Zu wenig Immobilienanfragen? Preis zu hoch!

20. Juli 2023


Viele Maklerbüros beklagen die stockenden Anfragen von Kaufinteressenten, obwohl sich ihr Immobilienangebot fast verdreifacht hat. Insbesondere in den A-Städten sind die Kauffälle weniger geworden, weil selbst Gutverdiener sich die Finanzierung nicht mehr leisten können. Höchste Zeit für einen Perspektivenwechsel.

Von Jan Kricheldorf

Automatische Preiseinschätzungen aus den bekannten Datenquellen wie Sprengnetter oder Pricehubble sind in diesen Tagen oft unpräzise beziehungsweise ein Blick in die Vergangenheit. Denn die ermittelten Preise lassen sich am Markt derzeit kaum noch erzielen — sieht man von einigen Lucky Punches ab. Die massiven Preisanstiege der letzten Jahre erodieren einfach nur sehr langsam aus den Angebotspreisen. Das lässt sich mit Marktbeobachtungstools wie GeoMap gut nachvollziehen. Statistisch fehlen den Volkswirten noch die Nachweise, weil nur wenige Gutachterausschüsse schon Daten aus dem ersten Quartal 2023 vorliegen haben. Rückschlüsse lassen sich im Moment nur indirekt aus den vorhandenen Angebotsdaten ablesen.

Das Angebot wächst, die Nachfrage bleibt gleich — wieso sind die Notartermine immer noch gering?

Bei näherer Analyse fällt auf, dass das Immobilienangebot vor allem in den A-Städten seit Mitte letzten Jahres portalübergreifend wächst. Gleichzeitig melden viele Maklerbüros aus den Metropolen, dass die Notartermine im Vergleich zum Vorjahr immer noch gering sind. In der Gemengelage der Immobilienmärkte in diesem Jahr lässt das nicht viele Schlüsse zu. Klar, die Verunsicherung ist nach Ukraine-Krieg, hoher Inflation und Zinsen sowie den Anforderungen, die sich aus der Energiewende ergeben sollen, immer noch groß. Das allein erklärt aber die Zurückhaltung nicht. Werten wir die Suchvolumina von Google-Anfragen aus, hat sich die Zahl der Nachfrager, die „Haus kaufen + Ort“ oder „Wohnung kaufen + Ort“ eingeben, zwar verringert, aber nicht erheblich. Suchten im April 2023 noch 5.400 nach einer Wohnung in Köln, so waren es ein Jahr zuvor noch 6.600. Der Wert für März lag im Vorjahresvergleich sogar auf gleichem Niveau mit 6.600 Anfragen. Die Nachfrage ist also nicht signifikant gesunken, die Anfragen — das wissen wir auch von den Immobilienportalen — allerdings schon. Wenn wir mit der Reichweite kein grundsätzliches Problem haben, womit dann eigentlich? Wenn Zielgruppen Angebote nicht mehr anfragen, ist es am wahrscheinlichsten, dass die Erschwinglichkeit die Ursache dafür ist. Nachfrager beobachten sehr genau die Marktentwicklungen und stehen vor der Entscheidung, ob sie kaufen oder mieten. Daher geraten die errechnete Kaufrate und die Miete für vergleichbare Immobilien in ein Wettbewerbsverhältnis. Gutverdiener, die zu Zeiten des historischen Zinstiefs sich die teuer gewordenen Immobilien noch leisten und sich damit aus den angespannten Mietmärkten lösen konnten, prüfen jetzt intensiv, welche Variante besser zur aktuellen Lage passt. Betrachten wir den Angebotsmarkt aus Käuferperspektive, liegen die Kaufraten in vielen Städten deutlich über durchschnittlichen Angebotsmieten. Viele Kaufinteressenten beginnen gedanklich umzuplanen, halten das Geld lieber zusammen und erwägen ein Übergangsmietverhältnis in der Hoffnung, dass sich die Marktlage künftig verbessern wird.

Von Kaufraten und Mietpreisen

Damit aber die Entscheidung zu Gunsten eines Kaufs fällt, müssen sich die Kaufraten zum Teil deutlich an das Mietpreisniveau annähern. Diese Veränderungen können sie aber nicht aktiv beeinflussen, denn ihre Ausgabe-Möglichkeiten sind durch die zinsverteuerten Finanzierungsmodelle begrenzt. Diese Schallmauer kann nur seitens der Verkäufer durchbrochen werden, die früher oder später mit den Preisen noch einmal nachlassen müssen, wenn sie verkaufen wollen.

Erste Tendenzen sichtbar

Immobilienportale halten derzeit dagegen, dass der Verkauf wieder anziehen würde. Wo ist der Fehler? Unbestritten glaube auch ich, dass bestimmte A-Lagen auch jetzt noch funktionieren und heiß begehrte Objekte weiterhin laufen. Was stimmt und was nicht, werden wir erst mit den ersten Auswertungen der Gutachterausschüsse erkennen können, wenn klar wird, wie sich die letzten Marktentwicklungen auf die Kauffälle und die Transaktionsvolumina ausgewirkt haben. Erste Tendenzen haben wir schon von den Auswertungen aus den letzten beiden Jahren. So ist in Hamburg der Geldumsatz von Eigentumswohnungen und Teileigentum im Jahresvergleich von 3,7 Milliarden Euro um 1 Milliarde zurückgegangen und befand sich damit auf dem Niveau von 2018. Wir dürfen gespannt darauf sein, ob sich der Abwärtstrend auch in 2023 fortsetzt.

Was heißt das für Makler?

Für Immobilienmakler bedeutet das vor allem, eine Revision ihres derzeitigen Immobilienportfolios durchzuführen. Wer werden die First Mover sein, die verkaufen und wieder Umsatz machen und wer gehört zu den Zögerlichen, die darauf hoffen, dass sich der Markt irgendwann erholen wird? Die richtige Kommunikation zu Käufern und wie gehabt vor allem Eigentümern wird den Unterschied machen. Haben wir im Verteilermarkt vor allem Interessenten beim Qualifizieren ausgesiebt, müssen wir in diesem Jahr vor allem Eigentümer aussieben, die mit zu hohen Preisvorstellungen an den Markt treten wollen und die wertvolle Zeit des Immobilienmaklers klauen, die er zum Kommunizieren nun einmal benötigt. Live-Webinare zum lokalen Immobilienmarkt mit seinen speziellen Bedingungen für Käufer und Eigentümer, E-Mail-Marketing und marktgerechte Immobilienbewertungen sind die Lösungsansätze, die den stockenden Verkauf wieder ankurbeln können.

 

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