Zu wenig Sozialwohnungen – was nun?

19. September 2023


Die Krise des Neubaus betrifft auch den Bau sogenannter Sozialwohnungen. Einkommensschwachen Mietern steht dadurch immer weniger geförderter Wohnraum zu besonders günstigen Mieten zur Verfügung. Hinzu kommt, dass vor Jahren geförderte Wohnungen nach und nach aus der Mietpreisbindung fallen. Da die Zahl der Menschen, die einen gesetzlichen Anspruch auf eine mietpreisgebundene Wohnung hat, steigt, droht eine Mangelsituation mit gesellschaftlicher Sprengkraft.

Von Markus Jugan, IVD-Vizepräsident

Der Niedergang des sozialen Wohnungsbaus kommt nicht über Nacht. Schon seit Jahren ist die Zahl der mietpreisgebundenen Wohnungen rückläufig. Gab es in den 1980er Jahren noch vier Millionen Sozialwohnungen, waren es Ende 2022 nur noch gut eine Million. Das sind rund 14.000 mietpreisgebundene Wohnungen weniger als ein Jahr zuvor. Um dieses Problem anzugehen, wollte die Bundesregierung die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass jährlich 100.000 neue Sozialwohnungen entstehen. Vergangenes Jahr wurden jedoch nur 22.545 fertiggestellt, also weniger als ein Viertel. Das Ziel wurde also deutlich verfehlt. Wenn sich der Neubau von Sozialwohnungen trotz bestehender öffentlicher Förderung nicht mehr rechnet, stellt sich die Frage nach Alternativen zum Neubau. Doch wie lässt sich das Angebot an preisgebundenem Wohnraum für Menschen, die auf besonders günstige Mieten angewiesen sind, nachfragegerecht wieder erhöhen?

Zunächst gilt es, die Wohnraum-Potenziale in den Immobilienbeständen zu mobilisieren. Ob durch Aufstockung und Anbau oder schlicht durch die Modernisierung vorhandener Wohnungen. Besonders im mietgünstigen Gebäudebestand fehlt aber den Eigentümern oft die finanzielle Kraft dafür.

In den 1960er Jahren gab es schon einmal eine Lösung, die auch heute wieder ihre Wirkung zeigen würde, um zusätzlichen mietpreisgebundenen Wohnraum zu gewinnen. Bund und Länder müssten im Rahmen ihrer öffentlichen Wohnraumförderung attraktive Finanzierungsmittel für die Sanierung von Beständen anbieten, die mit einer längerfristigen Preisbindung mit Belegungsrecht gekoppelt ist. Die Mieter profitieren dann von den Vorteilen modernisierten, energetisch sanierten Wohnraums, der zugleich einkommensschwachen Personen vorbehalten ist und besonders preisgünstige Mieten garantiert. In einem solchen Förderprogramm wäre das Geld auf jeden Fall sinnvoller angelegt als für den Ankauf von Wohnungsbeständen durch die Kommunen im Rahmen eines Vorkaufrechts. Eine weitere Alternative zum Neubau besteht darin, dass die Gemeinden bei Bestandshaltern aus der Region Belegungsrechte erwerben. Um Belegungsrechte für Vermieter attraktiver und flexibler zu gestalten und auch den freifinanzierten Bestand von privat gehaltenen Mietwohnungen älterer Baujahre zu aktivieren, müssen die Kräfte des Marktes genutzt werden. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen beispielsweise macht mit dem Ankauf von Belegungsbindungen bereits gute Erfahrungen. So bleiben mehr mietpreisgebundene Wohnungen erhalten, die langfristig einkommensschwachen Haushalten zur Verfügung stehen.

Fest steht: Wollen wir den Rückgang an Sozialwohnungen aufhalten und uns dabei bewusst nicht auf den Neubau verlassen, müssen gleich mehrere Lösungsalternativen verfolgt werden.

Auch steuerliche Entlastungen könnten der Sanierung und dem Bau von Wohnungen mit besonders günstigen Mieten neue Impulse geben. Eine steuerliche Förderung müsste an die Wohnfläche oder an die Miete geknüpft werden. Ein Anreiz, in den Neubau von Mietwohnungen zu investieren, könnte durch die steuerliche Begünstigung von Mieteinnahmen bis zu einem Höchstbetrag erfolgen (zum Beispiel 6 Euro). Die Regelung würde ihre Wirkung auch für solche Eigentümer entfalten, die keine anderweitigen hohen Einkünfte haben.

Bei einem so dramatischen Einbruch, wie wir ihn derzeit im Neubau und auch im sozialen Wohnungsbau erleben, ist die Regierung gefragt, sofort zu handeln. Sie muss bereit sein, die klassischen Pfade der Förderung des sozialen Wohnungsbaus zu verlassen. Sie sollte neue Wege gehen, um das Wohnungsangebot für Menschen mit niedrigerem Einkommen zu erhöhen.

 

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