Wird das Bauen jetzt noch teurer?

22. August 2023


Kann sich eine Familie noch ein Eigenheim leisten? Diese Frage steht derzeit im Mittelpunkt der wohnungspolitischen Diskussion. Ein wesentlicher Kostentreiber sind die stark gestiegenen Baukosten. Nimmt man die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick, droht jetzt ganz am Anfang eine weitere Verteuerung in Gestalt einer Rohstoffabgabe.

Von Raimo Benger

Deutschland ist reich an Sand und Kies. Große Vorkommen gibt es entlang des Rheins, in Bayern und in Mitteldeutschland. Ohne Kies und Sand geht kaum etwas auf den Baustellen. Beton besteht zu über zwei Dritteln aus Sand und Kies. Aus mineralischen Rohstoffen wird ebenso Stahl und Eisen hergestellt. Daneben dienen Kiese und Sande auch als Zuschläge für viele andere Baustoffe wie Mörtel, Putz und Asphalt. Die Rahmenbedingungen für den Kiesabbau planen die Bundesländer. Sie regeln auch, unter welchen Bedingungen neue Abbaugebiete erschlossen werden können.

Rohstoffabgabe soll in NRW nächstes Jahr eingeführt werden

Die nordrhein-westfälische Landesregierung will künftig weniger Flächen für den Abbau bereitstellen. Aktuell verhandelt die schwarz-grüne Regierungskoalition eine Rohstoffabgabe, die ab dem 1. Januar 2024 Kies und Sand verteuern und einen Ausstieg aus der Förderung einleiten soll. Widerstand kommt dagegen in großer Einigkeit vom IG BAU-Bundesvorstand, dem Bundesverband der mineralischen Rohstoffe MIRO, der NRW-Bauindustrie oder der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) Nordrhein-Westfalen.

So formulierte die MIT kritisch: „In Zeiten von Rohstoffpreisexplosionen und dem Kampf für erschwingliches Bauen wirkt diese Sonderbelastung für unsere Industrien in Nordrhein-Westfalen wie aus der Zeit gefallen.“

Abgaben auf Sand und Kies werden bundesweit diskutiert

Tatsächlich ist die geplante Abgabe ein Sonderweg für Nordrhein-Westfalen. Kein anderes Bundesland und auch nicht der Bund selbst planen derzeit eine solche Abgabe. Also Entwarnung für den Rest der Republik? Keineswegs! Abgaben auf Rohstoffgewinnung zur Steuerung des Rohstoffbedarfs werden seit Jahren politisch diskutiert. Man erwartet sich davon eine Reduzierung des Rohstoffabbaus und Anreize für Substitution und Recycling. So wird eine solche Primärrohstoffabgabe ausdrücklich vom Umweltbundesamt begrüßt. Ein von der bayerischen Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen in Auftrag gegebenes Gutachten empfahl, eine Rohstoffabgabe auf den Abbau von Sand und Kies zu erheben. Und die grüne Landtagsfraktion in Niedersachsen sprach sich bereits im Jahr 2010 für eine solche Abgabe aus.

Ernstzunehmende wirtschaftliche und rechtliche Bedenken

Dabei hat es die Bau- und Rohstoffindustrie nach der Corona-Pandemie, wegen der Folgen des nicht enden wollenden Krieges um die Ukraine und der explodierenden Energiekosten schon besonders schwer. Die Strompreise — hierzulande bereits die höchsten in Europa — sind im letzten Jahr um mehr als 250 Prozent gestiegen, die Gaspreise sogar um 580 Prozent. Eine weitere künstliche Verteuerung der Bau- und Rohstoffe würde diese Unternehmen daher besonders treffen und in ihrer Existenz bedrohen.

Eine Rohstoffabgabe erscheint darüber hinaus verfassungsrechtlich bedenklich. Für eine spezielle landesrechtliche Steuer dürfte schon die Zuständigkeit des Landes nicht gegeben sein. Eine Erhebung als Gebühr scheidet aus, da die Eigentumsnutzung nicht ohne weitere Voraussetzungen einer Gebührenpflicht unterworfen werden kann. Die Ausgestaltung als Sonderabgabe ist verfassungskonform nicht möglich. Auch aus Wettbewerbsgründen beurteilen wir die geplante Abgabe kritisch, würde die Abgabe nur in einem einzelnen Bundesland eingeführt.

Ministerin Geywitz lehnt Rohstoffabgabe ab

Man kann Klara Geywitz, die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, nur bestärken, die erst kürzlich zu Recht festhielt: „Den Vorschlag einer Primärbaustoffsteuer teilt das Bauministerium explizit nicht. Wir sehen nicht, dass es angesichts der jetzigen Entwicklung bei den Baukosten notwendig ist, noch zusätzliche Belastungen von staatlicher Seite zu schaffen.“

 

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