Worauf es jetzt ankommt

11. April 2022


Mit dem Slogan „Fortschritt wagen“ ist die Koalition aus SPD, Grüne und FDP in die neue Wahlperiode gestartet. Das ist jetzt mehr als 100 Tage her. Dieses Zeitfenster ist sicher zu kurz, um ein erstes Fazit ziehen zu können. Aber es ist lang genug, um vorauszuschauen, auf was es jetzt ankommen wird.

Von Jürgen Michael Schick, IVD-Präsident

Die neue Bundesregierung ist nicht zu beneiden. Unter schwierigsten Bedingungen nahm sie ihre Arbeit auf. Allgegenwärtig zunächst die Corona-Pandemie. Dann kam der Krieg in der Ukraine hinzu. Die Auswirkungen sind nicht absehbar. Wie groß wird der neue Flüchtlingsstrom sein? Wie wirkt er sich möglicherweise auf die Wohnungsmärkte aus? Wie kann Deutschland unabhängiger von Energieimporten aus Russland werden? Und was heißt das für die ohnehin schon ehrgeizigen Ziele beim Klimaschutz? Hohe Benzin-Preise, teuere Lebensmittel und Lieferengpässe in nahezu allen Bereichen sind die Vorboten für das, was noch alles auf uns zukommen kann.

Bei all den derzeitigen Herausforderungen ist es dennoch wichtig, seine Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Für das neue Bauministerium heißt das, den Wohnungsbau weiter anzukurbeln und die richtigen Rahmenbedingungen für neue Investitionen zu schaffen.

 

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Eule

Erfahrungsgemäß befindet sich ein neues Ministerium auch nach 100 Tagen noch mitten in einer Art Selbstfindungsprozess. Neue Strukturen, neue Abläufe, neue Zuständigkeiten, neues Personal — das alles muss sich finden. Das braucht seine Zeit. Was mich aber positiv stimmt, sind die ersten Begegnungen mit der neuen Bauministerin. Klara Geywitz scheint eine pragmatische, offene und dialogbereite Ministerin zu sein. Sie sucht den Austausch mit allen Beteiligten aus der Immobilienbranche. Und genau darauf kommt es jetzt an.

Geywitz hat angekündigt, ein „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ mit allen wichtigen Akteuren zu schließen. Das ist aus meiner Sicht der wichtigste Schlüssel für alle derzeitigen Herausforderung in der Wohnungs- und Klimaschutzpolitik. Nach 100 Tagen ist die Zeit reif, dieses Bündnis nun zu konstituieren.

Das große Ziel, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und gleichzeitig die Klimaziele zu erfüllen, kann nur im Miteinander zwischen Politik, Eigentümer- und Mieterverbänden und der Immobilienwirtschaft erreicht werden. Das ist umso wichtiger, wenn man immer mehr den Eindruck gewinnt, dass zwischen Wunsch und Wirklichkeit eine eklatante Lücke entsteht.

Aktuelles Beispiel ist der abrupte KfW-Förderstopp Ende Januar, der nicht nur Träume vom Wohneigentum platzen, sondern auch die Neubau- und Sanierungsziele zugunsten des Klimaschutzes in weite Ferne rücken ließ. Das war ein herber Rückschlag für Bauherren und Investoren — und nicht zuletzt auch für die Politik.

Um Vertrauen zurückzugewinnen und keine wertvolle Zeit zu verlieren, muss schnell eine neue und vor allem verlässliche Förderkulisse entstehen, bei der Neubau und Sanierung gleichermaßen berücksichtigt werden.

Wo wir gerade beim Thema Sanierung sind. Ein- und Zweifamilienhäuser bieten enorme Energieeinsparpotenziale. Immerhin sind von insgesamt 18,9 Millionen
Wohngebäuden 15,7 Mio. Ein- und Zweifamilienhäuser. Rund 75 Prozent des Bestandes sind vor dem Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung errichtet und bisher nicht ausreichend saniert worden. Ein Eigentümerwechsel wäre hier der richtige Zeitpunkt für eine Sanierung. Um den neuen Eigentümer zur Sanierung zu motivieren, sollte dies besonders gefördert werden. Hierzu könnte beispielsweise ein Teil der Grunderwerbsteuer gestundet und dann zum Teil erlassen werden, wenn die Sanierung abgeschlossen ist.

Ein weiteres wichtiges Thema: Da Neubauprojekte viel Fläche benötigen, die Versiegelung von Böden aber nur in einem begrenzten Umfang hinnehmbar und mit ökologischen Nachteilen verbunden sind, sollte der Fokus der Politik auf den Erhalt der Substanz sowie die Verdichtung und Aufstockung von Bestandsgebäuden gerichtet werden.

Auch könnten zahlreiche Handelsflächen für Wohnungen umgenutzt werden. Insbesondere in Klein- und Mittelstädten sowie in Nebenlagen gibt es viel Potenzial. Dazu braucht es aber vor allem pragmatische Lösungen im öffentlichen Bauordnungsrecht, beispielsweise eine Experimentierklausel.

Ein Bündnis, verlässliche Förderkulissen, ein Fokus auf Bestandsimmobilien und Mut für neue Ideen zugunsten von mehr Wohnraum — das ist das, worauf es jetzt ankommt.

 

Foto: © SiberianArt/Depositphotos.com