oder erst in der zweiten Jahreshälfte passiert, aber ich bin mir sicher, dass es passiert.

Sie hatten vor der EU-Gebäuderichtlinie gewarnt, gegen die das GEG nur ein „laues Lüftchen“ sei. Nun kommt die Gebäuderichtlinie mit dem Sanierungszwang so doch nicht. Also Entwarnung für Immobilieneigentümer und Wohnungsunternehmen?

Für eine Entwarnung reicht es nicht, aber es hätte schlimmer kommen können. Gut ist, dass das viel kritisierte „Worst-First“-Prinzip, also die Sanierung der schlechtesten Gebäudeeffizienzklassen zuerst, zu Gunsten einer nationalen Klimastrategie entfallen soll. Damit müsste auch die Einführung neuer EU-Effizienzklassen entfallen und ein großes Sorgenpaket — gerade für Kleinvermieter und Hauseigentümer — fällt weg. Damit haben wir in Deutschland jetzt die Chance, einen nationalen Klimaschutzplan aufzustellen, der die Emissionseffizienz ganzer Gebäude und Quartiere betrachtet statt sich, wie bisher, einseitig auf die Energieeffizienz der Gebäudehülle zu fokussieren. Wir bringen uns hier als großes Wohnungsunternehmen mit unserer Expertise für effektiven und effizienten Klimaschutz — von der KI-gestützten Heizungssteuerung bis zum seriellen Sanieren — sehr gerne ein.

Reizt es Sie mit ihrer großen Erfahrung und den Kenntnissen an der Spitze eines so großen Wohnungsunternehmens nicht manchmal, selbst in die Bau- und Wohnungspolitik einzusteigen?

Spätestens nach Lektüre dieses Interviews sollte klar sein, dass ich nicht unbedingt zum Politiker tauge. Bismarck wird der Satz zugeschrieben, dass Politik stets die Kunst des Möglichen ist. Zusammen mit meinen Kollegen in der LEG strebe ich aber lieber nach der Erreichung bestmöglicher Lösungen und ambitionierter Ziele und das ganz ohne den Zwang, für jede Entscheidung zuvor politische Mehrheiten organisiert haben zu müssen.

Was würden Sie entscheiden, wenn Sie für einen Tag Bauminister wären?

Nach meiner letzten Antwort hatte ich die große Hoffnung, dass mir diese schwierige Suggestivfrage erspart bleibt. Lassen Sie mich also kurz — mit einem kleinen Zwinkern — Folgendes ausmalen: Ich würde den frühen Morgen nutzen, die Minister für Wirtschaft und Klimaschutz sowie Justiz davon zu überzeugen, dass die Zuständigkeiten für den Klimaschutz im Gebäudebestandsbereich und die Mietregulierung in die Verantwortung des Bauministeriums übergehen. Meine Vermutung wäre, dass ich nach zwei kurzen abschlägig beschiedenen Gesprächen dann noch relativ viel Zeit damit zubringen würde, den Bundeskanzler von der Sinnhaftigkeit dieser neuen Ressortzuschnitte zu überzeugen. Leider ebenfalls vergeblich.

Ganz sicher bin ich mir deshalb, dass ich am Abend voller Begeisterung das Ministerium wieder in die Hände von Frau Geywitz zurücklegen würde.

Foto: © Tobias Koch