Im Hessischen Hanau startete Ende Mai ein ungewöhnliches Wohnprojekt. Auf einer bisher ungenutzten Fläche hat das kommunale Unternehmen Unterschlupf für tierische Mieter geschaffen: Drei Hühnerställe werden seit mittlerweile fast zwei Monaten von den Mietern bewirtschaftet. Das Projekt, das viele zunächst für einen PR-Gag hielten, fand bei den Mietern guten Anklang und soll bald auf weitere Wohnanlagen ausgeweitet werden.
Von Johanna Böhnke, AIZ-Redakteurin
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Das Projekt klingt nur im ersten Moment verrückt. Wer sich näher damit beschäftigt, versteht schnell, warum die Baugesellschaft es nicht nur als fixe Idee abgetan, sondern tatsächlich in die Tat umgesetzt hat. „Die Idee zum Projekt kam unserem Geschäftsführer Jens Gottwald im Zusammenhang mit dem Thema Müllreduktion und der Frage, was wir gemeinsam mit unseren Mietern verbessern können“, erklärt Lisa Ruck, Assistentin der Geschäftsleitung. „Da Hühner bekanntermaßen viel Biomüll wie Kartoffelschalen und Salat fressen, haben wir den Gedanken weiter verfolgt. Neben der Biomüllreduktion bringt die Hühnerhaltung viele weitere Vorteile mit sich: man leistet einen Beitrag gegen Massentierhaltung, der Mieter weiß, was seine Hühner fressen und dass er hochwertige Eier bekommt sowie Transportwege und Verpackungsmaterialien einspart. Hühnermist ist außerdem ein hervorragender Dünger und kann somit weiterverwertet werden. Außerdem erleben „Stadtkinder“ die Hühner aus der Nähe und lernen, wo die Eier herkommen. Sie lernen Verantwortung zu übernehmen und auf die Bedürfnisse anderer Lebewesen einzugehen. Die Hühnerhaltung stärkt die Gemeinschaft und wirkt gegen Vereinsamung.“
Die Hühner haben sich mittlerweile gut in der Wohnanlage eingelebt und bereits begonnen, Eier zu legen — ein Zeichen dafür, dass sie sich wohlfühlen. Kein Wunder, schließlich wurde beim Bau der Ställe darauf geachtet, dass diese genügend Komfort für ihre gefiederten Bewohner bieten. Die massiv aus Holz gebauten Anlagen verfügen über ausreichend Auslauf zum Scharren und Picken, sind durch eine feste Bodenplatte und luftige, aber stabile Maschendrähte gegen ungebetene Besucher gesichert und verfügen über ein bequemes Hühnerhaus, in das sich die gefiederten Bewohner zwecks Eierproduktion zurückziehen können.
Auch bei den Mietern hat sich die Anfangseuphorie nach dem Einzug der Hühner nicht gelegt. „Die Mieter berichten uns, dass sich die Hühner positiv auf die Nachbarschaft auswirken und man häufiger mit den Nachbarn ins Gespräch kommt und sich auch gegenseitig vertritt, wenn ein Nachbar mal krank oder im Urlaub ist. Obwohl die Hühner neben den Lebensmittelresten auch spezielles Hühnerfutter hinzugefüttert bekommen, werfen die Mieter, die Hühner halten, kaum noch Abfälle in die Biotonne. Der Hühnermist muss ebenfalls nicht über die Biotonne entsorgt werden, da die Mieter diesen zum Düngen der Gärten nutzen. Somit werden wir nach und nach weniger Biotonnen zur Verfügung stellen“, berichtet Lisa Ruck.
Das Pilotprojekt in der Wohnanlage „Beethovenplatz“ ist der Baugesellschaft also geglückt. Nun soll es auch auf weitere Liegenschaften ausgeweitet werden. Aktuell ist das Projekt in Deutschland und auch darüber hinaus noch einzigartig. Ein ähnliches Modell gibt es bisher nur im französischen Colmar. Hier bieten die städtischen Entsorgungsbetriebe Hausbesitzern kostenlose Hühner an, um das Aufkommen von Bio-Abfällen zu reduzieren. Allerdings gilt das Angebot nur für Hausbesitzer mit eigenen Gärten. Wenn das Modell der Baugesellschaft Hanau weiterhin erfolgreich läuft, werden ähnliche Projekte jedoch sicherlich auch für andere Vermieter interessant.
Für die Umsetzung des Projekts hat die Baugesellschaft sich fachmännisch beraten lassen und umfangreiche Recherchen geführt. Unter anderem musste geklärt werden, wie die Hühner artgerecht gehalten werden, welche rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten sind und welche Hühnerrasse sich besonders für das Projekt eignet. Nach intensiver Suche und Beratung mit Fachleuten hat man sich für die Rasse „Zwerg-Welsumer” entschieden, die sich durch eine robuste Gesundheit und ein zutrauliches Wesen gut für die Haltung in den Wohnanlagen eignen. Der Name sagt aber nichts über die Produkte aus: Die Eier können sich von Größe und Qualität mit jeder anderen Rasse messen und fleißig sind die gefiederten Freunde auch. Rund 200 Eier legt jedes Huhn pro Jahr. Bei rund vier bis fünf Hühnern pro Stall bleibt da zweifellos auch noch etwas für die Nachbarn übrig.
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